Paul McCartney in Düsseldorf Große Show - schlechter Sound

Düsseldorf · Der 73 Jahre alte Ex-Beatle bot eine großartige Show in Düsseldorf. Er spielte das Best of der Rockgeschichte. Ein Manko war die schlechte Soundqualität in der Esprit Arena.

Paul McCartney rockt in Düsseldorf: Bilder vom Konzert
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So hat Paul McCartney die Arena gerockt

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Foto: Christoph Reichwein

Das war ein herausragender, stellenweise zu Herzen gehender Abend, aber es gab auch ein Problem, und das war der Sound in der Düsseldorfer Esprit Arena. Was man sah und fühlte, war zum Teil nicht in Einklang zu bringen mit dem, was man hörte, denn die Musik war über die Maßen und bisweilen schmerzhaft laut, der Gesang mitunter verzerrt.

Das mag nicht auf allen Plätzen so wahrgenommen worden sein, 20 Meter machen in diesen Arenen manchmal den Unterschied. Aber in der fünften Reihe des Unterrangs in Block sechs gab es diese Probleme, etliche andere beklagten es nach dem Konzert und später bei Facebook ebenfalls, und das Ergebnis war, dass für einige Zeit eine unsichtbare Wand zwischen Künstler und Zuschauer stand.

Das Großartige an Paul McCartney war nun aber - und damit sind wir bei dem, was zu sehen war -, dass er diese Distanz rasch überwand. Der 73-Jährige bot über zweieinhalb Stunden hinweg eine fantastische Show. Er betrat die Bühne und winkte, er stand da mit seinem alten Höfner-Bass, bestens in Form. Er lächelte, und dann schickte er einen Gitarrenakkord in die Halle, den jeder kennt, es war der Anfang von "A Hard Day's Night", und die 27.359 Zuschauer in der bestuhlten und als ausverkauft gemeldeten Arena jubelten.

Für einen Abend sind alle gleich jung

Sir Paul hatte eine gut aufgelegte vierköpfige Band dabei, "Save Us" war geradezu Hard Rock, und bei "Can't Buy Me Love" schaute man sich um, und man sah junge Menschen in bunten Sgt.-Pepper-Uniformen, Kinder mit Baustellen-Gehörschutz, Väter mit erwachsenen Söhnen und Mütter mit halbwüchsigen Töchtern, man sah Männer mit gerührten Gattinnen und Damen mit verzückten Partnern.

Alle waren gleich jung an diesem Abend, sie hörten heute die Musik von gestern, eine Musik, die ewig gültig ist, und plötzlich fielen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in eins, und man war einfach bloß da.

Paul McCartney sprach lange Zwischenansagen, er kokettierte mit seinen Deutschkenntnissen, einmal sagte er auch "Helau", das war nett gemeint, aber viel größer war die Verbeugung vor Düsseldorf mit dem Elektropop-Stück "Temporary Secretary", das er als Kraftwerk-Hommage anlegte und dazu neongrüne Umrisse alter Geräte an die vier mächtigen Leinwände projizieren ließ, eine Schreibmaschine etwa und ein Telefon mit Wählscheibe. Bald zog sich Sir Paul die Jacke aus, er stand nun in Hemd und Jeans da, und er sagte: "Das wird der einzige Garderobenwechsel bleiben."

Best of der Rockgeschichte

Die Choreografie war zurückhaltend, es ging um die Musik, gelegentlich flackerten Filmaufnahmen der Beatles über die LED-Wände, und man dachte, wie toll sie ausgesehen haben damals. McCartney hatte die Songs gut ausgewählt, Abgelegenes und Wiederentdecktes wie "Being For The Benefit Of Mr. Kite" und "Nineteen Eighty Five" neben Gassenhauern wie "Let It Be" und "Hey Jude". Ein Lied der Beatles-Vorgängerband The Quarrymen war dabei, das unfassbar schöne "My Valentine" und der aktuelle Hit "FourFiveSeconds", den er mit Rihanna und Kanye West aufgenommen hat.

Jede Grundqualität des Geschmackssinns wurde angesprochen, das waren nicht bloß die Greatest Hits eines Künstlers, das war das Best Of der Rockgeschichte: "Love me Do", "Lady Madonna", "Back In The USSR". Nach nicht einmal der Hälfte des Sets standen denn auch alle, sie applaudierten, wenn McCartney vom Bass zur Gitarre wechselte, wenn er sich ans Klavier setzte, sie applaudierten, weil er hier war und sie auch, sie applaudierten aus Zuneigung zu diesem Optimisten.

Und sie sangen mit, als er "Ob-La-Di, Ob-La-Da" brachte, und man würde gerne wissen, wie er das gemacht hat, wie er jede dieser Silben mit so vielen Widerhaken versehen hat, dass man das Stück über Jahre nicht mehr aus dem Ohr wird ziehen können.

Der Größte, den wir noch haben

Das ist ja überhaupt die Leistung dieses Mannes, des Größten, den wir noch haben, dass er die 100.000 Mal gehörten Lieder so darreicht, dass sie frisch klingen. Es gibt kaum ein menschliches Gehirn auf der Welt, durch das noch kein Beatles-Song oder -Vers gegangen ist, und wer selbst Musik macht, wird wissen, wie schwierig es ist, diese Kompositionen aufzuführen, ohne dass es nach Cover-Band oder Abklatsch klingt.

McCartney arrangierte "Love Me Do" als Lagerfeuer-Hymne und "Back In The USSR" mit viel Beach-Boys-Vibe. Über die Wand aus Lärm kletterten die Melodien, sie waren größer als die Widerstände. Jeder Mensch wird mit einem Vorrat an Melodien geboren, und Paul McCartney hat sie geborgen, aufgeschrieben und auf Platte gepresst, er hat das Urmeter des Pop daraus gegossen.

Und das ist nun das, was man fühlte: Verbundenheit mit diesem Künstler und seinem Werk. Man begriff sich selbst als Menschen, als Wesen in der Zeit, und man war gerührt. Es gab Momente, da lernte man einen anderen McCartney kennen, nicht den jungenhaften Spaßvogel, sondern einen zarter gewordenen, momentweise gar zerbrechlich anmutenden Überlebenden. Das waren bewegende Momente, als er den Verstorbenen Songs widmete,

"Maybe I'm Amazed" für seine Frau Linda, "Here Today" für John Lennon, "Love me Do" für den Produzenten George Martin, und eine umwerfende Version von "Something", die er auf der Ukulele begann, für George Harrison. McCartney führte die Menschen am feinen Band der Harmonien, er wickelte sie ein und betäubte sie, und dann spielte er "Blackbird", diese trostreiche Herzensnummer, und er ließ sich dazu in den Bühnenhimmel heben, herrlich.

Manche Songs wurde geradezu umgedeutet. Die Beatles sind ja das Symbol für Jugendlichkeit, der Anfang popmusikalischen Beginnens, und nun sang dieser Mann von 73 Jahren Zeilen wie "Life is very short / And there's no time for fussing and fighting my friend", und in den Höhen klang seine Stimme glasig, dann ein wenig schartig, aber das war kein Manko, das war echt und authentisch, das steht ihm, die Jungsstimme ist gewelkt, und es packt einen, es haut einen um. Eine Frau hielt ein Schild hoch, darauf stand: "Bitte umarme mich, ich warte seit 50 Jahren darauf."

Stell dir vor, es gäbe diese Lieder nicht

Die erste Zugabe war dann "Yesterday", Paul alleine mit der akustischen Gitarre, "I'm not half the man I used to be / There's a shadow hangin' over me", und da legten sich einige die Hände vors Gesicht, weil man das so macht, wenn man merkt, dass man gleich heulen muss. Stell dir vor, dachte man so für sich, es gäbe diese Lieder nicht, was wäre dann? Dann wäre die Welt schwarzweiß.

Man war dankbar und auch ein bisschen melancholisch, und als letzte Zugabe spielte Paul das Abschluss-Medley vom Album "Abbey Road". Es besteht aus drei miteinander verbundenen Einzeltiteln. Der letzte heißt "The End".

(hols)
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