Horst Eckert "Politik gibt dem Thriller eine neue Dimension"

Düsseldorf · In "Schattenboxer" befasst sich der Düsseldorfer Krimi-Autor mit dem Mord an Detlev Karsten Rohwedder und mit der RAF-Szene.

Seit 20 Jahren schreibt Horst Eckert Krimis und Thriller, die in Düsseldorf verortet sind. In seiner Wohnung über den Dächern von Bilk spricht er bei einem Cappuccino über sein neues Buch "Schattenboxer", in dem die privaten Katastrophen seiner Romanfiguren mit politischen Ereignissen der Bundesrepublik verknüpft sind.

Sie beginnen Ihren Thriller mit dem Mord an Detlev Karsten Rohwedder am 1. April 1991 in Düsseldorf, nennen ihn aber Rolf-Werner Winneken. Warum?

Eckert Weil ich Realität und Fiktion vermische. Den Mord beschreibe ich sehr genau. Alle Details stimmen, selbst die Farbe des Handtuchs, auf dem DNA-Spuren des RAF-Terroristen Wolfgang Grams nachgewiesen wurden. Der Fall gilt dennoch letztlich als ungelöst, weil man nicht sicher sein kann, wie die DNA-Spuren auf das Handtuch kamen und ob Grams tatsächlich vor Ort war. Hier setze ich an. Ich habe mir überlegt, was gewesen sein könnte, wenn er nicht der Täter war. Ich erzähle eine Geschichte, in der es unter anderem um den Verkauf der Leuna-Werke an Elf Aquitaine geht, und bringe auch den BND ins Spiel. Es gibt viele Bezüge zur Realität, meine Geschichte ist aber fiktiv. Deshalb trägt das Opfer auch einen fiktiven Namen.

Warum spielt der Bundesnachrichtendienst eine Rolle?

Eckert Der deutsche Auslandsgeheimdienst gilt als sauber und eher unbedeutend. Die Bösen sind immer die CIA oder der Mossad. Tatsächlich ist der BND gar nicht so unbedeutend. Er sammelt wichtige Spuren, die etwa zur Liquidierung von Terroristen führen, und operiert zum Teil auch in Deutschland. Das hat mich interessiert: dass Bild und Wirklichkeit nicht übereinstimmen.

Woher haben Sie die Informationen?

Eckert Ich habe ein ausführliches Interview mit einem ehemaligen Agenten geführt, der mir viele Geschichten erzählt und mir die Naivität gegenüber dem BND genommen hat.

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, sich in einem Thriller auf den Mord an Detlev Karsten Rohwedder zu beziehen?

Eckert Ich habe 1991 als Fernsehjournalist hier in Düsseldorf gearbeitet. An der Berichterstattung über den Mord war ich nur am Rande beteiligt. Aber die Ermittlungen waren so intensiv, dass sich mir das eingeprägt hat und im Kopf blieb. Jetzt kam hinzu, dass ich mit Kommissar Vincent Veih einen Helden entworfen habe, dessen Mutter RAF-Terroristin war. Im ersten Band meiner Serie um ihn, in "Schwarzlicht", lief beides parallel: der Fall, in dem Vincent ermittelt, und die Vergangenheit seiner Mutter. Jetzt, im zweiten Fall, wollte ich beides zusammenbringen, und da lag für mich ein Mord hier in Düsseldorf mit Spuren nahe, die zur RAF führen.

Wie viel politischen Gehalt muss ein Thriller für Sie haben?

Eckert Es gibt natürlich auch gute Thriller ohne politischen Gehalt. Aber mit ihm bekommt die Handlung eine zusätzliche Dimension, das finde ich interessant. Aber auch "Schattenboxer" greift nicht nur Politisches auf. Persönliche, familiäre Katastrophen spielen eine wichtige Rolle. Für mich geht es gerade darum, das Private und das Politische zu verknüpfen.

Warum haben Sie sich für einen Polizisten als Ermittler entschieden?

Eckert Es entspricht meinem Bedürfnis nach Realismus, dass Polizisten ein Verbrechen aufdecken und nicht etwa ein Journalist. Sie kommen zudem in jedes Milieu. Wenn ich über ihre Arbeit schreibe, kann ich vieles aufgreifen, die Geschichten werden bunt, abwechslungsreich. Und eine Polizeibehörde funktioniert wie jede große Institution fast wie ein Abbild der Gesellschaft: Es gibt Anpassung, Ehrgeiz, Machtkämpfe, Druck - und viel zu erzählen.

Wenn Sie an das nächste Buch denken - ist Terror nach den Anschlägen von Paris und Kopenhagen für Sie ein Thema?

Eckert Über islamistischen Terror und Rechtspopulismus habe ich bereits geschrieben: in "Sprengkraft" aus dem Jahr 2009. Wahrscheinlich würde ich heute einige Details verändern, dennoch hat für mich das Buch weiterhin Gültigkeit: Alles, was ich zum Islamismus sagen kann, habe ich hier gesagt. Im dritten Band um Vincent Veih werde ich mich stattdessen den NSU-Morden zuwenden: Waren es wirklich nur drei Mörder - und ist jetzt alles vorbei?

(RP)
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