Düsseldorf Schillers Wallenstein als kompakter Krimi

Düsseldorf · Der Weimarer Intendant Hasko Weber hat den Klassiker auf viereinhalb Stunden verdichtet. Gastspiel ab morgen im Schauspielhaus.

 Dominique Horwitz als Wallenstein in der Inszenierung von Hasko Weber, die im Schauspielhaus zu sehen ist.

Dominique Horwitz als Wallenstein in der Inszenierung von Hasko Weber, die im Schauspielhaus zu sehen ist.

Foto: Matthias Horn

Schillers Wallenstein ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine Allegorie auf das Heute: Er passt zum Erinnern an den Beginn des Ersten Weltkrieges im vergangenen Jahr und an das Ende des Zweiten Weltkrieges in diesem Jahr. Manche Historiker sprechen von einem zweiten Dreißigjährigen Krieg. Wallenstein passt auch zum Thema Religionskriege. Damals bekämpften sich die christlichen Konfessionen unter dem Deckmantel der Vorherrschaft über den Europäischen Kontinent. Heute missbrauchen muslimische Fundamentalisten Religion als Ideologie, um Krieg gegen Andersgläubige zu rechtfertigen. Und Wallenstein zeigt, wie ein einzelner Machtgieriger schließlich am politischen System scheitert.

Diese Herangehensweise wählt Hasko Weber für seine Wallenstein-Inszenierung, die morgen im Großen Haus Premiere hat. Weber ist der Intendant des Weimarer Nationaltheaters. Er bringt mehr als die Hälfte seines Ensembles nach Düsseldorf, um hier ein Gastspiel zu geben. Von morgen an führt das Nationaltheater neunmal hintereinander Schillers Wallenstein-Trilogie auf. Darauf freut sich Wallenstein-Darsteller Dominique Horwitz: "Es entwickelt sich eine Eigendynamik, wenn man ein Stück en suite spielt." Er ist der Meinung, dass das Stück in die Landeshauptstadt gehört. "Das Stück passt besser zu Düsseldorf als zu Weimar."

Die Dramen-Trilogie ist eine Herausforderung für Theatermacher und Publikum. 2007 hat Regisseur Peter Stein mit Klaus Maria Brandauer in Berlin eine Inszenierung auf die Bühne gebracht, die einen halben Tag dauerte. Die letzte Wallenstein-Aufführung in Weimar ist fast 30 Jahre her. Das zeigt, wie anspruchsvoll es ist, dieses Mammutwerk zu bearbeiten. Weber hat das Stück auf seine Essenz geschrumpft. Es dauert immer noch viereinhalb Stunden inklusive zweier Pausen. "Das Stück ist wegen seines Umfangs schwer zu realisieren", sagt der Weimarer Intendant.

Weber nimmt seinen Wallenstein und stellt ihn in Bezug zur Gegenwart. "Es geht letztlich um Macht, Einflusssphären und Märkte", sagt sein Hauptdarsteller Dominique Horwitz über das Stück. Weber konzentriert sich in seiner Version auf die Figur und die Figuren in deren direkten Umfeld. "Die Kernstruktur des Stückes habe ich übernommen", erklärt er. Für ihn sind auch im heutigen politischen Betrieb die handelnden Personen entscheidend.

"Wir erleben mit Wallenstein einen Charakter, der unlautere Verbindungen gegen den Kaiser in Wien knüpft, und das so lange betreibt, bis er auffliegt und zum Opfer seiner eigenen Verstrickungen wird", sagt er. Obwohl Wallenstein erkenne, dass er den falschen Weg gewählt habe, gehe er diesen entschlossen bis zu seinem Ende. Für Hauptdarsteller Horwitz besteht die Herausforderung darin, jemand zu sein, von dem man nicht weiß, wie er sich entscheiden wird. "Die Qualität der Figur ist ihr Geheimnis", sagt der Schauspieler.

Weber konzentriert sich nicht nur beim Bühnenbild auf das Wesentliche. Er entledigt sich weitestgehend der historischen Bezüge. So verdichtet er den ersten Teil "Wallensteins Lager" auf etwa 25 Minuten und lässt nur zwei Schauspieler agieren. "Die Piccolomini" und "Wallensteins Tod" erzählen den Polit-Thriller um Wallenstein.

Die sprachliche Bearbeitung beruht auf der Strichfassung. Das Versmaß hat Weber beibehalten. In "Wallensteins Lager" erinnert der Knittelvers an modernen Sprechgesang. "Damit sind wir nah an der Alltagskultur, es vermutet bei Schiller nur niemand."

Wallenstein passt in die Zeit. Und das klassische Theater erlebt auch in Düsseldorf in der kommenden Spielzeit eine Renaissance. Schauspielhaus-Intendant Günther Beelitz hat sich um eine neue Faust-Inszenierung bemüht. Wallenstein-Darsteller Horwitz ist dafür, dem Publikum die Auseinandersetzung mit auf den ersten Blick sperrig anmutenden Themen zuzumuten: "In einer Zeit, in der das absolut Belanglose Überhand gewinnt und das Fernsehen vor der niveaulosen Unterhaltung kapituliert, sehe ich in diesen Stoffen die Zukunft des Theaters."

(RP)
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