Düsseldorf Schläpfers Schatten

Düsseldorf · Remus Sucheana, Co-Direktor des "Ballett am Rhein", zeigt beim nächsten Abend eine Choreografie zu Musik von Franz Schubert.

Diese Geschmeidigkeit entwickelt ihren eigenen Sog: Mit einer runden Bewegung schwingen sieben Tänzer ihre Arme über den Kopf, winkeln sie gleich darauf lässig an der Hüfte, gehen in einer Drehbewegung in die Hocke, dann in einen Ausfallschritt, greifen blitzschnell um das gestreckte Bein, drehen sich weiter. Weich, rund, fließend sieht das aus, als seien diese Abläufe nicht erlernt, sondern natürlich, ein plötzlicher Einfall, ein schwereloses Spiel.

Remus Sucheana hebt die Hand, die Musik bricht ab, die wilden Läufe aus Schuberts Trio Nr. 2 Es-Dur, verebben. Kleiner möchte Sucheana die Bewegungen haben, dichter, schneller. Er führt den Tänzern vor, an welchen Stellen sie Raum sparen können, um präzise im vertrackten Takt der Musik zu bleiben. Er ist selbst so lange Tänzer gewesen, sofort findet er die Details, an denen es hakt. "Achtet nicht so sehr auf die Abstände, bleibt bei euch", sagt er - und schon führt er die Bewegung selbst wieder vor, mit minimalem Aufwand, sehr schnell. Nun sind die Tänzer wieder an der Reihe, ihre Arme schwingen, die Drehung beginnt aufs Neue.

Beim nächsten Abend des Ballett am Rhein, "b.35" Ende April, zeigt Ballettdirektor Sucheana zum zweiten Mal eine eigene Arbeit. Sein Debüt liegt ein Jahre zurück. Damals hatte Ballettchef Martin Schläpfer ihn als Ballettdirektor in das Leitungsteam der Kompanie berufen, und Sucheana präsentierte sich mit Schnittkes "Concerto grosso Nr. 1" auch als Choreograf. Inzwischen hat Schläpfer angekündigt, sich ab 2019 auf die Position eines Haus-Choreografen zurückzuziehen, Sucheana übernimmt damit die alleinige Verantwortung in der Leitung des "Ballett am Rhein" und arbeitet zugleich weiter an seiner choreografischen Sprache. Als "physisch" beschreibt er sie selbst, "viele Schritte, viele Drehungen." Sucheana lächelt, natürlich sei er noch dabei, sein Vokabular weiter zu entwickeln, fügt er an. "Wenn ich eine Choreografie beginne, habe ich präzise Vorstellungen davon, was ich sagen will, auch die meisten Bilder und großen Bögen habe ich im Kopf, aber viele Details und Übergänge ergeben sich erst im Probenprozess."

Sucheana hat in seiner Heimat Rumänien Tanz studiert, seine Ausbildung mittels eines Stipendiums in Mannheim fortgesetzt. 1999 ging er als Tänzer zu Martin Schläpfer an das Ballett Mainz, kam mit ihm nach Düsseldorf, zunächst noch als Tänzer, dann wurde er Teil des Leitungsteams. Wie Schläpfer ist Sucheana ein Choreograf, der die Bewegungssprache des klassischen Balletts genau kennt, aufgreift, weiterentwickelt und seine Ideen organisch fließen lässt.

"Natürlich haben mich die Jahre als Tänzer bei Schläpfer geprägt", sagt Sucheana, "ich schätze seine Tanzsprache, möchte pflegen und fortführen, was er hier aufgebaut hat, sonst hätte ich auch an ein anderes Haus wechseln können." Zugleich ist Sucheana dabei, als Künstler seine eigene Ausdrucksweise zu finden. Dass er durch die Veränderungen an der Spitze der Kompanie nun stärker wahrgenommen wird, empfindet er nicht als zusätzlichen Druck. "Mein Druck kommt von innen", sagt Sucheana und klopft mit seiner Hand gegen die Brust, "ich will mit Schubert mehr zeigen als noch bei Schnittke. Ich will immer besser werden, das treibt mich an, auch nach vielen Stunden Probe, wenn der Kopf leer wird."

Sucheana ist nicht nur Direktor der Kompanie, er leitet auch weiter die Ballettschule, erarbeitet auch mit den Nachwuchstänzern gerade eine neue Choreografie. "Dazu noch die bürokratischen Aufgaben, natürlich ist das alles viel", sagt Sucheana, "aber ich brenne für diese Arbeit."

Sucheana stammt nicht aus einer Tänzerfamilie, seine Eltern waren Sportlehrer, er selbst war in seiner Jugend begeisterter Ski-Fahrer. Er liebt das Tempo, das Risiko. Doch dann sah er als Kind im Staatsfernsehen den Mitschnitt einer "Schwanensee"-Aufführung. Und was er sah, fand er so schön, dass er tanzen lernen wollte. "Damals dachte ich, dass man das schnell lernt und im nächsten Augenblick auf der Bühne steht - ich war halt ein Kind", sagt Sucheana. Im Wohnzimmer veranstaltete er für seine Eltern und Geschwister Tanzaufführungen mit Kostümen aus den Kleiderschränken der Familie. Sucheana lacht, als er das erzählt. Doch dann wurde es ernst mit dem Tanz, er bestand die Aufnahmeprüfung an einer von zwei Schulen in Rumänien, musste für die Ausbildung seine Familie verlassen. Da war er neun. "Das war schon hart", sagt Sucheana, der selbst Vater zweier Kinder ist, "aber es war mein eigener Wunsch."

Sucheana hat eine eiserne Ausbildung durchlaufen, doch erst in der Begegnung mit modernem Tanz fand er als Tänzer zu sich selbst. Als "streng, aber nicht pingelig" bezeichnet er sich selbst als Choreograf. Für seine Interpretation des Schubert-Trios wird er fast die gesamte Kompanie auf die Bühne bringen. Ihn reizt der Kontrast zwischen kleiner Besetzung im Orchestergraben und großen Bildern auf der Bühne. Ab 27. April sind sie an der Rheinoper zu sehen.

(dok)
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