Düsseldorf Jura wäre nichts für ihn gewesen

Düsseldorf · In "Terror" gibt er einen Anwalt. Ab Freitag wird Andreas Grothgar zudem in "Biografie: Ein Spiel" auf der Schauspielhaus-Bühne stehen.

 So fleißig war Andreas Grothgar vermutlich noch nie: Am 8. März feiert das Stück "Biografie: Ein Spiel" im Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere.

So fleißig war Andreas Grothgar vermutlich noch nie: Am 8. März feiert das Stück "Biografie: Ein Spiel" im Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere.

Foto: hoppe

Tagsüber Probe, abends Vorstellung - der ganz normale Rhythmus eines Schauspielers. Aber nur selten rückt alles so dicht zusammen wie seit Monaten bei Andreas Grothgar. Nach "Baumeister Solness" und "Iphigenie auf Tauris" ging es im Herbst mit "Terror" so richtig los. Er spielt den Verteidiger des Piloten und wurde mit dem Ensemble von dem "unvermuteten Riesenerfolg" überrollt. Weil das Gerichtsdrama stets ausverkauft ist, sind weit mehr Vorstellungen angesetzt als geplant. Bisher wurde der Angeklagte vom Publikum stets freigesprochen. "Obwohl ich nicht das stärkste Plädoyer halte", räumt Andreas Grothgar ein. "Das muss ich dem Herrn von Schirach leider ankreiden. Die besseren Argumente hat er der Staatsanwältin gegeben."

Wäre er selber gern Jurist geworden? "Bestimmt nicht", wehrt er ab. "Meine Anfangsjahre als Schauspieler waren kompliziert, da überlegt man schon, etwas anderes zu machen. Aber ein langes Studium, das ewige Büffeln, das Suchen nach Schlupflöchern im Gesetzbuch - das wäre nichts für mich gewesen. Als Hockeyspieler hätte ich mir allenfalls vorstellen können, Leistungssportler zu werden. Oder Sportjournalist."

Gleich zwei Rollen meistert Andreas Grothgar in der bissigen Brecht-Parabel "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui". Mit dem beklemmenden Monolog "Klaus Barbie - Begegnung mit dem Bösen" liefert er über fast anderthalb Stunden ein grandioses Solo ab. Das Psychogramm des brutalen "Schlächters von Lyon" entstand aus einem Hörspiel von Leo Koppelmann. Wie verleibt man sich diese gigantischen Wortmengen ein? "Ganz systematisch", antwortet Andreas Grothgar. "Jeden Tag nahm ich mir eine bestimmte Anzahl von Seiten vor. Hatte ich die gelernt, wurden sie am nächsten Tag memoriert. Dann kam ein neues Bündel dazu." Wie beim Kinderspiel "Ich packe meinen Koffer"? Er lacht. "Ja, genau." So schwierig sei das gar nicht gewesen: "Wenn der Kopf sich bewegen muss, fängt er auch an zu laufen. Man bleibt wach." Die Auseinandersetzung mit diesem düsteren Kapitel deutscher Geschichte hält der Schauspieler für unerlässlich: "Man kann sich von den Verbrechen der Menschheit nicht losmachen. Das Schockierende ist ja: Diese Täter waren Befehlsempfänger, darauf gedrillt, bestimmte ,Einheiten' wegräumen zu müssen."

Die Premiere "Biografie: Ein Spiel", inszeniert von Günther Beelitz, setzt am 8. April den heiteren Schlussakkord unter eine extrem arbeitsreiche Saison. Urlustig und humoristisch sei das Stück von Max Frisch, das dessen Beziehung zur Dichterin Ingeborg Bachmann streift und damit spielt, wie es wohl wäre, könnte man sein Leben mit dem Wissen von heute noch einmal leben. Andreas Grothgar gehört zu den wenigen aus dem Ensemble, die der neue Intendant Winfried Schulz übernimmt. Das freut ihn, künstlerisch wie privat. Mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern hat er sich in Essen häuslich eingerichtet. Bettina Engelhardt war vor einigen Jahren ebenfalls in Düsseldorf und ist seit langem in Bochum engagiert. Dort beschäftigt sie sich für "Stiller" jetzt ebenfalls mit Frisch. "Sie hat sich bis über beide Ohren mit ihm eingedeckt", berichtet Grothgar. "Ich nicht. Ich mache das nie, ich suche den Zugang über den Text."

Der Schauspieler ist in Hamburg geboren und in Düsseldorf aufgewachsen. Sein Vater machte eine steile Karriere bei einer Bank. Erst wohnte die Familie in Oberkassel, dann an der Cecilienallee, in Stockum, im Zooviertel, in Kalkum. Sein Abitur legte Andreas Grothgar am Görres-Gymnasium ab. Seine prägenden Theatererlebnisse hatte er in der ersten Intendanz von Günther Beelitz. Der Wunsch, Schauspieler zu werden, formte sich, nachdem er Manfred Zapatka als "Hamlet" gesehen hatte: "Eine faszinierend körperlich angelegte Darstellung, die perfekte Verquickung von Sport und Theater."

Beim Zivildienst in Hamburg entdeckte er den Reiz des Thalia-Theaters. Er bewarb sich auf der dortigen Schauspielschule, wurde als einer von sieben Studenten genommen. Im Zickzack ging es weiter, inklusive Clownskurs in Rom. Bis er in Bremen auf den Intendanten András Fricsay traf: "Er war mein Erwecker. Mein Erlöser." Erst spielte er bei ihm "den verhuschtesten Hamlet, den es je gab". Doch mit den Jahren wuchs sein Selbstvertrauen, es häuften sich die großen Rollen. Andreas Grothgar genießt das Spektrum, das Düsseldorf ihm bietet: "Aber dass ich nun jeden Abend auf die Bühne muss - ein solcher Junkie bin ich auch wieder nicht."

(RP)
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