Düsseldorf Schnell noch Kunst und dann der Abriss

Düsseldorf · 15 Künstler haben das Franziskanerkloster zum Erlebnisraum gemacht. Nächstes Jahr entstehen dort Büros und Wohnungen.

 Pater Athanasius in seiner ehemaligen, bereits im vorigen Jahr entweihten Kirche. Hinten, in der Apsis, hat der Künstler Piotr Zamojski aus dem Putz stilisierte Buchstaben gehauen, die das Wort "Absenz" ergeben.

Pater Athanasius in seiner ehemaligen, bereits im vorigen Jahr entweihten Kirche. Hinten, in der Apsis, hat der Künstler Piotr Zamojski aus dem Putz stilisierte Buchstaben gehauen, die das Wort "Absenz" ergeben.

Foto: Andreas Endermann

Ein Gotteshaus gilt als feste Burg, als Abbild der Ewigkeit. Wenn ein solch gefühlsbefrachtetes Gebäude dem Erdboden gleichgemacht werden soll, ertönt selbst in unserer sich säkularisierenden Gesellschaft immer noch Protest. Doch manchmal erscheint ein Ende mit Schrecken unumgänglich - zum Beispiel im Falle des Düsseldorfer Franziskanerklosters mitten in der Stadt. Von den einst 20 Ordensbrüdern, die das Kloster betrieben, waren zuletzt nur mehr fünf übrig geblieben - zu wenig, um das Anwesen zu bewirtschaften und die notwendige Sanierung zu beginnen. So wird das 1853 gegründete Kloster samt Kirche Ende dieses Jahres abgerissen, damit ein Investor dort Wohnungen und Büros errichten kann. Der Erlös dieses Verkaufs kommt den rund 350 Mitgliedern der Deutschen Ordensprovinz zugute.

Nun heißt es also Abschied nehmen. Bereits am 1. Advent vorigen Jahres wurde die Kirche entweiht, jetzt ersteht sie überraschend als Kunstort für einen Monat auf. Der Düsseldorfer Verein 701, zahlreiche Sponsoren und vor allem die 15 beteiligten Künstler setzen diesen Schlusspunkt. Damit man sich, wie Franziskaner-Pater Athanasius es ausdrückt, "von diesem Ort verabschieden kann, ohne durch leere Räume zu laufen".

Kurator Michael Voets bietet dem Publikum einen Erlebnisparcours. Man klopfe einmal an die Tür vorn rechts im Kirchenschiff. Dort wird einem weder aufgetan, noch kann man selbst von außen öffnen. Jedoch folgt dem eigenen Klopfen ein Klopfen aus dem Inneren. Immer wieder manchen sich Eingeschlossene durch Pochen bemerkbar - denkt man. In Wirklichkeit hat die Künstlerin Nika Span sich diese interaktive Intervention aus Elektromotor, Holz, Metall, Gummi und Bewegungsmelder ausgedacht, um die Besucher zu irritieren. An anderer Stelle hat sie eine Durchreiche in Gestalt einer Schrankwand so verfremdet, dass sich die hintere Tür schließt, sobald man die vordere öffnet.

In der Apsis hat Piotr Zamojski Putz aus der Wand gehauen und dadurch große stilisierte Buchstaben modelliert, die zusammen das Wort "Absenz" ergeben. Dem Betrachter ist es überlassen, wie er diesen Begriff deutet: als Hinweis auf Entweihung und baldigen Abriss der Kirche, als Verzicht auf materielle Werte im Lebensentwurf des Heiligen Franziskus oder womöglich als Abkehr von den franziskanischen Idealen in der Gegenwart.

Auf dem Boden hat Martin Pfeifle eine riesige silberne Fläche installiert, die das von oben kommende Licht reflektiert und damit nebenbei auch den Titel der Ausstellung rechtfertigt: "Reflexionen - ortsspezifische Arbeiten im Franziskanerkloster". An den Wänden wiederum hat Antonello Curcio die Spuren des bereits abgenommenen Bilderschmucks mit Farbbändern akzentuiert.

Auch Michalis Nicolaides hat sich unmittelbar mit dem Ort auseinandergesetzt. Seine "Slot Machine" ist die alte Kommunikationsanlage, welche die Mönche mit Licht- statt mit Tonsignalen rief, damit kein Laut die besinnliche Stille durchschnitt. Witzigerweise hat der Künstler die altertümliche elektrische Arpparatur in einen einarmigen Banditen verwandelt. Wenn sich beim Spiel mit dem Glück eine bestimmte Konstellation der farbigen Kontrolllämpchen ergibt, belohnt das Gerät seinen Nutzer mit dem Ausdruck eines Bons. Mit den Gewinnern will Nicolaides dann gemeinsam essen gehen - auch dies ein kommunikativer Akt.

Auf der Empore der Kirche schließlich hat Kai Richter ein Skelett in Gestalt eines Baugerüsts errichtet, und Christian Odzuck plant, den Turm des Klosters zu versetzen und als Material für eine andere Arbeit zu nutzen.

Doch nicht einmal dieser Versuch, wenigstens einen Teil des Materials vor Zerstörung zu retten, wird die langjährigen Bewohner und Besucher des Klosters vor dem Schmerz bewahren, der sich stets einstellt, wenn eine Zeit unwiderruflich zu Ende geht. Seit dem 1. Advent vorigen Jahres ist die benachbarte Pfarrkirche Mariä Empfängnis die neue Klosterkirche der Franziskaner. Dort wird die seelsorgliche Arbeit fortgesetzt und künftig auch die Tradition der Essensausgabe. Denn die Franziskaner verköstigen täglich bis zu 200 Bedürftige.

Der Abschied vom Kloster mit Hilfe der bildenden Kunst folgt einem Vorbild. Schon als das Klarissenkloster an der Kaiserstraße im Jahr 2000 schloss und an dänische Zisterzienserinnen überging, setzten Künstler ein Zeichen - damit man sich "von diesem Ort verabschieden kann, ohne durch leere Räume zu laufen".

(RP)
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