Düsseldorf Moderne Märchentante

Düsseldorf · Die Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster schickt die Besucher auf eine Zeitreise durch 15 Räume - zum Beispiel in die 60er Jahre.

 "MM" heißt diese Arbeit von Dominique Gonzalez-Foerster, die aus acht Diaprojektionen besteht. Die Künstlerin schlüpft in die Rolle der Schauspiel-Ikone Marilyn Monroe.

"MM" heißt diese Arbeit von Dominique Gonzalez-Foerster, die aus acht Diaprojektionen besteht. Die Künstlerin schlüpft in die Rolle der Schauspiel-Ikone Marilyn Monroe.

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Einmal Marilyn Monroe sein. Viele Frauen träumen heimlich davon - Platinblond auf dem Kopf zu tragen, Kirschrot auf den Lippen, sich zu bewegen wie ein Kurvenstar und alle Blicke auf sich zu ziehen.

In die Rolle der Marilyn schlüpft auch die Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster. Acht Dia-Projektionen setzt sie zu einem Film über die Hollywood-Legende zusammen. Mit einem dieser Ich-als-Marilyn-Bilder ist die Werbung für ihre erste Einzelausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen bestückt. Doch Marilyn, so schön sie ist, führt auf die falsche Fährte! Zu eng, zu einspurig, zu weiblich betont ist dieses Detail angesichts der komplexen Zeitreise durch Jahrhunderte, die in der Ausstellung "1887-2058" geboten wird.

Mit der hierzulande noch wenig bekannten Künstlerin hebt Kurator Julian Heynen eine eigenwillige Weltenarchitektin auf die Bühne am Grabbeplatz, eine Frau, die künstlerisch-kritisch und überaus sinnlich Vergangenheit und Zukunft in Szenarien montiert. Labyrinthisch und mit Riesenaufwand sind die 15 von der Straßburgerin gebauten Räume angelegt, vielleicht sind es für sie Laboratorien, Experimentierkäfige für die drängenden Weltfragen, für Zustände, Konflikte, für Geschichte und Zukunft.

Diese Ausstellung ist für Gonzalez-Foerster (Jahrgang 1965) das eigentliche Medium, ihr Werk. Ein Werk, das man nicht in Galerien oder auf Auktionen erwerben kann, das sich beim Begehen der interessanten Ausstellung - idealerweise mit Führung - erst erschließt.

Ein Raum ganz in Braun, "R.W.F." heißt er. Insider erraten angesichts der in den 1960ern beliebten Farbe an Bett, Wand und Teppich, dass es sich um das Schlafzimmer des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder handelt. Der Raum soll erinnern und den Besucher umfangen.

Gar nicht weit davon entfernt ist die helle Kleiderkammer gelegen. Hier wurde nicht Spärlichkeit zum Prinzip erklärt, sondern Exhibitionistisches. Ihre eigenen Klamotten hat die Künstlerin in einem großen Raum an Wänden und der Decke aufgehängt, dazu Zeichnungen, Fotos und Wandbehänge angebracht, den Raum möbliert. "Begehbare Biografie" lautet der kuratorische Terminus für solch eine Anordnung. Vielleicht schaut man auch nur interessiert auf Marke, Größe und Farbe der Kleidung, um Gonzalez-Foersters Geschmack zu erraten.

Gegenwart und Vergangenheit prallen aufeinander: In der Ecke der Grabbehalle liegt ein großer, lichter Saal, es gibt Schaukelstühle zum Benutzen, Bücher zum Lesen, große Spiegel an der Wand, und nach draußen ist der Blick auf die Andreaskirche unverstellt. Der Raum lädt zum Verweilen ein, atmet alte Pracht. Wann haben wir eigentlich unsere Gelassenheit abgelegt? So wie die Künstlerin gerne in die Geschichte zurückreist mit diesem von Rimbaud angeregten "Splendide Hotel" aus dem Jahr 1887, so greift sie beherzt, fatalistisch und subjektiv auf die Zukunft zu. Und baut direkt ans Hotel Splendide eine Halle für das Jahr 2066 an. Diese an die aktuellen Flüchtlingsströme erinnernde Einrichtung gleicht einem Auffanglager, sie soll Rettung für die moderne Gesellschaft bieten.

40 Etagenbetten stehen neben Skulpturen aus dem öffentlichen Raum. Man erkennt Plastiken von Alexander Calder, Claes Oldenburg, Henry Moore oder Katharina Fritsch. Doch diese wurden monströs vergrößert. Jahrelanger Dauerregen infolge des Klimawandels habe das Wachstum verursacht, sagt die Künstlerin, die Endzeitstimmung verbreitet. Im Ernstfall, so ihre Idee, biete das Museum Menschen Zuflucht nach dem GAU.

Nichts ist erwartbar. Es ist eine ungewöhnliche Ausstellung. Gonzalez-Foerster übertreibt, sie hat eine Obsession für Erzählungen, für räumliche Geschichten. Und doch ist sie wohl eine wichtige, moderne Märchentante - im besten Sinne.

(RP)
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