Düsseldorf Nonsens mit Niveau: ein Buch über schöne Dinge

Düsseldorf · Bücher mit Listen gibt es viele. Meistens sind es hundert Dinge, die man besuchen, sehen, hören oder essen sollte, solange noch Zeit dafür ist. Manche davon sind schön, andere wiederum überflüssig. Eines steht fest - sie sind inflationär. Da reiht sich ein soeben erschienener Band fast nahtlos ein - "Die 100 wichtigsten Dinge" mit ebenso vielen Fotos und beschreibenden Texten, von äußerst kurz bis länger. 253 Seiten also, auf denen die Welt der Dinge erklärt wird. Aber schon bald wird deutlich, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Herausgeber ist nämlich das "Institut für Zeitgenossenschaft", kurz IFZ, das zur Präsentation des Bandes im sehr gut besuchten BiBaBuZe-Laden gleich seinen eigens hergestellten Gin ("Windspiel" mit dem Logo des Windhundes: 0,5 Liter für 40 Euro pro Flasche) mitbrachte.

Die Mitglieder des Instituts für Zeitgenossenschaft.

Die Mitglieder des Instituts für Zeitgenossenschaft.

Foto: privat

In diesem Institut geht es etwas anders zu. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Leuten mit einem wissenschaftlichen Hintergrund; es sind Forscher, auch wenn sie nicht alle an Universitäten arbeiten. Sie pflegen jedoch einen wissenschaftlichen Jargon - so wird Samira El Ouassil im Institut als "Frau und Gleichstellungsbeauftragte" geführt, sie ist jedoch auch als Schauspielerin und Sprecherin tätig. Diese Sprache findet man auch in den "100 wichtigsten Dingen": Ein philosophischer Ansatz ist das, abgesichert mit Quellen und Zitaten. Eines fällt schnell auf, die Dinge, die das Institut abbildet (Fotograf Mischa Lorenz) und beschreibt, sind nicht das, was man aus diesen Listen kennt, es sind weder die schönsten, die seltensten oder die teuersten, es sind sozusagen die Dinge hinter den Dingen. Die Spritze, das Podest oder der Pokal zum Beispiel. Zu Letzterem heißt es: "Wie fortschrittlich oder modern eine Gesellschaft ist, zeigt sich an der Häufigkeit, mit der ihre Teilnehmer einen Pokal gewinnen. Insgesamt gilt: Jeder kann für irgendetwas einen Pokal gewinnen. Es sei denn, er gehört zu den Verlierern." Man merkt es schon, das Institut für Zeitgenossenschaft sieht die Dinge gern von einer anderen Seite.

Dies ist Wissenschaftssatire, aber nicht nur das. Es findet sich etwas von den Humoristen um Robert Gernhardt, die sich nach den Philosophen als "Frankfurter Schule" bezeichneten oder in "Die Wahrheit über Arnold Hau" biographisch-parodistisch arbeiteten. Aber hier steckt mehr dahinter als Forscher-Nonsens, wie die Kölner Professorin Lisa Gotto attestiert: "Mit den Dingen ist es ja so eine Sache. Manch einer glaubt, sie gehörten längst abgeschafft. Seit vielen Jahren arbeiten die klügsten Köpfe daran, uns vom Zwang des Materiellen zu befreien." Denkt man an Arbeit oder Musik, leuchtet einem das schnell ein.

Der Schriftsteller Daniel Kehlmann beklagt in einem Gastbeitrag das Verschwinden der Dinge und die Traurigkeit, die damit einhergeht. In "Vom Bestehen und Fortgehen der Dinge" geht es um einen Stiefelauszieher. Andere Beiträge stammen von Katja Eichinger, Sophie Hunger oder Markus Lüpertz. Die Nähe zur Kunst kann man auch daran ablesen, dass die Buchproduktion im Laufer ihrer Entstehung bereits im Museum Kunstpalast und im Atelier von Horst Wackerbarth präsentiert wurde.

Man kann das alles für prätentiösen Unsinn halten. Aber vielleicht urteilt man über das Werk auch so, wie Maxim Biller es getan hat: "Der Geistes-Baedeker der modernen Großstadt-Bohème. Grandios!"

(RP)
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