Düsseldorf Theater der Klänge zeigt neun Jahre Gropius

Düsseldorf · Eine gelungene Premiere feierte das neue Stück des Musik-und Tanztheaters rund um den Architekten Walter Gropius.

 Walter Gropius (Mitte; gespielt von András Sosko) hatte es seinerzeit nicht leicht. Szene aus dem Stück "Der Silberprinz".

Walter Gropius (Mitte; gespielt von András Sosko) hatte es seinerzeit nicht leicht. Szene aus dem Stück "Der Silberprinz".

Foto: Oliver Eltinger

Max Thedy ist außer sich. Die Haare schmierig nach hinten gegelt, sitzt er im Gasthaus Zum weißen Schwan. Gropius, so behauptet er, züchte ein Kunstproletariat heran. "Wer will sowas in Weimar" spottet Thedy - sein Gesicht ist wutverzerrt, der dunkle Schnurrbart zittert bei jedem Wort. "Das Bauhaus wird zum Tollhaus."

In jenem Moment schreibt die Bühne im Collenbach-Saal das Jahr 1919 - eine Zeit, in der längst nicht jeder von den Ansichten des Architekten Walter Gropius begeistert ist. Einer seiner größten Kritiker ist Max Thedy, Künstler und Professor der Kunsthochschule Weimar.

"Der Silberprinz" ist der Titel des neuen Stücks, das das Theater der Klänge nun in Düsseldorf präsentiert. Darin werden die Türen zur Kunstschule Bauhaus geöffnet, die Zuschauer bekommen einen Einblick, wie es in den Werkstätten und Ateliers unter Gropius zuging: wie gefeiert und diskutiert wurde - aber auch, welche Machtkämpfe und Zerwürfnisse es hinter den Kulissen gab. "Silberprinz" heißt das Stück, weil Walter Gropius so genannt wurde; wegen seiner früh ergrauten Haare, und weil er stets einen noblen Auftritt hinlegte.

Der Architekt Walter Gropius wird in der Produktion aus der Sicht von neun Personen charakterisiert: Seine Ehefrauen kommen dabei ebenso zu Wort wie Künstler und Kollegen. Was sich in den neun Jahren Bauhaus unter Walter Gropius ereignet hat, ist in der Inszenierung nicht chronologisch zu sehen - die Handlung wird durch Rückblicke ergänzt. Auf einer Leinwand gibt das Theater der Klänge seinem Publikum eine Orientierung, blendet Jahreszahlen ebenso wie den Ort des Geschehens ein. Es folgt etwa eine Rückblende ins Jahr 1919, als Gropius (gespielt von András Sosko) einst die Ausstellung an der Kunsthochschule mit einem vernichtenden Urteil quittierte: "Fertige Bilder, gefüllte Rahmen, aber für wen eigentlich?" Jener Moment dürfte auch das erste Mal den Unmut des damaligen Professors Max Thedy ausgelöst haben. Gropius' Ansicht, Künstler seien nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Handwerker, lässt bei vielen Unmut schwelen: Gropius wird für Konservative und nationale Sozialisten zum erklärten Antagonisten.

Doch der "Silberprinz" überzeugt nicht nur mit lautem Krawall: Selbst in wortlosen Dialogen - etwa bei den Treffen zwischen Gropius und seinen Frauen - schaffen die Darsteller es, eine Spannung zwischen den Figuren aufzubauen. Kaum vorstellbar, dass es nur sechs Schauspieler sind, die die zehn Hauptrollen und zahlreichen Nebenrollen mit Leben füllen.

Auch bloße Requisiten werden in "Der Silberprinz" zu Bedeutungsträgern. Wenn Alma Mahler im Streitgespräch mit Gropius zu den Abschminktüchern greift, ist es zugleich ein Moment der Demaskierung. Derart bloßgestellt kommen der Grande Dame die Tränen über ihre Trennung. Kleine Bauklötzchen zeigen hingegen, in welcher Beziehung die Künstler zu Gropius stehen: Die einen stoßen sie um, Künstler Moholy aber schafft aus ihnen ein neues Gebilde. Es ist jener Moment, in dem sein Potenzial erkannt wird. Und Gropius schlägt ihn als seinen Nachfolger vor.

In charmanter Art schafft es das "Theater der Klänge", das Publikum zu Akteuren des Stücks werden zu lassen. Denn während Reden gehalten werden, etwa wenn Walter Gropius die erste Bauhausausstellung eröffnet, mischen sich die Darsteller unter die Zuschauer und befeuern die Rede des Architekten mit Beifall, Lachern oder Zwischenrufen. So wird das Publikum Teil der Zuhörerschaft um 1923 - es kann auch passieren, das Gropius höchstselbst neben einem Theatergast sitzt.

(ubg)
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