Neues Album der Düsseldorfer Rapper Mit der Antilopen Gang in Bilk unterwegs

Düsseldorf · Die Antilopen Gang hat ein neues Album veröffentlicht. Die Düsseldorfer Rapper sind beim Label der Toten Hosen unter Vertrag.

 Von links: Danger Dan, Panik Panzer und Koljah - die Antilopen Gang aus Düsseldorf.

Von links: Danger Dan, Panik Panzer und Koljah - die Antilopen Gang aus Düsseldorf.

Foto: dpa, mg jai

Seit einigen Wochen fährt die Antilopen Gang durch Deutschland, um ihr neues Album vorzustellen, und immer gibt es dieselbe Frage. "Wir mussten bestimmt schon 20-mal erzählen, welches unser liebster Pizzabelag ist", berichtet Kolja Podkowik, der sich als Rapper Koljah nennt.

Selbst schuld, könnte man entgegnen. Immerhin handelt es sich bei der jüngsten Single "Pizza" um das bis dato gewagteste Pop-Experiment seiner Band, welche vor nicht allzu langer Zeit noch vorrangig in studentischen Kreisen und linken Jugendzentren stattfand. Und nun: eine Lobeshymne auf die friedensstiftende Kraft des belegten Hefeteigs. Während die einen noch doppelte Böden suchen, begnügen sich die anderen einfach damit: Das ist lupenreine Radiomusik. "Manchmal machen wir einfach einen blöden Witz. Und finden das cool", sagt Podkowik.

Zur abendlichen Verabredung am Bilker S-Bahnhof kommt Koljah mit dem Taxi. Die Studentenkneipe "Tigges" ist voller als erwartet. Und so fällt die Wahl auf das anonyme Dämmerlicht des gegenüberliegenden Lokals "Miss Moneypenny". Auch, weil die Mitglieder der Antilopen Gang nun keine unbekannten Gesichter mehr sind.

Ihre Plattenfirma kann das, rund um die Veröffentlichung des zweiten Albums "Anarchie und Alltag", nur freuen. Stand der Bandname vormals eher für ein loses Kollektiv von Solokünstlern, schlossen sich Koljah, Danger Dan und Panik Panzer 2014 zu einer festen Besetzung zusammen - und landeten wenig später bei JKP, dem Label der Toten Hosen. Mit "Aversion" gelang ihnen ein glorreiches Debütalbum, mit "Beate Zschäpe hört U2" der vielleicht größte Hit gegen Rechts seit "Schrei Nach Liebe" von den Ärzten. Kaum hatten sie ihre Zeit als selbstorganisierte Untergrundband überwunden, gehörte ihnen die Nische des Polit-Raps fast alleine. Vom Jugendsender "Joiz" bis zur Online-Ausgabe der "Tagesschau": Alle wollten sie sprechen.

Koljah bestellt sich einen Kakao mit Sahne, dazu Datteln im Speckmantel. Er wirkt geschafft vom erneuten Presse-Marathon, aber hochzufrieden. Klar müsse man bei manchen Anfragen kurz innehalten und sich vergewissern, was einem das jetzt bringe. "Letztlich sind wir aber nun mal kamerageil. Und es macht immer noch großen Spaß, wenn alle Leute Lust haben, mit uns zu reden", sagt er. Die ambivalente Haltung, unter der die erste Single "Das trojanische Pferd" entstand, scheint für den Moment überwunden. Über einem bombastischen Instrumental inszenieren sich die Antilopen da als "Quotenrebellen", mit deren Präsenz sich die Medien schmücken - und vergleichen sich mit der RAF-Gründerin Ulrike Meinhof, die bis zu ihrem Abtauchen als bekannte Journalistin im Fernsehen auftrat. Derlei Provokation darf man durchaus als Teil der Strategie verstehen, sich weniger greifbar zu machen. Die Rapper wollen weg von der Wahrnehmung als politische Aktivisten, die nebenbei Musik machen - zurück zum Künstlerdasein mit gewisser Haltung, aber eben ohne eine Bringschuld.

Eine Auseinandersetzung mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus, wie ihn sich manch ein Fan erhofft hat, bleibt aus. Der Name AfD fällt erst gar nicht. "Wir sind kleinteiliger geworden. Wir üben keine allgemeine Gesellschaftskritik, sondern haben beispielsweise eher einzelne Biografien beleuchtet." So etwa in dem Stück "Tindermatch", in dem sich die Lebensläufe des in Berlin aufgewachsenen IS-Terroristen Denis Cuspert und des Pegida-Gründers Lutz Bachmann gegenüberstehen. "Aber es stimmt, dass wir nicht die Muse hatten, einen Anti-AfD-Song zu schreiben, wie ihn jeder macht", sagt Podkowik. "Da habe ich direkt schon wieder Abgrenzungsbedürfnisse."

Stattdessen suchen sie die Inspiration im Privaten. Wie etwa bei "Fugen im Parkett", einer Zusammenarbeit mit Schorsch Kamerun, dem Sänger der Avantgarde-Punkband Die Goldenen Zitronen. Eine schaurig-schöne Suffgeschichte und ein präzise gezeichnetes Eckkneipen-Szenario. "Ich hatte schon immer eine Faszination für solche Läden und hab' mich dort wohlgefühlt", sagt Podkowik. "Es geht uns aber nicht darum, als außenstehende Künstler über diese Leute herzuziehen. Wir nehmen uns nicht davon aus." So entstand der emotionale und musikalische Höhepunkt der Platte - am besten ist die Antilopen Gang, wenn sie knietief mit drinsteckt.

(RP)
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