Susanne Gaensheimer "Kunst kann glücklich machen"

Düsseldorf · Die neue Direktorin der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf steht für Kontinuität. Darüber hinaus will sie die Häuser öffnen und mit anderen Sparten befruchten.

 Kunsthistorikerin Susanne Gaensheimer ist neue Direktorin der Kunstsammlung NRW.

Kunsthistorikerin Susanne Gaensheimer ist neue Direktorin der Kunstsammlung NRW.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Die Nachfolgerin von Marion Ackermann als Direktorin der Kunstsammlung überrascht mit neuen Ideen. Susanne Gaensheimer (50) will die Kommunikation verstärken, die Netzpräsenz erhöhen, neue Besucherschichten in die drei Häuser K 20, K 21 und Schmela-Haus locken. Außerdem denkt sie spartenübergreifend und kann sich vorstellen, Ballett oder Rockmusiker im Museum auftreten zu lassen.

Eine gewisse Kontinuität wird es unter der aus dem Frankfurter Museum für Gegenwartskunst kommenden Kunsthistorikerin am Grabbeplatz, im Ständehaus und in der Mutter-Ey-Straße geben. Aber Gaensheimer wird auch Staub aufwirbeln. Was bisher verpönt war, ist nun in Düsseldorfs gewichtigstem Museum denkbar: Ausstellungen, die das Publikum in Scharen begeistern, sogenannte Blockbuster.

An anderer Stelle wird sie das Publikum fordern mit wissenschaftlich betonten ebenso anregenden wie anspruchsvollen Ausstellungen. Gaensheimer kommt zum 1. September nach Düsseldorf; im Dezember wird sie ihre erste Ausstellung zeigen.

In der Pardo-Bar des K 21 trafen wir Susanne Gaensheimer zu ihrem ersten Interview.

Nehmen wir mal an, Sie dürften in Düsseldorf ein neues Museum bauen. Welche Areale erhielten darin am meisten Gewicht?

Gaensheimer Platz für die Präsentation von Kunst haben wir genug. Man müsste mehr Fläche für andere Formate wie Bildung, Forschung oder Kunstvermittlung einrichten.

Auch für eine andere Kunstvermittlung?

Gaensheimer Ich denke an Interaktion mit ganz verschiedenen Gruppen der Bevölkerung. Besonders wichtig ist auch die Vermittlung im digitalen Raum. Dem Netz gehört die Zukunft, in der wir uns bewegen müssen.

Nun werden Sie aber nur Umbaumeisterin. Brauchen Sie überhaupt die drei Orte, K 20, K 21 und F3 Schmela-Haus?

Gaensheimer Entbehrlich ist keiner, jeder hat seine eigene Qualität. Was wir tun müssen: ihre Profile stärker herausbilden und diese auch stärker kommunizieren.

Werden Sie mit neuen Besen, die ja bekanntlich gut kehren, Staub aufwirbeln?

Gaensheimer Das hoffe ich!

Radikal sein?

Gaensheimer Nein, das ist nicht meine Art. Aber wir wollen ein sehr zeitgenössisches, sehr internationales Programm machen. Dabei kann es passieren, dass das ein oder andere Thema, der ein oder andere Künstler Staub aufwirbelt.

Wie wichtig für die Akzeptanz eines Museums ist das Drumherum wie Café und Shop?

Gaensheimer Sehr wichtig! Der Besucher muss sich wohl fühlen vom ersten Moment an, schon von draußen muss er ins Haus hineingezogen werden. Der Shop muss mit seinem Angebot up to date sein. Wer das Museum betritt, muss sich orientieren können und wissen, was ihn in den einzelnen Häusern erwartet.

In Düsseldorf leben weltbekannte Künstler, die Akademie rangiert unter den Top Five international. Finden die Ihre Beachtung?

Gaensheimer Die Akademie ist einer der größten Trümpfe der Stadt, eine so wichtige Akademie mit ihrer Geschichte und ihren hervorragenden Professorinnen und Professoren. Natürlich auch mit sehr guten Studierenden. Für mich ist es selbstverständlich, hier zusammenzuarbeiten. In Frankfurt haben wir das sehr intensiv mit der Städelschule gemacht. Ich möchte ein festes Format für die Zusammenarbeit entwickeln in der Hoffnung, dass seitens der Akademie Interesse besteht.

Mit Spitzenwerken der Klassischen Moderne alleine kann man heute kein Publikum mehr begeistern, was haben Sie mit der Sammlung vor?

Gaensheimer Sie ist eine der paradigmatischen Sammlungen der westlichen Moderne. Heute, in einer Zeit, in der die globale Perspektive alle Lebensbereiche betrifft und durchdringt, müssen wir das Globale auf die Kunst beziehen und wir müssen fragen: Womit können wir unsere Erzählung der Moderne noch ergänzen?

Wie sieht das dann aus?

Gaensheimer Wir arbeiten in einem Verbund mehrerer Museen und gemeinsam mit der Bundeskulturstiftung an dem Projekt "museum global". Das ist auch ein Forschungsprojekt, für das wir in allen Erdteilen recherchieren. Die Ergebnisse wollen wir Ende nächsten Jahres in einer großen Ausstellung präsentieren. Das wird kein einmaliges Ereignis sein, sondern auch die Grundlage dafür, wie wir in der Zukunft weiterarbeiten mit der Sammlung.

Weckt diese Sammlung überhaupt heute noch Seh-Begehrlickeiten?

Gaensheimer Man muss sehen, wie wir die Sammlung mit ihrer Aura von Unantastbarkeit, die sie zu Recht hat, zugänglicher machen können. Dabei schweben mir Maßnahmen vor wie Reduktion, Gegenüberstellung mit Gegenwartskunst und räumliche Auflockerung. Über allem steht die Frage: Wie kann man diesen sakrosankten Bereich der Klassischen Moderne öffnen? Das Wichtigste für ein Haus wie das K 20 oder K 21 ist die Öffnung. Wir müssen uns öffnen!

Besucherzahlen spielen sicher auch eine Rolle ...

Gaensheimer Die sind wichtig, aber sie dürfen nie das alleinige Argument werden. Wir wollen ein lebendiges Haus haben, ein Museum, in das die unterschiedlichsten Menschen gerne hingehen, in dem wir Programme anbieten auch für Leute, die eher eine Scheu oder bisher keine Gelegenheit zum Museumsbesuch hatten. Aber wir sind natürlich auch für die Menschen da, die immer schon gerne gekommen sind.

In Düsseldorf gibt es Theater für Kinder auf Krankenschein — wäre das auch fürs Museum eine gute Idee, mit jeder U 5-Untersuchung ein Freiticket zu verbinden für einen Besuch oder das pädagogische Programm?

Gaensheimer Eine geniale Idee. Denn Kunst kann unglaublich viel bewirken. Kunst kann glücklich machen. In Frankfurt haben wir sehr erfolgreich Projekte mit Jugendlichen aus sogenannten bildungsfernen Schichten gemacht. Ein Jahr lang liefen diese Projekte, an deren Ende die Jugendlichen selbst eine Ausstellung aus unserer Sammlung kuratiert habe. Die haben eine große Freude an der Kunst entwickelt und gesehen, was die Kunst mit Menschen anstellen kann.

Und die Kinder?

Gaensheimer Die Kinder sind unsere Hoffnung. Ihr Zugang zur Kunst ist noch unverstellt. Eine größere Herausforderung sind die Jugendlichen, die schon viele Vorbehalte entwickelt haben. Das Angebot muss in der Flut der digitalen Medien Sinn machen, es muss etwas entgegensetzen.

Die Landesgalerie sollte in der rheinischen Museumslandschaft ein Flaggschiff sein.

Gaensheimer Die Kunstsammlung NRW spielt in der Tat eine besondere Rolle, und das können wir noch stärker kommunizieren. Ich verstehe das aber nicht als etwas Elitäres. Ich sehe uns als einen Partner für die vielen anderen Häuser nicht nur in Düsseldorf, sondern in ganz NRW. Wir haben so gute Sammlungen hier, öffentliche und private. Dazu die anderen interessanten Kulturinstitute. Ich glaube, man kann viele spannende Synergien schaffen. Gerade in Düsseldorf hoffe ich sehr, dass wir über die Sparten hinweg kooperieren werden.

Schläpfers Ballett tanzt im Ständehaus?

Gaensheimer Das ist gar nicht gesponnen. Ich habe fest vor, die Piazza im K 21 für ein regelmäßiges performatives Programm zu nutzen.

Oder Campino rockt auf der Piazza?

Gaensheimer Ich begeistere mich total für dieses Spartenübergreifende, es ist eine große Bereicherung innerhalb der Grenzen und Formate, die die Kunst manchmal sehr einengen. Es bringt uns gar nicht weiter, in engen Kategorien zu arbeiten.

Das Publikum liebt Blockbuster. Werden Sie den Publikumsgeschmack bedienen?

Gaensheimer Warum nicht? Bei einem so großen und publikumsnahen Haus wie der Kunstsammlung muss man eine gute Balance finden zwischen Ausstellungen, die in der Breite die Menschen ansprechen, und zwischen sehr anspruchsvollen Ausstellungen, die eher auf der wissenschaftlichen Ebene einen hohen Maßstab setzen.

Wird das Programm etwa flacher?

Gaensheimer Wir dürfen auf keinen Fall den hervorragenden Ruf, den dieses Haus seit seiner Gründung im internationalen Kontext genießt, verspielen. Wir haben ja sehr viel Ausstellungsfläche in zwei Häusern auf verschiedenen Ebenen, so dass genug Raum ist, beides zu tun.

Sie verlassen in Frankfurt ein gut bestelltes Haus. Was war am Ende ausschlaggebend dafür, dass Sie in Düsseldorf zugesagt haben?

Gaensheimer Wir haben uns als Familie sehr lange Zeit gelassen, und es war ein langer, schöner Prozess mit der Findungskommission. Ich hatte gar keinen Grund, aus Frankfurt wegzugehen. Aber es wurde mir klar, dass die Kunstsammlung ein ungeheures Potenzial hat. Dazu bietet sie eine perfekte Bühne für lebendige Kunstvermittlung, vielleicht die perfekteste in Deutschland.

Was muss das Museum heute und in Zukunft leisten?

Gaensheimer Das ist eine Frage, mit der ich mich in Frankfurt intensiv beschäftigt habe. Was muss das Museum heute für ein Ort sein und für wen müssen wir da sein? Wer ist unser Publikum und was bedeutet das für unsere Arbeit im 21. Jahrhundert?

Museumschefs sind heute Manager mit hart getaktetem Zeitkorsett. Den Verlust von Weichheit haben Sie mal in einem Interview beklagt. Eine bittere Erkenntnis.

Gaensheimer In der Funktion als Leiter einer großen Institution ist man sehr öffentlich, vielerlei Erwartungshaltungen kommen auf einen zu - seitens der Politik, der Freunde und Förderer, des Publikums und der Presse. Man macht nicht nur gute Erfahrungen, so entsteht eine Abhärtung — aber nicht selbstgewählt oder aus einer Attitüde heraus. Ich fände es schöner, wenn das nicht nötig wäre und versuche, es in meinem engen Umfeld anders zu machen.

Sie meinen die Mitarbeiter?

Gaensheimer Kein Museum ist das, was es ist, ohne seine Mitarbeiter. Man muss versuchen ein Haus so gestalten, dass jeder an der Arbeit Freude hat. So kann man im unmittelbaren Kontext zumindest versuchen, das Thema Härte durch Offenheit, Kommunikation und Motivation zu ersetzen. Ich möchte Menschen Raum lassen zur Entfaltung. Ich glaube, das ist mir in Frankfurt gut gelungen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mit einem Hauch von Wehmut gehen werde.

Wie sieht Ihre erste Ausstellung aus?

Gaensheimer Mein Plan ist der: Es wird im Dezember im K 20 sein, es bewegt sich im Bereich der Nachkriegsmoderne. Es ist eine lebende Künstlerin und keine Europäerin. Wenn das alles so kurzfristig klappt, wäre das ein Traum, den ich schon in Frankfurt hatte. Dann wäre ich glücklich.

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