Jürgen Becker "Humor ist fürs Lernen sehr geeignet"

Düsseldorf · Der Kabarettist ist mit seinem Programm "Volksbegehren" im Kommödchen zu Gast. Darin geht es etwa darum, worüber Männer nachdenken.

 Ende Juni ist der Kölner Kabarettist Jürgen Becker mit seinem Programm "Volksbegehren" im Kommödchen zu Gast.

Ende Juni ist der Kölner Kabarettist Jürgen Becker mit seinem Programm "Volksbegehren" im Kommödchen zu Gast.

Foto: Simin Kianmehr

Der Kölner Jürgen Becker zählt zu den renommiertesten deutschen Kabarettisten. Jetzt ist er in Düsseldorf zu Gast. Wir sprachen mit ihm.

Ihr neues Programm heißt "Volksbegehren" - spricht Jürgen Becker zum Volk oder als Teil des Volkes?

Becker Als Teil des Volkes. Und zum Begehren natürlich auch.

Was begehrt das Volk denn?

Becker Wir Kölner sind ja gebrandmarkt durch die Silvesternacht 2015/16. Seitdem steht Köln international auch für Inkompetenz. Köln ist Lothar Matthäus - nur als Stadt. Deswegen hat man versucht, das dieses Jahr anders zu lösen. Durch massiven Polizeieinsatz. Aber da gab es auch wieder Kritik. Wegen der Abkürzung "Nafri" für Nordafrikaner. Und es stellte sich heraus, dass die meisten Menschen, die als Nordafrikaner festgehalten wurden, gar keine Nordafrikaner waren, sondern Iraner, Ägypter - es ist aber auch schwierig, all die Rechtsrheinischen auseinanderzuhalten.

Wieso denn "Volksbegehren"; hätte ein Bürgerbegehren nicht gereicht?

Becker Der Mensch begehrt jedenfalls mehr als man so meint. Männer denken laut Forschung 60 Prozent des Tages an Sex. Das wundert viele. Denn das heißt ja: Er denkt nur 40 Prozent des Tages an Fußball.

Keine fünf Prozent Hoffnung, dass es in Männerhirnen auch noch um was anderes geht?

Becker (lacht und schweigt)

Sie sind vielen Menschen durch die "Frühstückspause" bekannt, eine kurze Kabarettsendung, freitags, auf dem Radiosender WDR 2. Da reden Sie nun schon seit fast 30 Jahren kauend über Gott und die Welt. Frühstücken Sie da eigentlich wirklich?

Becker Ja, da essen wir Croissants.

Keinen "halve Hahn"?

Becker Nein, so französische Brötchen mit Karamellkruste, damit es beim Zubeißen schön kracht. Klingt dann wie ein Brötchen.

Wie finden Sie die Themen, die sie da jede Woche aktuell verfrühstücken?

Becker Das ist nicht so schwer. Im Moment ist die Welt ja in Bewegung, da müssen wir nur Nachrichtenagenturen und Zeitungen lesen. Unter Helmut Kohl war das richtig schwer. Da passierte manchmal gar nichts. Da hat ein Freund von mir sein Kind mal zum Briefkasten geschickt, um die Zeitung zu holen. Das Kind kam dann ohne Zeitung zurück und sagte zu meinem Freund: Heute war keine Zeitung drin - gestern ist sicher nichts passiert. Diese Zeiten sind vorbei.

Sie sind auch ein Kabarettist, den man aus dem Fernsehen kennt. Wie bewahren Sie sich die Nähe zu "normalen Menschen" - dieses Menschlich-Authentische macht ja Ihren Stil aus?

Becker Die Leute in meinem Viertel begegnen mir nicht wie einem, den sie aus dem Fernsehen kennen. Man muss sich aber auch mal in ein unbekanntes Viertel begeben. Neulich habe ich zum Beispiel in Köln-Chorweiler eine Diskussion geleitet, das ist ja schon fast Düsseldorf. Das macht mir immer Freude, bei solchen Gelegenheiten das Publikum kennenzulernen. Das Schöne an Deutschland ist ja, dass ich die Sprache beherrsche. Ich kann also mit den Leuten reden.

Wie immer nach Ihren Auftritten.

Becker Ja, da geb' ich immer ein Bierchen aus. Im Kommödchen wird's auch ein Kölsch geben. Da kann man dann noch ein bisschen erzählen.

Kölsch?

Becker Ja, ich würde auch gern Alt ausschenken. Ich hab' auch mal mit Alt-Brauereien verhandelt, aber die wollten nicht. Ich hab' nichts gegen Alt. Wenn man Kölsch und Alt blind verkostet, können viele Menschen das gar nicht auseinanderhalten. Sind beides obergärige Biere.

Sie sind ja zum dritten Bildungsweg auf die Bühne gegangen. Gelernt haben Sie mal grafischer Zeichner, dann haben Sie Sozialarbeit studiert. Was hat Sie vors Publikum getrieben?

Becker Ich hab mich in der Schule gelangweilt und mit anderen Dingen beschäftigt. Darum habe ich mir gedacht, man muss das anders machen. Die Leute müssen auch was zu Lachen haben. Wenn man lacht, lernt man besser. Das Gehirn ist ja dann gefordert, Richtig und Falsch zu unterscheiden, weil Humor ja immer mit dem Falschen spielt. Das Lachen entstand ja mal aus einer Drohgebärde des Affen. Wenn das Gehirn mit einer Falschinformation konfrontiert wird, dann merkt das Tier, da stimmt etwas nicht, und gibt so Laute von sich. So ist das Lachen entstanden. Ein Beispiel: Ein Vampir sitzt allein auf dem Tandem. Hält ihn ein Polizist an, fragt: Hast Du was getrunken? Sagt der Vampir: Ja, zwei Radler. - Sie lachen jetzt. Da haben sich zwei Bedeutungsebenen überlagert und Ihr Gehirn hat gemerkt: Da stimmt was nicht.

Ich habe mich vor allem gewundert, dass Sie als Entertainer übers Lernen sprechen.

Becker Ja, Humor ist fürs Lernen sehr geeignet.

Viele Menschen, die auf die Bühne gehen, um andere zu unterhalten, würden weit von sich weisen, dass sie ihrem Publikum etwas beibringen wollen.

Becker Ne, ich finde es super, wenn man im Kabarett auch Erkenntnis gewinnt. Mir machen meine Programme ja auch deswegen Spaß, weil ich selbst etwas lernen will.

DOROTHEE KRINGS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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