Düsseldorf Kurioser Düsseldorf-Fund in einem Roman von Aldous Huxley

Düsseldorf · Mancher kennt ja diesen Moment, da man etwa mit dem Mietwagen durch die Gottverlassenheit Chiles kurvt, bis auf der Landstraße von Cauquenes nach Quirihue plötzlich ein Schild vor einer Straßenbar auftaucht, darauf die Werbung: "Heute Düsseldorfer Senfrostbraten".

So ähnlich fühlt man sich beim Lesen von Aldoux Huxleys weniger bekanntem, gleichwohl großartigem Roman "Nach vielen Sommern" von 1939, der im Schatten von "Schöne neue Welt" steht. In "Nach vielen Sommern" geht es in einer satirischen Ellipse um den Allmachtswahn eines stinkreichen Kaliforniers namens Joe Stoyt, der sich ein burghaftes Refugium mit lauter Sonderlingen geschaffen hat, die - beispielsweise ein Leibarzt und zwei Biochemiker - ihm bei seinem Wunsch nach dem ewigen Leben behilflich sein sollen. Aus England reist nun ein gewisser Jeremy Clayton an, der in einem Archiv ein Mittel zu Verjüngung gefunden haben will: Darminhalt von Fischen - also dieselbe Mixtur, an welcher auch die Laboranten arbeiten. Das wird ein zynischer Spaß im Buch, eine Lebensabrechnungsparabel allerbester Boshaftigkeit.

Und ausgerechnet in diesem Roman des 1937 selbst nach Kalifornien ausgewanderten Autors (1894 bis 1963) taucht Düsseldorf auf, ohne Vorwarnung direkt im ersten Kapitel, da Huxley die Anreise Claytons beschreibt. "Die Gärten eines Wohnviertels für reiche Leute begleiteten die Autostraße." Huxley nennt die Häuser "elegante, geistreiche Abklatsche" und Parodien auf englische Herrensitze und Le Corbusiers "sachliche Wohnmaschinen". Da spreizt jemand beim Gucken den kleinen Finger ab.

Und dann heißt es, auf weiter sehr ironischem Niveau: "Der Wagen bog wieder rechts ein, in eine Allee ungeheurer Palmen. Riesenbüschel flammten karminrot in der Sonne. Die Häuser folgten einander wie Pavillons auf einer endlosen Weltausstellung. Gloucestershire folgte auf Andalusien, die Touraine auf Oaxaca, Düsseldorf auf Massachusetts."

Im nächsten Satz berichtet der Chauffeur, wer dort so alles wohnt: Charlie Chaplin. Harold Lloyd. Ginger Rogers. So weit, so glamourös.

Das Kuriose an der Düsseldorf-Nennung ist Huxleys wahllose geografische Anordnung. Eine englische Grafschaft, eine spanische Region, ein französisches Weingebiet, ein mexikanischer und ein US-amerikanischer Bundesstaat, dazwischen als einzige Stadt Düsseldorf - wie ein Solitär unter Provinzen, die man aus Urlaubskatalogen kennt.

Was mag Huxley zu diesem Name-Dropping veranlasst haben? In Düsseldorf ist Huxley - dies das Ergebnis von Recherchen der hiesigen Universitäts- und Landesbibliothek - nie gewesen, er kann natürlich von der Stadt gehört oder gelesen haben. Aber warum nennt er dann nicht auch Tours oder Boston?

Allerdings geben die Huxley-Biografie von Nicholas Murray und der Düsseldorfer Germanist Johannes Waßmer einen weiteren Verweis: Huxley, der mal in Marburg Deutsch studiert und das Land später noch besucht hat, kannte offenbar Heinrich Heine - so gut vielleicht, dass er diesem großen Ironiker und dessen Heimatstadt einen kleinen nachzeitlichen Gruß schickte. Mag sein. Oder nicht. Kurios ist das Ganze schon - und hübsch sowieso.

(w.g.)
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