Düsseldorf "Nathan" besucht Düsseldorfer Gemeinden

Düsseldorf · Das Schauspielhaus schickt Lessings Religionsdrama durch die Stadt - unter anderem zu unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften.

 Im Ring (v.l.): Redouan Aoulad-Ali, Sprecher, und Dalinç Dereköy, Vorstandsvorsitzender des Kreis der Düsseldorfer Muslime, Erdin Kadunić, Präsident des Islamischen Kulturzentrums Düsseldorf, Christian Gerges von der Gemeinde koptischer Christen, Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Intendant Wilfried Schulz und Regisseur Robert Lehniger.

Im Ring (v.l.): Redouan Aoulad-Ali, Sprecher, und Dalinç Dereköy, Vorstandsvorsitzender des Kreis der Düsseldorfer Muslime, Erdin Kadunić, Präsident des Islamischen Kulturzentrums Düsseldorf, Christian Gerges von der Gemeinde koptischer Christen, Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Intendant Wilfried Schulz und Regisseur Robert Lehniger.

Foto: Andreas EndermannRe

Man kann schon Mitleid haben mit den drei Söhnen. Alle haben gehofft, jenen wundersamen Ring zu erben, der seinen Besitzer "vor den Menschen angenehm" macht. Jedem hat der Vater auf dem Sterbebett den Ring weitergegeben - und nun stehen sie da, lauter Kopien in der Hand, und wissen nicht, welcher Ring der wahre ist. Das ist fast "so unerweislich" als herauszufinden, welche der Religionen die wahre ist, heißt es bei Lessing. Die Ringparabel ist das Herzstück seines Dramas "Nathan der Weise". Am Düsseldorfer Schauspielhaus wird es geprobt, doch wird die Premiere nicht im Theater stattfinden. Nach dem großen Erfolg von "Faust (to go)" hat das Schauspielhaus wieder eine mobile Inszenierung angesetzt. Und so wird dieses Stück über die Aussöhnung von Vernunft und Religion und das friedliche Miteinander der Glaubensgemeinschaften an vielen Orten in der Stadt zu erleben sein, in Kliniken, Jugendzentren, Gerichtsgebäuden und dem Foyer des Landtags. Die Premiere aber sollte bei einer Religionsgemeinschaft gefeiert werden - und das warf eine heikle Frage auf: bei welcher?

"Wir wollten diese Frage aus dem Geist des Stücks beantworten", sagt Wilfried Schulz, Intendant des Schauspielhauses. Und so sitzen an diesem Nachmittag Vertreter dreier Religionsgemeinschaften im Central und sind gespannt: Denn "Nathan" wird sie alle drei besuchen: Am 13. und 14. Januar ist das Stück in der Gemeinde der koptischen Christen in der Bunkerkirche in Heerdt zu Gast. Am 16. Januar ist es im Leo-Baeck-Saal der Jüdischen Gemeinde zu erleben, am 23. Januar in Kooperation des Islamischen Kulturzentrums Düsseldorf und des Kreises der Düsseldorfer Muslime (KDDM) im Eventcenter Benrath. In Heerdt und Benrath wird es arabische Übertitel geben. "Wir möchten wirklich neue Zuschauerkreise gewinnen", sagt Schulz. "Darum haben wir auch die Schwellen zum Text niedrig gemacht", ergänzt Regisseur Robert Lehniger, "im ,Nathan' treffen verhärtete Positionen aufeinander, aber es gibt Figuren, die ihre Vorurteile ablegen, davon werden wir erzählen." Für Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, war die Teilnahme am Tour-Projekt keine Frage. "Ein großer Teil der 7300 Mitglieder unserer Gemeinde sind Einwanderer aus Russland, Kultur bedeutet ihnen sehr viel", so Szentei-Heise, also habe man alles möglich gemacht, um "Nathan" eine Spielstätte zu bieten.

Da nicken die Vertreter der muslimischen Gemeinschaften. Zwar war es für sie schwieriger, einen Spielort zu finden. Aber sie hätten sich sehr über die Gelegenheit gefreut, eine Kulturveranstaltung unterstützen zu können, sagt Erdin Kadunić vom Islamischen Kulturzentrum. "Von Muslimen ist so oft im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen die Rede, nun endlich auch mal im Kontext von Kultur, das zeigt, dass wir Teil einer wahrhaftig gelebten Gesellschaft sind, in der jeder zum Miteinander beiträgt."

Auch Dalinç Dereköy, Vorstandsvorsitzender des KDDM, ist es wichtig, auf das gesellschaftliche Engagement der Muslime in der Stadt hinzuweisen. Sein Kreis ist eine weltliche Vereinigung aller 33 Moscheengemeinden in der Stadt, unabhängig von deren religiöser Ausrichtung. Die große Zahl von Flüchtlingen, die dort nun integriert werden muss, hat die Gemeinden vor Herausforderungen gestellt. "Wir haben allein 140 ehrenamtliche Übersetzer gestellt", sagt Dereköy und erzählt, dass er sich in der akuten Phase der Flüchtlingsbewegung auch mit der jüdischen Gemeinde über praktische Erfahrungen ausgetauscht hat. Lessing konkret. Allerdings sind sich die Religionsvertreter an diesem Tag auch einig, dass man Menschen, die von Hass getrieben sind, durch Kultur nur schwer erreichen wird. "Trotzdem setzen wir mit diesem Projekt ein Zeichen", sagt Dereköy. Und wieder nicken die anderen.

Auch die Gemeinde der koptischen Christen ist zuletzt sprunghaft gewachsen - von 100 auf 1000 Familien, erzählt ihr Vertreter Christian Gerges. Er freut sich, dass seine Gemeinde nun in der Bunkerkirche einen festen Ort gefunden hat. "Der Bunker hat Menschen während des Kriegs Schutz geboten, nun bietet er vielen verfolgten Christen eine Zuflucht", sagt Gerges, "was für ein passender Ort für eine Premiere von ,Nathan der Weise'!"

(dok)
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