Düsseldorf Rainald Grebe nimmt fulminant Rache an seinem Schlaganfall

Düsseldorf · Sieben Monate nach seinem Zusammenbruch singt, spielt und tobt der Kabarettist im Zakk furioser denn je.

Ein gutes, cooles Leben sei die beste Rache, singt der Indie-Messias Marcus Wiebusch ("Kettcar"), und recht hat er. Gemeint ist Rache an den Schlägern und fiesen Mädchen aus der Pubertät, aber dieselbe Logik lässt sich auf schwere Krankheiten anwenden. Was kann es Schöneres geben, als sein Leben nach der Heilung genau so weiterzuführen wie zuvor, sei es abzüglich einiger schlechter Angewohnheiten oder kompromisslos - jetzt erst recht?

Rainald Grebe (46) war am 26. März nach der Pause nicht auf die Bühne des Zakk zurückgekehrt. Weshalb, verrät er beim Nachholtermin als Einstiegs-Gag: "Ich war verwirrt, hab' zusammenhangloses Zeug geredet, gestottert. Die Leute fragten: ,Warum kommt er denn nicht wieder raus? Ist doch alles wie immer!' War aber nicht so, ich hatte 'nen Schlaganfall." Rumms.

Doch mehr als diese paar Sekunden sowie später ein munteres "Kortison formte diesen schönen Körper" gesteht er der Episode, die ihn für drei Monate außer Gefecht setzte, nicht zu. Sofort macht er weiter, in Jogginghose zu Hemd und Krawatte, im Schreibtischstuhl am Klavier. Zum Blödel-Rap "Palmöl aus Malmö" lässt er das Publikum mit den Armen über dem Kopf im Takt wippen wie HipHop-Hörer. Hierauf folgt der fällige ein Hitlergruß-Gag, später dann eine musikalische Vernichtung der deutschen Klein- und Mittelstädte samt ihren unterirdischen Werbesprüchen, erdacht von schamlosen Werbern für fünfstellige Beträge. Doch nicht nur diese und miserable Mittelaltermärkte werden vom wild grimassierenden Grebe seziert. Abendland und Morgenland ("Myrrhe und Dürre"), Digital und Analog - alles wird durch den hyperaktiven, klugen, vermutlich drogensüchtigen Fleischwolf in Grebes Kopf gedreht.

Wahnsinnig wild ist diese Tour de Force durch unsere ganze Welt, und sehr lustig, wo sie es sein soll. Virtuos spielt der Kabarettist dabei gleich mehrmals mit der Ahnungslosigkeit seiner Zuschauer. Hat er da gerade tatsächlich live im Halbwelt-Internet "Darknet" Kokain im Wert von 10.000 Dollar ins Zakk bestellt? Habe er, schwört Grebe: "Bald steht hier entweder ein Typ von UPS oder das LKA." Etwas zu hoch gepokert; er dürfte mit seiner Kunst nicht so viel verdienen, dass er 10.000 US-Dollar übrig hat. Leider, leider.

Dann schwenkt er zum wiederholten Male zum Goethe-Institut, das ihn als Volksliedersingtrainer an die Elfenbeinküste bestellt hatte: Videoclips zeigen einen westafrikanischen Chor bei "Atemlos durch die Nacht" sowie einen Solisten bei der Intonation von Grebes bitterbösem Über-Hit "Brandenburg". Grölen im Saal. In diesem Moment erzählt er, die Leiterin des Goethe-Instituts an der Elfenbeinküste sei bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Unsichere Blicke, heimliches Googeln, dann die Klarheit: kein Witz.

Als eine von 14 Zivilisten wurde die Ethnologin, Kommunikationsfachfrau und Anpackerin Henrike Grohs am 13. März von Islamisten getötet. Der extrem lange und laute Applaus nach drei Stunden galt nicht nur Grebe, sondern auch ihr.

(tojo)
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