Düsseldorf Sein Witz mit Putin zündet doch

Düsseldorf · Im "Kom(m)ödchen" ist "Deutschland gucken" ein Dauererfolg. Martin Maier-Boder hält das Stück ständig aktuell. Wie macht er das?

 Martin Maier-Bode hält das Stück mit frischem Witz aktuell.

Martin Maier-Bode hält das Stück mit frischem Witz aktuell.

Foto: Holger Girbig

Jetzt mal im Ernst: Lustig sein muss nicht immer lustig sein. Lustig sein hat auch etwas mit harter Arbeit zu tun, Martin Maier-Bode ist einer, der sie erledigt. Während andere Leute im Büro Ablage machen oder im Stahlwerk Stahl, macht Martin Maier-Bode einen Witz. Der 50-Jährige steht eigentlich so gut wie jeden Abend auf der Bühne des "Kom(m)ödchens", er ist Teil des Ensembles, das "Deutschland gucken" spielt, den Megahit im Repertoire. Das Stück lebt davon, dass es auf dem neuesten Stand ist, aktuell und zum Schießen. Maier-Bode muss also allein von Berufs wegen immer ziemlich auf Zack sein, nur heute nicht, heute ist er krank.

 Szene aus "Deutschland gucken" mit Maier-Bode (2. v. r.).

Szene aus "Deutschland gucken" mit Maier-Bode (2. v. r.).

Foto: Busch

Vorbereitet hat er sich dennoch, es nützt ja nichts, erhöhte Temperatur hin oder her. Er lese jeden Tag Zeitungen und schaue im Internet nach Neuem, das sie am Abend aufgreifen können, erzählt er. Man kann sich seine Arbeit vorstellen wie die eines Anglers. Maier-Bode fischt im Nachrichtenstrom.

"Deutschland gucken" wird seit Oktober 2014 aufgeführt, es ist das zurzeit beliebteste Stück im "Kom(m)ödchen", in der bald 70-jährigen Geschichte des Hauses hat, glaubt man dessen Leiter Kay Lorentz, kein Programm einen solchen Raketenstart hingelegt. Mehr als 70.000 Gäste haben es bereits gesehen, rund 300 Mal wurde es aufgeführt, also an etwa jedem dritten Tag. Seit kurz vor Weihnachten und die nächsten Wochen wird es wieder gespielt, heute sogar zweimal. Geschrieben haben "Deutschland gucken" Dietmar Jacobs und Christian Ehring, der "Extra 3"-Moderator, sowie Martin Maier-Bode, der es im Tagesgeschäft aktualisiert. Es geht um Dieter, Lutz, Bodo und Bodos neue Öko-Dokumentarfilmer-Freundin Solveig, die zum Fußballgucken verabredet sind, aber dann gibt ein Wort das andere. Es geht um AfD und DFB und BioBio. Maier-Bode spielt den Dieter, einen Durchschnittstypen-Geschäftsmann im Deutschlandtrikot, der vor seinem Chef kuscht und vor seiner Frau auch. Dieter sagt: "Der Letzte, der an so vielen Fronten gekämpft hat wie ich, hat später Blondi im Führerbunker erschossen." Das Publikum lacht ein verschrecktes "Hohoho"-Lachen, findet es aber eigentlich witzig. Nazi-Gags sind eben so eine Sache.

Was immer geht: Beziehungsthemen und Bildungspolitik, sagt Maier-Bode am Mittag vor der Aufführung. Mit Bildung hat jeder so seinen Erfahrungen, der einmal zur Schule gegangen ist, also alle. Man kann sich darum zum Witz ins Verhältnis setzen, Haltung annehmen, im Stück geht es zum Beispiel um den Bildungsetat und die Ausstattung von Schulen, und irgendwann erzählt Dieter, also Maier-Bode, von der Schule seiner Kinder: "Die haben da noch 'nen Globus, der ist eine Scheibe."

Man merkt nun nichts mehr davon, dass der Kabarettist und Autor verschnupft ist, er hat sich reingegroovt, meistens ist "Deutschland gucken" ein ziemliches Schnellfeuer-Theater. Manche Dialoge sind festgezurrt, andere werden in den Minuten vor den Auftritten ergänzt, abgesprochen oder verworfen, ein großes Ding zurzeit: Trump, Putin, die ganze Russland-USA-Kiste mit den Hackern und der Wahl.

Maier-Bode hat dazu etwas vorbereitet, erzählt er, aber er hat ein Problem, er meint, "das rockt hinten raus nicht". Es geht also um die US-Wahlen, die russische Hacker manipuliert haben sollen, und dann nimmt Maier-Bode den Vorgang und überträgt ihn auf die Bundestagswahl kommendes Jahr. "Spätestens wenn am Wahlabend die SPD auf über 50 Prozent kommt, wird man merken, wie gut die Männerfreundschaft zwischen Putin und Schröder wirklich ist." Höfliches Lächeln. "Sehen Sie", sagt Maier-Bode, "zündet noch nicht."

Manchmal entscheidet nur der Rhythmus, sagt er, anderes ist eine Frage des Timings, Überraschung und Übertragung gehörten zum Handwerk. Im schlimmsten Fall ist das Publikum inhaltlich nicht auf der Höhe, Wirtschaftsthemen kann man fast vergessen, zu komplex für ein paar Pointen. Zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin haben sie keinen Witz gemacht, das gehe den Menschen noch zu nahe, sagt Maier-Bode. Ein grundsätzliches Tabu sei Terror allerdings nicht. "Wir haben auch einen Dschihadisten im Programm."

Am Abend bringt er dann den Putin-Witz, er nimmt Anlauf, erklärt noch mal: Trump, Clinton, die Wahl, er stolpert kurz über den Text, fängt sich, dann Schröder und die SPD. Alle lachen. Klappt doch.

(kl)
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