Düsseldorf Jüdische Kulturtage eröffnen mit Toten Hosen

Düsseldorf · Das vierwöchige Kulturfest im Rheinland startete fröhlich, feierlich und vor allem hoffnungsfroh.

 Der Überraschungsgast: Campino bei der Eröffnung der Jüdischen Kulturtage in der Düsseldorfer Tonhalle.

Der Überraschungsgast: Campino bei der Eröffnung der Jüdischen Kulturtage in der Düsseldorfer Tonhalle.

Foto: Susanne Diesner

Überwiegend festlich war es und feierlich, mehr fröhlich als staatstragend. Kaum anderes dürften die meisten Gäste zur Eröffnung der Jüdischen Kulturtage auch erwartet haben. Warum eigentlich? Denn dass es auch sehr anders gehen und dabei inspirierend angemessen bleiben kann, zeigte der Auftritt der Toten Hosen ganz zum Schluss - quasi als Überraschungscoup der Feier, der natürlich auf dem Programmzettel nicht annonciert war.

Doch der Auftritt der Düsseldorfer Band rund um Frontman Campino war mehr als nur eine Pointe, mehr als ein Knalleffekt zum Auftakt der vierwöchigen Kulturtage. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Düsseldorfer Jüdische Gemeinde Deutschlands erfolgreichste Band zusammen mit Musikprofessor Thomas Leander ausgezeichnet: Für ihr Engagement wurde ihnen die Josef-Neuberger-Medaille verliehen.

Eine Ehrung, die Spuren bei den Musikern hinterlassen hat. Seit er die jüdische Gemeinde besser kennengelernt habe, würde er sich "zutiefst dafür schämen, das wir ihnen kein angst- und sorgenfreies Leben gewähren können", erklärte Campino. Und: "Das ist eine Schande." Das Aufgebot an Sicherheitskräften rund um die Eröffnungsfeier machte seine Worte anschaulich.

Düsseldorf: Tote Hosen begeistern in der Esprit Arena
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Düsseldorf: Tote Hosen begeistern in der Esprit Arena

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Foto: dpa, Henning Kaiser

Natürlich wäre es falsch, den Beginn der Kulturtage mit fast 380 Veranstaltungen im ganzen Rheinland als Hosen-Konzert auszugeben. Dafür war das Klavierkonzert vom jungen Michael Marinin mit seinen Variationen jüdischer Lieder viel zu bewegend, die Tänze der kleinen Purim Clowns einfach zu lebensfroh und die Ausschnitte aus dem Musical "Kadima Steps" des jüdischen Jugendzentrums zu turbulent. Dafür waren aber auch die kurzen Ansprachen zu gehaltvoll: von NRW-Sozialminister Guntram Schneider beispielsweise, der den Juden in Deutschland trotz aktuellen Fällen von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zurief: "Bleiben Sie bitte unter uns, bleiben sie in diesem Land." Oder von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er verwandelte nämlich das Motto der Kulturtage, "angekommen - jüdisches (er)leben", in das Leitmotiv jüdischen Lebens in Deutschland: "Es zeigt das hohe Vertrauen, dass wir Juden nach wie vor in dieses Land haben. Wir sind hier angekommen, wir bleiben. Wir leben hier unser jüdisches Leben." Das alles heißt nicht, dass Antisemitismus und die Shoa augeblendet werden. Erst kürzlich wurde intensiv an die Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz erinnert. Doch die Gegenwart jüdischen Lebens scheint zunehmend ihre Kraft aus der Zukunft zu schöpfen, ohne die Vergangenheit dafür vergessen zu müssen.

Und genau für diese Brücke, die sicherlich auch von einer neuen und jungen jüdischen Generation getragen wird, war der Auftritt der Toten Hosen mit Thomas Leander und dem Streichquartett der Robert-Schumann-Hochschule so sinnfällig. Man darf feiern, ohne oberflächlich zu sein. Und man darf auch die Hymne eines großen Widerstandslieds ganz neu interpretieren, ohne die Opfer zu beschämen. Denn als Campino schließlich das berühmte Moorsoldatenlied auf seine Art sang, schien damit der Geschichte auch ein neues Leben eingehaucht zu werden.

(RP)
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