Düsseldorf In den Eingeweiden des Dreischeibenhauses

Düsseldorf · Am Samstag erlebt ein Düsseldorfer Krimi Uraufführung im Dreischeibenhaus. Ein Gespräch mit dem Produzententeam "Raum+Zeit".

Düsseldorf: In den Eingeweiden des Dreischeibenhauses
Foto: Heinz Holzmann

Wenn am Ende niemand applaudieren wird, dann liegt das wahrscheinlich nicht an der Qualität der Inszenierung oder am Gehalt des Stückes. Sondern an den besonderen Umständen dieser Produktion des Düsseldorfer Schauspielhauses. Spektakulär ist der Aufführungsort: Das Dreischeibenhaus, Ausrufezeichen des Wirtschaftswunders und Landmarke der Landeshauptstadt hoch überm Hofgarten, liefert nicht eine Bühne, sondern eine Vielzahl von Orten und Räumen, an denen ein interessanter Fall wiederaufgerollt wird, der in Düsseldorf über viele Jahre für Schlagzeilen sorgte.

 Wie Architektur als dritte Haut den Menschen umgibt: Vorgeschmack auf Theater im Dreischeibenhaus mit Rainer Philippi und Konstantin Lindhorst.

Wie Architektur als dritte Haut den Menschen umgibt: Vorgeschmack auf Theater im Dreischeibenhaus mit Rainer Philippi und Konstantin Lindhorst.

Foto: Thomas Rabsch

Die so bezeichnete Theaterinstallation "Die dritte Haut:: Der Fall Simon" behandelt die Geschichte eines Multimillionärs, der auf der Kö zwei Häuser besaß, der außerdem als schrullig und geizig verschrien war und 1991 von der Bildfläche verschwand. Die Häuser des "Kö-Opis" wurden verkauft, der Käufer wegen Mordes angeklagt. Bis heute wurde der Fall nicht aufgeklärt. Und Herr Simon bleibt verschwunden.

Um dieses Spiel zu verfolgen, finden ab Samstag Theaterbesucher Einlass in den Tower, den Hausherr Patrick Schwarz-Schütte dem Intendanten Wilfried Schulz zur Verfügung stellt. Normalerweise dringen Privatpersonen im Dreischeibenhaus nur bis zum Feinschmeckerrestaurant "Phoenix" vor. Jeder Zuschauer erhält seine eigene Anfangszeit, wird von einem Guide an die Hand genommen und durchs Haus bewegt. Zwölf Minuten später ist der nächste dran. Die Schauspieler verharren an ihren Plätzen und erwarten immer neue Gegenüberstellungen. Vier Orte gibt es auf verschiedenen Ebenen, vier Monologe und vier Darsteller - der Zuschauer aber ist die Hauptperson.

Das verspricht Alexandra Althoff, die den Düsseldorfer Kö-Krimi bei Recherchen im Internet entdeckt und ihn mit Bernhard Mikeska und Lothar Kittstein für die Bühne aufgeschrieben und bearbeitet hat. Kittstein ist der Autor von "Die dritte Haut:: Der Fall Simon", die beiden anderen sind seit rund sechs Wochen in Düsseldorf im Probeneinsatz. "Raum + Zeit" nennt sich das Team, das für eine nicht alltägliche Theaterarbeit steht. Weil sie Orte mit Stücken neu und intelligent verknüpfen können, hat sie Schulz wahrscheinlich nach Düsseldorf geholt. Und weil er verlegen um solche Lösungen ist, schließlich bleibt ihm das Schauspielhaus noch lange Zeit als Spielstätte verwehrt.

Die Theatermacher denken im Kollektiv und wollen dem Zuschauer neue Wege und Zugänge eröffnen. Sie glauben, dass ein Kontinuum aus Zeit und Raum genauso stark auf den Menschen einwirkt wie Sprache, Rhythmus und Bilder. Alles muss am Ende zusammen gesehen werden. Eine neue Webart entsteht aus dieser Überzeugung, die ungewohnte Verortungen vornimmt. Der Zuschauer verfällt in die Rolle, sich ständig zu fragen, wie weit er sich auf das Spiel einlässt und Teil einer Zweierbeziehung mit dem Schauspieler wird.

"Raum + Zeit" inszenieren an ungewöhnlichen Orten, mal im Gefängnis, mal im Schießhaus. In München war es das Gewölbe unter der alten Residenz, wo zuvor nie jemand hinkam. Jetzt bewegt man sich in den Eingeweiden des kühnen Architekturdenkmals, direkt neben dem wegen Baustelle stillliegenden Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz. An wirkmächtiger Architektur hat dieses Denkmal vom Ende der 1950er Jahre nichts eingebüßt, Stahl und die Transparenz der drei Scheiben prägen sein Image. Weniger transparent erscheinen die Vorgänge um die Großbaustelle, die das Hochhaus flankiert. Althoff (39) sagt: "Der Aufschrei in der Theaterwelt war groß, als bekannt wurde, dass in Düsseldorf das Schauspielhaus kurzfristig zur Disposition stand." Der Stoff, den sie im Internet entdeckte, schien perfekt in die Gegenwart zu passen, hatte er doch mit Kaufen und Verkaufen von Grundstücken zu tun, mit Gier und Gewinnsucht.

Auf eine Reise durch die Zeit werden die Zuschauer geschickt, eine Reise der Erinnerungen, die jeder selbst am Ende freilegt und zusammenfügt. "Wir machen den Zuschauer zum Teil der Geschichte vom Verschwinden Simons", sagt Regisseur Mikeska (45). Und am Ende entscheide der Zuschauer, ob er einen Traum oder einen Alptraum durchlebt.

(RP)
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