Düsseldorf Kunst für ein Dach über dem Kopf

Düsseldorf · Mehr als 800 Gäste stürmten die Zentrale des Energieriesen Eon und kauften Kunst für Obdach. Die Düsseldorfer Künstler machen somit die bislang größte Benefizveranstaltung des Landes möglich.

Der Fotokünstler Thomas Ruff vor seinem Werk "Substrat groß, 2015".

Der Fotokünstler Thomas Ruff vor seinem Werk "Substrat groß, 2015".

Foto: Andreas Endermann

Seit Wochen bahnte sich die Sensation an. Doch mit solch einem Auftrieb am Vernissage-Abend hatte keiner gerechnet. Das war ein starkes Stück Düsseldorf, oder wie es Katharina Sieverding, eine der bedeutendsten internationalen Fotokünstlerinnen, formulierte: "Die soziale Skulptur von Joseph Beuys wird hier Wirklichkeit". Denn im Beuys'schen Sinne gehen bei der bis 16. Dezember laufenden Benefiz-Verkaufsausstellung "Kunst für Obdach. 20 Jahre fiftyfifty" im Hauptsitz des Energiekonzerns Eon Künstler, die Kunstwelt, die Wirtschaft und die Politik eine engagierte Liaison ein, damit Düsseldorfs Obdachlose ein Dach über dem Kopf haben. Wenn alles gut geht, wird fiftyfifty, einer der größten privaten Vereine für Obdachlosenhilfe in Deutschland, am Ende um rund zwei Millionen Euro reicher sein und Wohnungen für drei Flüchtlingsfamilien kaufen können.

Von Jan Albers und Tony Cragg über Katharina Fritsch, Andreas Gursky und Imi Knoebel bis zu Thomas Schütte, Thomas Struth und Günther Uecker - die Liste der Teilnehmer liest sich wie das "Who is Who" der Düsseldorfer Kunstszene. Mehr als 80 Künstler haben 120 Werke gespendet, die an den Wänden von Eon zu sehen und zu Preisen von 500 bis 75.000 Euro zu kaufen sind. Bereits in der ersten Stunde am Eröffnungsabend wurden etliche Werke mit roten Punkten gekennzeichnet - das Zeichen für verkauft. So groß wie die Spendenbereitschaft der Künstler war, so kauffreudig zeigten sich die Kunstinteressierten, darunter Sammler wie Alexander Glasmacher, Sabine und Uwe Gerstenberg, Gil Bronner, Monika und Jans Schürmann, Henriette Gräfin Stralsoldo, Freifrau Yvonne von Fürstenberg, Daniel von Schacky und Isabella Freifrau von Ketteler.

Beide Auflagen der Arbeit "Substrat" von Fotokünstler Thomas Ruff hatten ruckzuck den Besitzer gewechselt. Zahlreiche der Gemälde und Zeichnungen, Radierungen, Druckgrafiken, Collagen, Objekte und Fotografien, darunter von Boris Becker, Andreas Gursky, Candida Höfer, Chris Succo und Wim Wenders fanden ihren Liebhaber. Kein Wunder, dass die Initiatoren - Dorothee Gräfin von Posadowsky, bei Eon verantwortlich für Kunst und Kultur, und Hubert Ostendorff, der als Geschäftsführer der fiftyfifty-Galerie für die Abwicklung des Verkaufs zuständig ist, strahlten. "Aus einer kleinen Idee hat sich eine der größten Benefizaktionen des Landes entwickelt, die aber ohne die Künstler gar nicht erst zustande gekommen wäre", sagte Ostendorff in seiner Dankesrede, die vor allem den anwesenden Künstlern, darunter Stephan Kaluza, Martin Klimas, Mischa Kuball, Klaus Mettig, Claudia Rogge, Kate Waters und Martin Denker, galt. Einer aber fehlte, dabei nimmt sein Werk einen herausragenden Platz ein: Gerhard Richter hat dem Verein eine offizielle Edition - die Reihe "Cage 1-6" mit einer Auflage von 30 geschenkt. "Das ist die größte Spende, die wir je bekommen haben", so Ostendorff. Der Schätzpreis pro Arbeit liegt bei 70.000 bis 100.000 Euro. Und erst nach der Versteigerung am 26. November bei van Ham wird sich zeigen, wie heftig der Geldregen ausfällt, der auf fiftyfifty niederprasselt.

Für Johannes Teyssen, Vorstands-Vorsitzender, dürfte es die letzte Ansprache am Ehrenhof gewesen sein. Ende des Jahres geht eine Ära zu Ende, Eon zieht nach Essen. "Wir haben 2001 hier am Standort mit der Ausstellung "Altäre" im Museum Kunstpalast begonnen und weil wir uns nicht sang- und klanglos aus dem Staub machen, verlassen wir die Bühne auch mit Kunst." Die Kunst macht sich in Düsseldorf in Zeiten der Flüchtlingskrise stark für das Miteinander, etliche der Werke sind politisch gemeint. So wie das Großfoto von Katharina Sieverding, das bereits von 1993 ist. Die Arbeit "Deutschland wird deutscher" ist eine Persiflage auf die Deutschtümelei "und heute so aktuell wie damals", so Sieverding.

(RP)
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