Düsseldorf Norika Nienstedt macht aus gefundenen Sachen Kunst

Düsseldorf · Norika Nienstedt gehört nicht zu jenen Menschen, die etwas wegwerfen können. Sie ist Behalterin. Das merkt man beim Betreten ihres Wohnateliers. Man weiß nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Und bleibt an den Puschen der Künstlerin hängen. Feuerrot mit Pompoms.

In ihrem Raum in Flingern, mitten in diesem unüberschaubaren Sammelsurium der 1001 Dinge, hat die 65-Jährige das Material gefunden, mit dem sie momentan bevorzugt arbeitet. Kalligraphie-Tusche der Firma Mutschler. 40 Jahre, schätzt Nienstedt, muss die in der Schublade gelegen haben. Die Künstlerin brachte die als schwarz deklarierte Tusche auf Bambuspapier auf und befeuchtete das Papier. Der Effekt: die Tusche begann auszufasern. Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick aus wie ein Aquarell in Lila-, Rosa- und Blautönen. Welche Formen bei dem Prozess entstehen, kann man nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. "Der Zufall macht die Hälfte", sagt Nienstedt.

Das Scheitern müsse man einkalkulieren. Rund 50 Prozent der Arbeiten gelingen nicht. Wenn es aber klappt, geht alles sehr schnell. Die Tusche muss ja flüssig verarbeitet werden. Rund 100 Arbeiten sind so seit 2014 entstanden. Ein Teil hängt an der Wand von Nienstedts Atelier. Andere stapeln sich auf Regalen. Auffällig viele Frauenfiguren sind dabei. Manche hat die Künstlerin in Bewegung festgehalten, wie Tänzerinnen. Andere tragen opulente Hüte wie Diven aus der Zeit des Fin de Siecle. Einige haben die Augen geschlossen. Manchmal klebt Nienstedt Elemente aus Zeitschriften in die Arbeiten ein. Augen. Oder einen Kakadu. Einer der Damen hat sie sogar einen Echsenkopf verpasst.

Nienstedts Arbeiten pendeln zwischen unheimlich, märchenhaft und melancholisch. Das war schon bei den Collagen so, die vor den Tuschen im Zentrum ihres künstlerischen Schaffens standen. Und bei den Stofftier-Porträts auch.

Die Vorlagen für ihre Werke findet die Düsseldorferin mittlerweile überwiegend im Internet. Lange hat sie sich dem Digitalen verweigert, hatte keinen Rechner, keinen Internetzugang. Mittlerweile nutzt sie ein altes Laptop ihrer Schwester. Auf dessen Desktop lagern unzählige Bilder, die sie im Netz gefunden hat. Frauen in seltsamen Revue-Kostümen. Oder mit bodenlangem Wallehaar.

Das Material wird ihr also so schnell nicht ausgehen. Zum Glück.

Info Ausstellungen mit Nienstedt: Bis 12.3. Die Große, Museum Kunstpalast, Di-So, 11-18 Uhr, Do 11-21 Uhr; 8.-18.3.; "Der wahre Schein", Cabinett, Gustav-Poensgen-Straße 59, , Fr, Sa, So, 15-18 Uhr; 26.3.-6.5.; "Das Telefon des Windes", Galerie Splettstößer, Rathausstraße 3, Kaarst, Di, Mi, Fr, 15-18.30, Do, 15-20, Sa 10-12.30 Uhr

(RP)
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