Düsseldorf Schauspielhaus zieht ins Central

Düsseldorf · Der Ausnahmezustand hat begonnen: Das Quartier am Hauptbahnhof ist jetzt Hauptsitz des Theaters. Am Abend gibt es eine Brecht-Premiere.

 Intendant Günther Beelitz (links) und Geschäftsführer Alexander von Maravic (daneben) führten die Theaterkarawane an.

Intendant Günther Beelitz (links) und Geschäftsführer Alexander von Maravic (daneben) führten die Theaterkarawane an.

Foto: Bauer

Wenn ein Theater umzieht, darf Musik nicht fehlen. Vergnügt greift Bühnenmusiker Klaus-Lothar Peters in die Tasten eines rosa Klaviers, das man ihm auf einen Karren geschraubt hat, und setzt damit den Zug seiner teilweise verkleideten Kollegen in Bewegung. Mit dieser karnevalistisch inszenierten Aktion zog das Schauspielhaus gestern endgültig vom Stammhaus am Gründgens-Platz hinüber zum Central am Hauptbahnhof. Für die nächsten eineinhalb Jahre wird das Probenzentrum Hauptsitz des Schauspielhauses, denn am Gründgens-Platz wird umfassend saniert.

"Seit dem 1. Januar haben wir unter Hochdruck gearbeitet, damit der Umzug klappt", erzählt Manfred Belk, Chefbeleuchter des Theaters. Allein 780 Scheinwerfer mussten seine Kollegen und er aus dem Bühnenhimmel schrauben und im Central wieder anbringen. "Das war ein Kraftakt, aber nun sind wir alle voller Zuversicht, dass die Saison im Central gut weitergeht", sagt Belk. Einige Bürger waren sogar gekommen, um die Schauspielhaus-Leute trotz schaurigen Wetters bei ihrem Straßen-Umzug zu unterstützen. Zuschauer wie Hildegard Gärtner: "Natürlich werde ich auch ins Central gehen", sagt sie, "das ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln sogar noch besser zu erreichen."

Dass Teile des Stammpublikums skeptischer sind gegenüber dem Standort am Hauptbahnhof, weiß Intendant Günther Beelitz. Darum hat das Theater in den vergangenen Tagen nicht nur einen aufwendigen Umzug gestemmt, sondern einiges unternommen, um das Central attraktiver zu machen. So gibt es nun - wenn auch kleine - Schilder im Parkhaus gegenüber, die es leichter machen sollen, abends ins Theater zu finden. Das Foyer in der Brücke zwischen Postgebäude und Central wurde freundlicher gestaltet: neues Licht, neue Garderoben, mehr Sitzgelegenheiten und vor allem ein zweiter Eingang - gleich auf der Parkhausseite führt eine Metalltreppe direkt ins Brücken-Foyer. Vor dem Haupteingang schreiten die Besucher nun durch einen leuchtend blauen Rahmen, wie er sich auch im Logo des Theaters findet. Und wo jetzt noch ein Bauzaun steht, soll es demnächst eine Ummauerung geben mit eingelassenen Bildschirmen, auf denen Ausschnitte aus den Inszenierungen laufen werden. So soll die bisher düstere Ecke am Eingang des Central, in der sich auch schon mal Junkies aufhielten, hell und einladend werden.

Dazu verlangt Beelitz seinen Mitarbeitern logistische Höchstleistung ab, denn er will im Central täglich spielen lassen, sogar auf zwei Bühnen parallel, um sein Publikum möglichst schnell mit dem neuen Theaterort vertraut zu machen. "Die Lage ist nicht gerade famos", sagt Beelitz, "aber das Central ist auch eine Chance für Düsseldorf: mit dem FFT, dem Tanzhaus NRW und dem Capitol könnte hier eine neue Kulturmeile entstehen, die auch ein jüngeres Publikum anzieht." Wenn dann noch das Kulturamt in das Post-Gebäude ziehe, sei "das Paket perfekt". Und dann zitiert er noch den Dramatiker Heiner Müller: Die erste Erscheinung des Neuen ist der Schrecken. "Es gibt Vorurteile gegenüber dem Central", sagt Beelitz, "wir treten an, den Schrecken zu zerstreuen."

Gleich heute beginnt die Saison in der Ausweichspielstätte mit Brechts "Die Kleinbürgerhochzeit". Hans-Ulrich Becker inszeniert das Frühwerk und verlegt die Geschichte eines Hochzeitspaares, das die Schwangerschaft der Braut vertuschen will, in die Gegenwart. Moritz von Treuenfels spielt den Bräutigam, Viola Pobitschka die Braut - mit einer hübschen Pointe, wie Beelitz erzählt, denn die Schauspielerin erwartet tatsächlich ein Kind.

In der nächsten Woche geht es dann mit Brecht weiter. Am Freitag hat "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" Premiere. Volker Hesse inszeniert das 1941 entstandene Stück, das in seinen Augen "von der Auflösung humaner Werte" handelt und wie ein Aufschrei Brechts zu verstehen sei, der sich Gedanken darüber machte, wie die totale Entmenschung durch die nationalsozialistische Ideologie in den 1940er Jahren aufgehalten werden könne. Die Bezüge zur Gegenwart Europas mit dem Erstarken rechtsextremer Bewegungen in vielen Mitgliedsstaaten seien offensichtlich, doch will Hesse das Stück nicht eindeutig aktualisieren. "Wir wollen kein Kabarett, sondern das Modellhafte der Dichtung Brechts erhalten", so Hesse. Die brennenden Fragestellungen des Stücks würden die Zuschauer sicher existenziell und empfindlich treffen.

Karten gibt es zu den gewohnten Öffnungszeiten im Central am Hauptbahnhof und zusätzlich im Opernshop an der Heinrich-Heine-Allee 24.

(dok)
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