Interview mit Judith Holofernes "Ich bin keine Latte-Macchiato-Mutti"

Düsseldorf · Die frühere Sängerin von Wir sind Helden spricht über die Ansprüche des Pop-Betriebs und die Pause ihrer Band. Am Sonntag, 12. Oktober, spielt sie ihr neues Programm im Rahmen des "New Fall"-Festivals im Robert-Schumann-Saal.

Die Sängerin Judith Holofernes, die am 12. Oktober beim "New Fall"-Festival im Robert-Schumann-Saal zu erleben ist.

Die Sängerin Judith Holofernes, die am 12. Oktober beim "New Fall"-Festival im Robert-Schumann-Saal zu erleben ist.

Foto: Christoph Voy

Als Solo-Künstlerin mit neuer Band können Sie wieder in kleineren Clubs spielen. Wurde Ihre frühere Band Wir sind Helden irgendwann einfach zu groß?

Judith Holofernes Wahrscheinlich schon. Ich spiele wahnsinnig gerne in Clubs. Vor ganz vielen Leuten zu spielen, hat natürlich auch seinen Reiz. Es wird eine riesige Energie umgesetzt von beiden Seiten, aber da fehlt dann auch was. Natürlich ist das, was ich da gerade mache, im klassischen Sinne Downsizing. Ich weiß aber nicht, ob ich das unbedingt auf Konzerte bezogen tun musste. Es hatte eher etwas mit diesem ganzen Apparat zu tun - Visage zeigen und so.

Sind Sie nicht gerne Popstar?

Holofernes Ich kann und vertrage das eigentlich nicht so gut. Ich fand die Vorstellung ganz schön, mich ein paar Jahre zurückzuziehen und einen Roman zu schreiben. Aber dann war der Drang, Musik zu machen, doch zu groß. Dabei stellte ich allerdings fest, dass eine 70-Prozent-Stelle als Popstar nicht ausgeschrieben ist. Es nahm wieder Fahrt auf und entwickelte ein Eigenleben.

Ihr neuer Song "Nichtsnutz" erinnert an "Sag Alles Ab" von Tocotronic. Er handelt von der Verweigerung. Hat man als Popstar ab einem gewissen Punkt das Gefühl, nur noch den Erwartungen und Ansprüchen anderer zu genügen?

Holofernes Mein Beruf hat definitiv mit hohen Fliehkräften zu tun. Das verselbstständigt sich schnell, und natürlich sind da immer Interessen im Spiel, die man sehr deutlich von den eigenen unterscheiden muss. Ich finde es schon sehr viel einfacher jetzt, wo ich nur für mich selber zuständig bin, weil ich besser aus dem Bauch heraus entscheiden kann. Ich habe aber immer noch das Gefühl, ich bin mein eigener Nichtsnutzigkeits-Azubi.

Warum muss Ihre frühere Band Wir sind Helden nun schon seit zwei Jahren pausieren?

Holofernes Wir alle vier sind keine Menschen, die finden, dass es einen Eigenwert hat, für immer in einer Band zu bleiben und dann zu etwas zu werden, das Deutschland so gerne hat: Rock-Dinosaurier, die immer das Gleiche machen und zu Verwaltern ihrer eigenen Marke werden. Der Hauptgrund war letztendlich, dass der Preis zu hoch wurde. Was den meisten Leuten ja gar nicht klar ist, dass Wir sind Helden immer eine Band war, deren Mitglieder in drei verschiedenen Städten gewohnt haben.

Ist es auch ein entscheidender Faktor, dass irgendwann Kinder ins Spiel kamen?

Holofernes Ich mag es zwar nicht, dass ich nach der neuen Platte auf einmal das Label Latte-Macchiato-Mutti auf der Stirn kleben habe, das mich überhaupt nichts angeht. Aber klar ist auch entscheidend, dass man mit Kindern ein anderes Leben führt.

Sie spielen bei aktuellen Konzerten nur Solo-Material. Aber könnte "Ein leichtes Schwert" nicht auch ein Wir-sind-Helden-Album sein?

Holofernes Mir käme es komisch vor, Wir-sind-Helden-Songs mit anderen Leuten zu spielen. Das hat auch etwas mit Loyalität zu tun, und ich hoffe sehr, dass die Leute mir das nachsehen. Es ist alles noch zu frisch: Die alten Songs zu spielen, wäre, als würde man das T-Shirt, das der Freund vergessen hat, der neuen Freundin leihen. Aber klar ist das neue Material mit dem alten verwandt - ich war ja auch bei Wir sind Helden dabei. Das ist eben, was aus mir rauskommt.

Das New Fall Festival bringt Popmusik in Hochkultursäle mit sitzendem Publikum. Passt Ihre Musik da rein?

Holofernes Ach, das sind Sitzkonzerte? Das hatten wir dieses Jahr zweimal, und es geht voll auf - vor allem, wenn die Leute aufstehwillig sind und auch aufstehen können, ohne sich die Haxen zu brechen. Das ist schon im weitesten Sinne Tanzmusik, was wir da machen, und auch Rock'n'Roll und so ... Ich hab es schon gern, wenn die Leute zuhören und herumhampeln.

MAX FLORIAN KÜHLEM FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort