Düsseldorf Südenglisches Flair in Grafenberg

Düsseldorf · 7000 Musikfans besuchten das Open-Source-Festival. Höhepunkt des Tages war der fantastische Auftritt von Trentemøller.

Open Source Festival 2017 - fröhliche Party in Düsseldorf
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Fröhliche Party beim Open Source Festival 2017 in Düsseldorf

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Flip Flops, Staub und Bier. Für einen Tag im Sommer entsteht um die Galopprennbahn im Grafenberger Wald ein anderes Düsseldorf. Die Szenerie erinnert an das Haldern-Pop-Festival am Niederrhein, das seit mehr als 30 Jahren die immer neuen Errungenschaften des Indiepop feiert. Das Düsseldorfer Haldern heißt Open Source, und auch dieses Festival bringt 7000 Entdecker zusammen. "Ich weiß noch nicht genau, was ich mir gleich anschaue", sagt ein Besucher, der sich gerade am Streetfood-Stand zwischen Chili Sin Carne und indischem Curry entscheiden muss. "Das ist das Open Source, da lässt man sich überraschen."

Gitarrenorientierte Rock- und Popmusik, HipHop und elektronische Stile - das sind die Genres, die am Tag auf der Rennbahn zusammenkommen - gerne als Hybrid. Nachdem das kanadische Trio Austra um die Sängerin Katie Stelmanis seine kühle, zutiefst ernsthafte und manchmal etwas spröde Version von New Wave und Elektropop präsentiert hat, gehört die große Bühne drei Jungs, die einfach nur spielen wollen: ein Heimspiel. Die Antilopen Gang, deren aktuelles Album Platz eins der deutschen Charts erreichte, liebt es, zu provozieren und ihre Anti-Haltung gegen alles und jeden - vor allem aber den Staat - zur Schau zu stellen: In launigen Zwischenansagen, die gefühlt die Hälfte des Auftritts einnehmen, fordern sie das Publikum auf, so viel Sachschaden wie möglich anzurichten, und erinnern sich an das Jahr 2011, als sie auf dem Open-Source-Festival im "Antilopen-Gehege" saßen und für 20 Cent Beleidigungen verteilten. "Hätten wir mehr Geld genommen, wären wir jetzt reich."

Reichtum scheint den widerspruchsverliebten Rappern, die nach ein paar Songs überraschend eine vollständige Rockband im Nacken sitzen haben, allerdings gar nicht so wichtig zu sein: "Ich zerreiß' den Vertrag mit den Toten Hosen / Ich bin erst zufrieden, wenn ich endlich wohnungslos bin", rappen sie in "Fiasko", um sich kurz darauf darüber auszutauschen, dass man besser nach Köln ziehen sollte - "aus Vernunftgründen".

Die alte Köln-Düsseldorf-Fehde zieht beim Publikum allerdings gar nicht, weil es sich sowieso aus vielen verschiedenen Städten im Umkreis zusammensetzt. Wie groß seine Offenheit wirklich ist, zeigt sich am großen Publikumsverkehr an der Young-Talent-Bühne, wo höchst spannende, aber noch unbekannte Nachwuchstalente auftreten: Tired Eyes Kingdom haben sich im Umfeld des neuen Instituts für populäre Musik in Bochum gegründet und zeigen, wie institutionalisierter Pop klingen kann: In der Band, die mit elektronischen und instrumentalen Elementen arbeitet, steht eine gespielt gelangweilte Sängerin mit meist ungenutzter Gitarre um den Hals neben einem aufgekratzten Musiker, der hüpfend und energischen mit dem Kopf nickend an Knöpfen dreht. Heraus kommen interessant groovende Sound-Landschaften und ambiente Klänge. Später sind am selben Ort die Wuppertaler Sängerin und Gitarristin Suzan Köcher und Band mit einem an Patti Smith erinnernden rohen Rocksound zu erleben.

Auf der großen Bühne haben sich derweil schon The Temper Trap breit gemacht, eine der wenigen Indie-Bands, die heute noch weitgehend ohne Elektronik auskommen. Dougy Mandagis durchdringend hohe Stimme beeindruckt, und Hits wie "Sweet Disposition" bringen das Publikum zum Jubeln.

Während des Auftritts der Australier heischt noch ein anderes Ereignis um Aufmerksamkeit: Die Wolkendecke reißt auf, und der Düsseldorfer Nordosten erinnert endgültig an eine südenglische Grafschaft. Herrschaftliche Anwesen zwischen grünen Hügeln und Laubmischwäldern im sanften Licht der orange-roten, untergehenden Abendsonne. Golfspieler, die direkt hinter der Bühne ihrem Sport nachgehen.

Als es schon dunkel ist, bringt der dänische Musiker und Produzent Trentemøller den Stilmix des Open-Source-Festivals auf den Punkt und intensiviert die großartige Atmosphäre: Er verheiratet Rock mit Elektropop, paart die Synthesizer-Flächen der 80er Jahre mit modernen Beats und bettet sie in Arrangements, die heutigen Hörgewohnheiten entsprechen. Mit seiner Band bewegt er sich wie Schatten im grellen Gegenlicht. Ein tolles Bild, ein fantastischer Schlusspunkt.

(RP)
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