Düsseldorf Mit dem Piano traumverloren durch die Nacht

Düsseldorf · Jazzpianist Michael Wollny begeistert mit seinem Trio im Schumann-Saal.

 Michael Wollny

Michael Wollny

Foto: B. Steingießer

"Nachtfahrten" - passend zum Titel war die Bühne beim Konzert von Michael Wollny im Robert-Schumann-Saal in tiefes Dunkel gehüllt. Nur Spots warfen Schlaglichter auf die Instrumente. Der Jazzpianist setzte sich an den Flügel und versenkte sich ins Spiel. Solo präsentierte er eine Ouvertüre, die alles enthielt, was seine Musik zu bieten hat, von traumverlorenen Melodien im Geiste der Romantik bis zum präparierten Piano der Neuen Musik, kurz: von "Engel" bis "Hexentanz". Nach "Arsène Somnambule" im Duo mit dem Schlagzeuger Eric Schaefer, komplettierte der Kontrabassist Christian Weber das Trio, und los ging's mit den "Nachtfahrten", einer Reihe von Nocturnes.

Doch was nun folgte, war keineswegs nur Gute-Nacht-Musik. Denn die Nacht bringt außer Geborgenheit auch Gefahr. Zu ihr gehört neben dem wohligen Dunkel ebenso das Unheimliche, das Mehrdeutige, das die Phantasie beflügelt. Und wenn die Geistesblitze sein Spiel befeuern, kennt Michael Wollny keine Grenzen mehr. Die Musikgeschichte liegt ihm als Zauberkasten zu Füßen, aus dem er sich nach Belieben bedient.

So entstand unter seinen Händen scheinbar mühelos eine großangelegte Suite von Charakterstücken, bei denen sich eines fließend aus dem anderen entwickelte. Beginn der imaginären Fahrt durch alle Schattierungen der Nacht war "Questions In A World Of Blue", eine Komposition von Angelo Badalamenti, Ziel das Titelstück, an dessen Ende bombastisch die Sonne aufzugehen schien.

Meist mit geschlossenen Augen saß der Pianist am Steuer des großen schwarzen Flügels, der sich nur in Umrissen vom dunklen Bühnenhintergrund abzeichnete. Während Wollnys Hände mit größter Virtuosität über die Tasten flogen, erschien vor dem inneren Auge des Zuhörers eine offene Landschaft. Doch die musikalische Fahrt durch die Nacht verlief nicht nur im Dunkeln. Manchmal wurde sie vom fahlen Licht des Vollmonds beschienen.

Wollny legte einen Gegenstand auf die Saiten des Flügels, und sein Klang begann hell zu flimmern wie der Mondschein auf einer dunklen Wasseroberfläche. Nebel zog auf, und mit der Schubertiade "Der Wanderer" streifte man langsam durch die Nacht, Schritt für Schritt begleitet vom warmen, langsamen Puls des Kontrabasses.

Plötzlich ist es, als ob das Trio Fernlicht eingeschaltet und einen höheren Gang eingelegt hätte. Mit "When The Sleeper Wakes" nimmt es rockige Fahrt auf, und es leuchtet ein, weshalb Wollny auch von "Neon-Nocturnes" spricht. Der extrem verlangsamte Beat von "Nachtfahrten" schließlich bremst die Geschwindigkeit ab und bringt das Publikum sicher zurück. Großer Jubel nach einem großartigen Abend.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort