Düsseldorf Schauspielen ist wie Wellensurfen

Düsseldorf · Am Wochenende spielt Hanna Werth das Goldene Kalb in George Taboris "Die Goldberg-Variationen" vor Publikum.

 Hannah Werth spielt das Goldene Kalb, im Hintergrund v.l.: Rainer Galke und Heisam Abbas.

Hannah Werth spielt das Goldene Kalb, im Hintergrund v.l.: Rainer Galke und Heisam Abbas.

Foto: Hoppe/Schauspielhaus

Wie spielt man das Goldene Kalb? Hanna Werth lacht. "Das verrate ich nicht", antwortet sie. "Nach der Premiere morgen wird man es wissen." Die geheimnisvolle Figur gehört zum Inventar von George Taboris Stück "Die Goldberg-Variationen".

Hanna Werth schlüpft noch in drei weitere Rollen: in die der Putzfrau Mrs. Mopp, der Bühnenbildnerin Ernestina van Veen und des Superstars Terese Tormentina. "Bei den Kostümwechseln muss es rasend schnell gehen", sagt sie. "Ohne meine Maskenbildnerin und meine Ankleiderin wäre ich verloren."

Der jüdische Dramatiker Tabori schuf mit den "Goldberg-Variationen", die Tilo Nest fürs Große Haus inszeniert, eine Parabel über das Theater und eine Metapher für die Welt. Ob das Stück eine Komödie ist? Die Darstellerin stimmt nach kurzem Zögern zu. "Ja, aber eine, die auf dem Scheitern basiert." Darin verberge sich auch die Ambivalenz des Stücks. Man spüre die wachsende Verzweiflung, das Ringen um Existenzen. "Die Wirkung einiger völlig absurder Situationen kann ich nicht absehen." Werden die Zuschauer lachen oder wird ihnen das Lachen im Hals stecken bleiben?

Werth ist seit Spielzeit-Beginn im Ensemble des Schauspielhauses. Im Jahr 2012 hatte sie nach dem Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig ihr erstes Engagement in Wuppertal. Nach kurzer Zeit durfte sie die Rolle der "Maria Stuart" spielen. "Was habe ich diese Rolle geliebt", schwärmt sie. "Wenn man den großartigen und klugen Schiller-Text einmal gelernt hat, spricht er sich wie von selbst. Es war, als würde ich auf einer Welle surfen."

2013 bekam Hanna Werth für ihre Giacinta in "Trilogie der Sommerfrische" den Preis als beste Nachwuchsdarstellerin beim NRW-Theatertreffen. Die Freude war getrübt durch die zeitgleiche Schließung der Wuppertaler Bühne. "Eine schlimme Erfahrung", sagt sie. "Ich war wie ein Welpe aus dem Schutz der Schule gekommen und wurde sofort mit den bedrohlichen Grenzen meines Berufs konfrontiert."

Zu ihrem Glück ging es nahtlos weiter. Einem Düsseldorfer Gastauftritt bei "Nachtgeknister" (2014) folgte prompt ein Vertragsangebot. "Kein leichter Einstieg", gibt sie zu. "Das Ensemble wurde gerade erst zusammengewürfelt. Das hat sich jetzt eingeschliffen. Wir werden vom Publikum anders wahrgenommen, das spürt man." In Sicherheit aber ist sie nicht, so wenig wie ihre Kollegen. Keiner weiß, wer übernommen wird, wenn Interims-Chef Günther Beelitz 2016 seinen Platz für den neuen Intendanten Wilfried Schulz räumt. Werth bleibt dennoch gelassen. "Wir sind alle Nomaden. Man darf keine Angst haben."

Ihre Eltern leben in Hanau. Werth beschreibt sie als "abenteuerlustige Reisekaufleute". Sie haben ihrer Tochter vorgelebt, Herausforderungen furchtlos anzunehmen. Werth ist allein nach Indien gereist und besuchte wochenlang Thailand und Südafrika.

Der Drang zum Theater wurde früh deutlich. "Ich habe immer gern gequatscht und musste irgendwohin mit meiner überschüssigen Energie", erzählt sie. "Beim Sport wurde mein Mundwerk nicht genügend gefordert. Aber in Theatergruppen auf der Bühne zu plappern, das fand ich klasse." Erst mit 14 Jahren habe sie erfahren, dass Theaterschauspieler ein richtiger Beruf ist, den man studieren könne.

In Düsseldorf ist die 29-Jährige derzeit in einer Doppelrolle in "Die Ratten" und als Schwangere im musikalischen Erfolgsstück "Sekretärinnen" zu sehen. "Lustig und leicht, aber nicht seicht", kommentiert sie. "Es machte total viel Spaß, die Lieder einzustudieren." Ihre Zugabe "What's a Woman" bereitet ihr das größte Vergnügen. Schön sei auch das Zusammenspiel mit älteren Kolleginnen wie Susanne Tremper und Manuela Alphons, "da kann man sich als Jüngere viel abgucken."

Im Moment plagt sie noch eine Erkältung. "Auskurieren ist schwierig in meinem Beruf", sagt sie. "Aber am Ende wird dann doch immer alles gut. Es muss eine besondere Art von Magie geben. Ich nenne das Theaterzauber."

(RP)
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