Düsseldorf Kleopatra auf dem Laufsteg

Düsseldorf · Shakespeare-Figuren neigen sowieso zur Selbstdarstellung: "Voguing goes Central" des Schauspielhauses ist ein großer Erfolg.

 Junges Volk beklatscht stürmisch unvergängliche Elfen, Feen, Könige und Esel: Im "Central" am Hauptbahnhof war es ein frohes Posieren auf dem Catwalk.

Junges Volk beklatscht stürmisch unvergängliche Elfen, Feen, Könige und Esel: Im "Central" am Hauptbahnhof war es ein frohes Posieren auf dem Catwalk.

Foto: Sebastian Hoppe

Was tun, wenn man soeben einen Abend mit Goethes "Faust" im Central verbracht hat? Vielleicht bleibt man im Haus und begibt sich auf die Brücke in der Spielstätte des Schauspielhauses und geht zu einem anderen Großen der Literatur, William Shakespeare. Dessen Gestalten dominieren den Raum, von dem aus man einen schönen Blick auf den Bahnhofsturm mit seiner Uhr hat, auch wenn Zeit keine Rolle spielte in dieser langen Nacht. Denn hier trafen sich die Schauspier des Ensembles, Tänzer und Clubgänger zu einer Feier des Barden, und es hieß für alle "Strike a pose like Shakespeare", präsentiert vom "House of Melody", der Düsseldorfer "Schule" des Voguing.

Voguing? Hier muss man erst mal innehalten und sich mit dem Namen vertraut machen. Was man durch Madonnas Hit "Vogue" und ihr Video kennt, hat eine lange Geschichte, die in den Achtzigern in den Clubs von New York entstand, in der Schwulen- und Latino-Szene. Was als Subkultur begann: Die marginalisierten Randgruppen nahmen sich die Freiheit, Luxus zu imitieren, ähnlich wie Andy Warhols Superstars, also ohne Ironie. In Düsseldorf hat sich eine Truppe namens "House of Melody" gebildet, die schon im Tanzhaus, aber auch auf Events und im Fernsehen Furore gemacht hat. Dieses ursprünglich familienähnliche Gebilde hat sich nun mit den Schauspielern zusammengefunden, um sich in einer Art Wettbewerb zu präsentieren, in verschiedenen Kategorien, mit einer Jury, die am Schluss Sieger krönt.

"Strike a Pose", also "Wirf dich in Pose" lautet das Motto, und hier treffen sich Schauspieler und Tänzer in ihrem Hang zur Selbstdarstellung und zur Inszenierung. Der Catwalk war die erste Kategorie: Hier gehen Männer und Frauen und alles dazwischen wie auf dem Laufsteg, präsentieren dem staunenden und begeistert mitgehenden Publikum die Figuren Shakespeares, die Elfen, Feen, Könige und Esel.

"Let's make some noise, people" lautet die enthusiastisch begrüßte Aufforderung der Moderatorin, denn solch ein Abend braucht auch einen MC (Master of Ceremonies), also einen Conférencier. House und Clubmusic, Live-Piano und Gesang begleiten die Posen, eingespielte Hits wie "Love Hangover" von Diana Ross kommen dazu. Da staunt man über Kleopatra (sehr beeindruckend) auf dem Laufsteg, über elisabethanische "Szenegänger" sowie über Romeo und Julia, Macbeth und seine Lady oder über Hamlet und Ophelia. "Voguing" hat schon lange die Frauenwelt erobert.

Die meisten Besucher zeigten sich äußerst angetan von den Darbietungen, wünschten sich auch Neuauflagen dieser Reihe, die so gut in die Modestadt Düsseldorf zu passen scheint. Oder wie es bei Rolf Vollmann über den "Sommernachtstraum" heißt: "Der Elfenkönig schmollt mit seiner Frau, zwei athenische Liebespaare hadern durcheinander, der Elfenkönig verwirrt den Rest, aber am Ende der Zaubernacht ist alles in Ordnung." Oder wie es anderer Stelle heißt: "Drama, Baby".

Erstaunlich ist bei all diesem Drama nur, dass sich feministische, linke oder intellektuelle Kritik am Thema des Models und der Selbstinszenierung oder auch der Schönheit, wie auch immer definiert, schon lange abarbeitet. Wie Andy Warhol schon zum Thema sagte: "Alles hat seine Schönheit, aber nicht jeder kann sie sehen."

Mit dieser "Voguing"-Party hat Düsseldorf jedenfalls eine neue Attraktion, nicht weit entfernt von stilisierter Coolness, aber doch so weit, dass sie nicht in Posen erstarrt. Und der Blick auf die Bahnhofsuhr erübrigte sich dann auch in den Stunden nach Mitternacht.

(RP)
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