Konzert im ISS-Dome Gut, dass es Rod Stewart gibt

Düsseldorf · Der 71-jährige Sänger Rod Stewart hat 7000 Fans beim Konzert in Düsseldorf begeistert. Er brachte die großen Hits "Sailing" und "Baby Jane" und betörte mit robustem britischem Charme. Ein Vorbild in Sachen Lässigkeit.

 Der Sänger Rod Stewart während seines Konzerts im ISS Dome in Düsseldorf.

Der Sänger Rod Stewart während seines Konzerts im ISS Dome in Düsseldorf.

Foto: afp

Im letzten Drittel dieses schönen Abends geht einem auf, dass dieser Kerl ja nicht bloß Rocksänger ist, sondern viel mehr. Lebenskundler nämlich, Alltagsphilosoph und Lässigkeitsvorbild. Er nimmt alles leicht, er ist guter Dinge, und man merkt das, als er "You're In My Heart" spielt. Das Lied hatte er 1978 für seine damalige Freundin Britt Ekland geschrieben, "my love for you is immeasurable", heißt es darin, aber damals wirkte es nicht, denn im Jahr darauf trennte sich das frühere Bond-Girl von Rod Stewart. Er inszeniert das Stück nun aber nicht als tränenschwere Ode an die Verflossene, als Versuch über den Trennungsschmerz oder die Vergänglichkeit der Liebe. Er widmet es einfach seinem Lieblingsverein Celtic Glasgow. Man sieht also das Logo des Fußball-Clubs auf mächtigen LED-Leinwänden und hört Zeilen wie diese: "You are my lover, you're my best friend / You are beauty and elegance".

Rod Stewart tritt im ISS Dome in Düsseldorf auf, er ist ein Junge von 71 Jahren, er ist lustig und hat einen Pub-erprobten Charme, und er sieht so dezent derangiert aus wie ein Gentleman, der gerade aus einer Nacht kommt, die man auch mal erleben möchte. Er trägt eine Hose mit Glitzereinsätzen an Stellen, an denen Herrenhosen besser keine Glitzereinsätze haben sollten, und ein Sakko mit Leoparden-Print. Eine zwölfköpfige Band begleitet ihn, die Hälfte der Musiker ist weiblich, später werden sie Schottenröckchen anziehen, man macht das so in Las Vegas, wo Rod Stewart eine eigene Show hat. Er lässt es direkt krachen, bringt "Tonight's The Night", schickt dazu Animationen von einer nächtlichen Stadt im Schnee über die neun Leinwände, und er singt "Having A Party" von Sam Cooke in sein weißes Mikrofon, das an eine Dose Haarspray erinnert.

Die Hälfte des Sets besteht aus Coverversionen, das wurde ihm oft zum Vorwurf gemacht. Rod Stewart gilt als größter Talent-Vergeuder des Pop, weil er irgendwann die Arbeit eingestellt habe, wie es heißt, die schöpferische zumindest. In den vergangenen Jahren veröffentlichte er fünf Alben mit Stücken aus dem Great American Songbook, und wie sehr er geliebt wird, erkennt man daran, dass sie sich 20 Millionen Mal verkauft haben. Man muss sich seine Anverwandlungen anhören, dann versteht man das, "Downtown Train" von Tom Waits etwa, das er hier am Bühnenrand sitzend gibt. Das Original ist Kunst, aber Stewart schleift die Kanten rund, er macht daraus einen Alltagsgegenstand, den jeder voraussetzungslos mit Leben füllen kann. Das ist sein Prinzip: Lieder zum Benutzen, Soundtrack des Lebens.

Dabei hat Stewart selbst durchaus großartige Lieder komponiert, man denke an "Mandolin Wind" aus dem Jahr 1971 oder an das unglaublich tolle "The Killing Of Georgie Pt. I & II", das von einem homosexuellen Freund erzählt, der aus der Provinz nach New York flieht, sein Glück zu finden hofft und erstochen wird, und im letzten Teil des Lieds schwebt Georgie zwischen Leben und Tod, es ist bewegend, und so etwas muss man erstmal hinbekommen — im Jahr 1972 zumal. Auf die Bühne bringt Stewart diese Stücke indes nicht, er gibt den 7000 Fans die großen Hits — "Sailing" von Gavin Sutherland etwa, bei dem sich einige die Hände vor den Mund legen, weil das ein sehr schönes Lied ist. "The First Cut Is The Deepest" von Cat Stevens auch und "Maggie May". Da hat sich Rod Stewart das Hemd längst bis zum Nabel aufgeknöpft, auf seiner Brust glitzert ein schweres silbernes Kreuz, und man muss schmunzeln über diese sympathisch verschmitzte Mischung aus Phlegma, Katarrh und britischer Unverbrüchlichkeit.

Das Publikum nimmt jedes Lied wie ein Geschenk entgegen, das sind die Radiohits der vergangenen 40 Jahre, und nett ist, dass nach jedem Titel das Cover der zugehörigen LP eingeblendet wird: "Die hatte ich auch!" Als Stewart "Baby Jane" aus dem Jahr 1983 singt, ist plötzlich Sommer, er tanzt, die Beine x-förmig, der Hinterkopf berührt fast die Schulterblätter, und die Pulsadern in den Handgelenken bietet er dem Himmel dar. Man denkt daran, wie lange man diesen Menschen schon kennt, man erinnert sich an seine großen Momente, an die Fehltritte und Geschmacksverirrungen, an seine blonden Partnerinnen und Sätze wie den, dass sein Frauengeschmack nun mal von Marilyn Monroe und Brigitte Bardot geprägt sei. Dieser Gossen-gestählte Hedonismus und die Lebensfreude machen ihn zu einer Herzensangelegenheit. Es ist wichtig, dass es solche Leute gibt, denn bald sind da nur noch Gangsta-Rapper mit vergoldeten Zähnen und selbstoptimierte R'n'B-Androiden, und dann muss man den Haken lange suchen, an den man sein Herz hängen kann.

Stewart erzählt Geschichten - wie er mit Ron Wood (heute Rolling Stones) den Jimi-Hendrix-Song "Angel" einspielte, etwa: "20 Minuten, vier Takes, fünf Flaschen Wein." Dann singt er das Lied, und die Background-Sängerinnen tragen weiße Federflügel. Zu "Stay With Me" schießt er signierte Fußbälle ins Publikum, er hat daran offensichtlich mehr Spaß als an dem Song selbst. Zu "Can't Stop Me Now" lässt er Fotos von sich als 18-Jährigem einblenden, damals sah er aus wie heute, nur in Schwarzweiß. Und zu "Forever Young" sieht man Aufnahmen von Stewart beim Fußballspielen mit seinen acht Kindern. Vielleicht sind es auch die Enkel, das weiß man bei ihm ja nie so genau.

Als Zugabe singt er nach eindreiviertel Stunden den Disco-Kracher "Da Ya Think I'm Sexy", er lässt Luftballons regnen und nimmt seine Percussionistin in den Arm. Beim Rausgehen hat man ein Lied im Kopf, das er natürlich auch sang, und das vielleicht nur er singen kann, weil es aus seinem Mund so glaubwürdig klingt: "Some Guys Have All The Luck".

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