Düsseldorf Mareike Foeckings neue Fotosprache

Düsseldorf · Um der Mediengesellschaft gerecht zu werden, stellt die studierte Bildhauerin und Düsseldorfer Foto-Professorin ihre Bilder in immer neue Zusammenhänge. Die Fotos verwendet sie oft nur als Material.

Schreiben wir Fotografie einmal mit zwei F, was eine Distanzierung von der berühmten Becher-Schule ist, die ein "PH" im Namen führt. Alleinstellungsmerkmale gibt es noch andere, die Mareike Foecking von den Protagonisten der Düsseldorfer Photoschule unterscheidet. Ihre Fotografie kommt wie aus einer anderen Zeit, wenn man sie mit den monumentalen Bildern eines Andreas Gursky oder Thomas Ruff vergleicht. Aus einer aktuelleren Zeit.

Dabei gehört die Künstlerin nur zu einer rund zehn Jahre jüngeren Generation. Sie war ursprünglich Bildhauerin, lässt sich bei ihrer Arbeit von hohem Rauminteresse leiten. Fotografie ist eine Eröffnung des Raumes, für sie ganz besonders, die während des Studiums bei Magdalena Jetelova bereits erste Fotos in ihre Installationen mit einbaute.

Die berühmte Tschechin fand das gut und richtig. Sie war und ist eine energetische Frauenfigur, die in ihrer Professorenzeit an der Düsseldorfer Akademie Vorbild war und die Studenten unbedingt ermutigte, eine eigene visuelle Sprache zu entwickeln. Wie damals Jetelova behauptet Foecking heute: Man muss als Künstler alles denken können, es dann erproben. Bei ihr sind Fotos fast nur Material. Sie geht noch weiter: Selbst das Schreiben gehört zum bildnerischen Repertoire. Sie baut Worte, Sätze, Rhythmen, Tableaus - Lyrik und Prosa. Manchmal mit bildhafter Struktur. Texturen aus berührendem, sinnlichem Text.

Ihre Fotos, die sie heute macht, produziert sie gleichermaßen für die Wand, wo sie eine Art Petersburger Hängung vornimmt, wie für den Abdruck in Büchern. Die 51-Jährige lässt sich nicht festlegen auf ein Genre, vielmehr vagabundiert sie durch die Disziplinen der visuellen Gestaltung. Sehr persönliche poetische Studien können es sein, sehr konkrete dokumentarische Aufnahmen, stark veränderte, künstlich animierte Porträts oder ganz freie Arbeiten, die in keine Kategorie passen. Eine über Jahre angelegte Serie von "blocked shops" etwa führt zu verbarrikadierten Luxusgeschäften auf der Kö. "Empty Spaces" sind geometrische Formen im Raum. "The Kiss" könnte eine nachgestellte Filmszene sein, ist in Wahrheit aber stärker inszeniert und auf den Kuss zugespitzt.

Warum sie heute künstlerische Fotografin und Professorin ist? Weil es das Destillat all dessen bedeutet, was ihr wichtig ist. Sie hat als Fotografin nach dem Studium gejobbt, Porträts für Independent-Musiklabels gemacht, denn sie interessiert sich sehr für Musik. Dann hat sie für die Werbeagentur von Christian Boros Autogrammkarten für den Sender Viva fotografiert und technisch und journalistisch viel gelernt. Das angewandte Arbeiten belebte ihren leicht theorielastigen Ansatz. "Wenn ich mich fotografierend bewege", sagt sie, "weiß ich, wo ich bin." Ihr geht es bei den Fotos nicht um eindeutige Wiedererkennbarkeit. Ihr ist vielmehr das prozesshafte Arbeiten mit Fotografie wichtig, währenddessen sie das Medium erprobt und hinterfragt. Für sie heißt Fotografieren immer, einen gesellschaftlichen Diskurs zu führen.

Foecking interessiert die Schnittstelle zwischen einem Gebrauchsfoto und einem künstlerischen Bild. Sie sagt: "Das eine muss nicht besser oder schlechter als das andere sein, nur anders." Die durch die Digitalisierung explodierenden neuen Probleme und Herausforderungen der Fotografie sind ihr Thema, die Flüchtigkeit und Manipulierbarkeit, die Inszenierungskraft und gesellschaftliche Relevanz. Was kann Fotografie sein und bewirken? Welche Formen wird sie noch annehmen unter dem Vorzeichen von Big Data?

Wenn Foecking über Fotografie redet, dann redet sie über den gesellschaftlichen Wandel. Die zunehmende Bedeutung von Instagram unter den sozialen Netzwerken der Mediengesellschaft ist nur ein Zeichen des Wandels. Es geht auch um Rechte, Distribution und ästhetische Entscheidungen, sagt Foecking. "Zudem unterliegen viele Fotos heute auch einer permanenten Kontrolle. Man selber ist heute der Entwickler, und so, wie sich die Fotografie durch die Digitalisierung verändert hat, gab es viele weitere und wird es noch mehr gesellschaftliche Veränderungen geben." Fotografie ist ein junges bildnerisches Medium, das zu jeder Zeit andere Fragen aufwirft - heute andere als vor 20, 50 oder 100 Jahren. Doch Fotografie bleibe immer eine Erzählung, eine Bebilderung der Dinge, "mit denen ich mich beschäftige".

Mareike Foecking ist Künstlerin und Professorin gleich gerne. Schon als Mädchen wollte die Tochter eines Landwirtes aus dem Münsterland nicht etwa Lehrerin, sondern Professorin werden. Lesen und Schreiben waren ihre liebsten Beschäftigungen. Sie lebte in anderen Sphären als die Eltern.

In ihrem Buch "Reality Hung Up so I called" blätternd, gewinnt man einen Einblick in Breite, Dichte, Variationsreichtum und Reflektiertheit ihres Werkes. Auch in Schönheit und künstlerische Virtuosität. Neuerdings verspürt sie Lust, wieder Menschen zu fotografieren, etwas für sie Unerwartetes herauszufinden. "Ich teste noch so herum, ob analog oder digital", erzählt sie in ihrem hellen Hinterhof-Atelier an der Oststraße. Das Besondere ihres Werkes kommt dabei zum Ausdruck - das theoretisch-konzeptionelle Vorgehen einerseits und der Mut zur intensiven Intuition andererseits.

(RP)
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