Düsseldorf Scheitern an Beethoven

Düsseldorf · Aziz Shokhakimov leitete das städtische Symphoniekonzert in der Tonhalle.

 Aziz Shokhakimov am Pult in der Tonhalle.

Aziz Shokhakimov am Pult in der Tonhalle.

Foto: Susanne Diesner

Heute gönnen wir uns eine exotische Spielerei. Wir nehmen die DVD von "Tod auf dem Nil" aus dem Regal, schieben sie feierlich in den Player und drehen, sobald wir in Ägypten sind und diese betörenden Landschaftsbilder sehen, den Ton und die Musik des großen Nino Rota ab. Stattdessen gönnen wir uns als neuen Soundtrack das 5. Klavierkonzert F-Dur des noch größeren Camille Saint-Saëns. Es heißt "das Ägyptische", wurde dort komponiert und bezaubert durch orientalische Melodien. Peter Ustinov, das musikkundige Genie, hätte den Tausch der Klänge fraglos goutiert.

Im städtischen Symphoniekonzert in der Tonhalle wurde dieser folkloristische Reigen, der sogar Klangbilder aus dem Fernen Osten einfliegt, nun erstmals aufgeführt. So ganz trauten die Veranstalter der Überzeugungskraft des Werkes nicht, weswegen sie zuvor Ravels "La Valse" boten, eine rassige Komposition, die der junge Dirigent Aziz Shokhakimov weniger mit seinen Armen als mit seinem Körper befehligte. Die Erwärmung des Publikums durch hypnotische Dirigenten-Pantomime gelang vortrefflich; leider stellte sich durch die ellenlange Umbaupause eine Abkühlung ein. Shokhakimov legte deshalb einige Holzscheite nach und sorgte dermaßen für orchestralen Dampf, als wolle er beweisen, dass es sich hier eigentlich um eine Symphonie mit angehängtem Klavier handelt.

Der aus Meerbusch stammende Pianist Severin von Eckardstein ließ sich nicht beirren und stattete seine Interpretation mit allen Insignien ritterlicher Klaviertechnik aus. Mächtige Akkorde wechselten mit Tonleitern, die pfeilschnell über die Klaviatur rasten, und als Innigkeit und kantable Sensibilität gefragt waren, zeigte sich das bewundernswerte Selbstverständnis dieses Pianisten: Im Herzen ist er ein Klassiker und den Komponisten ein gebildeter Gesprächspartner. Seine Zugabe, ebenso distinguiert wie sinnlich: "Mouvement" aus den "Images" von Claude Debussy.

Nach der Pause hätte sich Shokhakimov als Dirigent profilieren können, der auch dem Kernrepertoire gewachsen ist, ließ diese Chance bei Beethovens 6. Sinfonie, der "Pastorale", aber verstreichen. Der Kopfsatz wirkte so blass, als seien die "heiteren Empfindungen auf dem Lande" durch den Genuss diverser Grüner Veltliner bereits sediert; von Beethovens explosiver Tempovorschrift war Shokhakimov einige Tagesreisen weit entfernt. Der "Szene am Bach" fehlte es entschieden an rhythmischem Witz.

Um diese Defizite auszugleichen, ließ Shokhakimov in der Gewitterszene das Orchester auf kindische Weise donnern. In solchen Momenten dokumentierte sich Hilflosigkeit vor einer großen Partitur. Gewiss spielten die Symphoniker exzellent, trotzdem streichen wir diesen Beethoven sofort aus dem Gedächtnis.

(w.g.)
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