Düsseldorf Honig für die Bühne

Düsseldorf · Der Film "Honig im Kopf" über einen Großvater, der in die Demenz gleitet, war im Kino sehr erfolgreich. Jetzt ist die tragikomische Geschichte im Theater an der Kö zu erleben - mit vielen komischen Momenten, die zu Herzen gehen.

 Karsten Speck (l.) sorgt sich um den Vater, der in der Bühnenfassung von "Honig im Kopf" von Achim Wolff gespielt wird.

Karsten Speck (l.) sorgt sich um den Vater, der in der Bühnenfassung von "Honig im Kopf" von Achim Wolff gespielt wird.

Foto: Theater an der Kö

"Wie fühlt sich das an, wenn man alles vergisst?", fragt Tilda ihren Opa. "Wie Honig im Kopf", antwortet Amandus Rosenbach und greift sich an die Stirn. Mit diesem Zitat betitelte Til Schweiger seinen erfolgreichen Film von 2014, in dem er das Thema Demenz komödiantisch angeht. Danach entstand das gleichnamige Bühnenstück von Florian Battermann und René Heinersdorff, unter dessen Regie es jetzt im "Theater an der Kö" Premiere hatte.

Opa und Enkelin sind die Hauptfiguren, also kommt es hier auf eine stimmige Besetzung an. Hinreißendere Schauspieler hätte man für beide Rollen nicht finden können. Achim Wolff beherrscht die Klaviatur der großen Gefühle. Er rührt die Zuschauer an und bringt sie im nächsten Moment mit trockenen Bemerkungen und spaßigen Aktionen zum Lachen. In Wahrheit sind sie tragisch, weil sie seine fortschreitende Verwirrung dokumentieren. Darf man sich darüber amüsieren, wenn er die Hose verkehrt herum anzieht, die Küche fast abfackelt und in den Kühlschrank pinkelt? Man darf, denn "Honig im Kopf" erzählt auch von einer uneingeschränkten Liebe. Die elfjährige Tilda nimmt den skurrilen Opa, wie er ist, entlockt ihm Erinnerungen und macht sich mit ihm auf eine Abenteuerreise nach Venedig, wo er einst so selig war. Anne Bedenbender spielt grandios. Man glaubt auf Anhieb, ein bezopftes Kind vor sich zu haben, das sich energisch für den Alten einsetzt. Lässt ihr Vater vorsichtig anklingen, er wolle Amandus in Obhut geben, widerspricht sie wütend: "In ein Heim stecken!" Niko (Karsten Speck) ist kein kaltblütiger Sohn. Je weiter sein Vater abdriftet, desto fürsorglicher nimmt er ihn in Schutz. Es entsteht sogar eine neue Innigkeit. Aber er ist im Umgang mit der Krankheit ebenso hilflos wie seine resolute Frau Sarah (Astrid Kohrs), die lange nicht begreift, was mit Amandus passiert. Obwohl sie zunehmend hysterisch auf seine Eskapaden reagiert, lenkt auch sie immer wieder ein. Beide Schauspieler füllen ihre Rollen souverän aus, auch wenn die Dialoge zwischen dem Ehepaar nicht zu den stärksten Passagen des Stücks gehören.

Nach der Pause wird "Honig im Kopf" zu einem geschickt inszenierten Roadmovie. Opa und Enkelin müssen vor der Polizei flüchten, gelangen schließlich auf verschlungenen Pfaden an den Ort der Verheißung, wo die Familie am Ende wieder zusammenfindet. Amandus hat Venedig erreicht. Doch ausgerechnet dort verschattet sich sein Horizont für immer.

Das Bühnenbild von Stephan von Wedel ist so schlicht wie raffiniert. Wenige Handgriffe und sparsam eingesetzte Requisiten ermöglichen schnelle Szenenwechsel. Dadurch bleibt die Handlung wohltuend im Fluss, die mit Musik von Karsten Speck untermalt wird. "Honig im Kopf" ist weit entfernt vom typischen Boulevardtheater-Klischee. Zu sehen ist ein starkes Stück, das trotz aller Heiterkeit ans Gemüt geht. Das einem die Kehle manchmal eng und die Augen nass werden lässt. Die Premieren-Zuschauer begleiten es mit großer Zustimmung. Sehr langer und herzlicher Applaus.

(RP)
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