Düsseldorf Beim "Gustaf" entscheidet das Publikum

Düsseldorf · Bis Ende der Spielzeit kann abgestimmt werden: von "Königsallee" im Großen bis zum Dauerbrenner "Tschick" im Jungen Schauspiel.

 Aufrüttelnd: Louisa Stroux als Drohnenpilotin in George Brants Einpersonenstück "Am Boden". In der Kritik war zu lesen: "Stroux lässt den Zuschauer in ihr Krieger-Leben hinein."

Aufrüttelnd: Louisa Stroux als Drohnenpilotin in George Brants Einpersonenstück "Am Boden". In der Kritik war zu lesen: "Stroux lässt den Zuschauer in ihr Krieger-Leben hinein."

Foto: S.Hoppe/Schauspielhaus

Manch preisverdächtiger Mime steht gar nicht mehr auf der Bühne, wenn es jetzt ins Finale der Spielzeit und um das Abstimmen für den "Gustaf" geht: Nicole Heesters etwa, die die Staatsanwältin in Schirachs dauerausverkauftem Stück "Terror" gibt. Oder Anna Kubin, die als eine der "Sisters of Swing" mit Bäuchlein bei der Premiere glänzte. Heesters hatte in ihrer Heimatstadt Hamburg einen Unfall und wird von Manuela Alphons würdig vertreten, bis sie aus der Reha zurückkehrt. Kubin war schwanger und hat mittlerweile ein gesundes Baby zur Welt gebracht. Ihre Rolle wurde von Tanja Schleiff übernommen.

Die "Sisters of Swing" gehören wie die "Comedian Harmonists" und "Terror" zu den Bestsellern der Saison. Bei laufendem Betrieb sind die Damen und Herren mit dem ganzen Stab vom Gustaf-Gründgens-Platz ins Central am Bahnhof umgezogen. Im Jungen Schauspielhaus hingegen standen keine größeren Umzüge an. Aus der vergangenen Spielzeit zieht immer noch Herrndorfs Jugendstück "Tschick" die Massen an - dies entspricht wie bei "Terror" einem bundesweiten Trend. Und Philip Schlomm in der Titelrolle fasziniert nach wie vor die jugendlichen Zuschauer.

Anlässlich der "Gustaf"-Wahl rufen wir noch einmal die Stücke in Erinnerung: 16 Premieren waren es seit August 2015, von "Königsallee" bis zu "Die Nibelungen", die morgen Premiere haben. Zwei stehen dann noch an: "Wir sind keine Barbaren" (19. März) und "Biografie: Ein Spiel" (8. April). Im Jungen Schauspiel waren es seit der Spielzeiteröffnung mit "Was das Nashorn sah, als es über die andere Seite des Zauns schaute" sechs Premieren. Die letzte folgt am 3. April. "Die Kunst vom Fallen und Fliegen".

Großes Haus/Central

Zum Saisonstart gab es mit "Königsallee" nach Hans Pleschinskis Roman eine Uraufführung. Das Stück greift eine Episode auf, als Thomas Mann und Ehefrau Katja 1954 Düsseldorf besuchen. In den Hauptrollen: Reinhart Firchow (Thomas Mann), Harald Schwaiger, Tanja von Oertzen, Stefanie Rösner, Jakob Schneider. Darauf folgte ein zweiter Stoff mit Düsseldorf-Bezug: "Mephisto", Klaus Manns Geschichte seiner Kunstfigur Hendrik Höfgen: ein pralles Stück Theater mit Moritz Führmann in der Titelrolle.

Mit den "Comedian Harmonists" kam die erste musikalische Erfolgsproduktion der Spielzeit auf die Bühne: Ein Gesangsensemble erobert die Welt und zerbricht im Nazi-Deutschland. Viel Applaus gibt es für die hervorragenden musikalischen Schauspieler Moritz von Treuenfels, Dominik Raneburger, Andreas Helgi Schmid, Heisam Abbas, Danny Exnar, Lutz Wessel, Benjamin Hoffmann, Robert Reichinek.

Kurz nach der Uraufführung zeigt auch Düsseldorf Ferdinand von Schirachs erstes Theaterstück "Terror": ein Gerichtsdrama, an dessen Ende das Publikum allabendlich über schuldig oder unschuldig entscheidet. Mitwirkende sind Wolfgang Reinbacher, Moritz von Treuenfels, Andreas Grothgar, Nicole Heesters/Manuela Alphons, Lutz Wessel, Viola Pobitschka.

In der Folge wurden Klassiker geboten wie "Der Hauptmann von Köpenick" mit Tilo Nest, Daniel Fries, Stefanie Rösner, Moritz Führmann, Katharina Lütten, Harald Schwaiger, Hanna Werth, Gregor Löbel, Konstantin Bühler, Dominik Raneburger, Marcus Calvin, Markus Danzeisen. Dann gab es die Premiere von Goethes "Faust" mit Stefan Hunstein in der Titelrolle und Katharina Lütten als Gretchen. Im Anschluss Bertolt Brechts Parabel über die Nazi-Diktatur, "Der aufhaltsame Aufstieg der Arturo Ui". Heisam Abbas gibt darin den Gangsterboss. Als Gastspiel erlebt man in Düsseldorf "Die Wupper", eine Koproduktion mit dem Theater an der Ruhr, mit Roberto Ciulli auf der Bühne.

Am morgigen Freitag haben "Die Nibelungen" Premiere in der Version nach Friedrich Hebbel; Heisam Abbas gibt den Siegfried, Tanja Schleiff die Kriemhild, Hanna Werth die Brunhild und Moritz Führmann den Hagen. Letzte große Premiere wird Max Frischs "Biografie: Ein Spiel" (8. April) sein, ein Gedankenexperiment darüber, was wäre, wenn man sein Leben noch einmal ändern könnte. Intendant Günther Beelitz führt Regie.

Kleines Haus/Central

Als Publikumshit erweist sich auch die zweite musikalische Produktion, "Sisters of Swing", die Geschichte der ersten Girl-Group der Welt - mit großartigen Leistungen von Klara Deutschmann, Katrin Hauptmann, Anna Kubin/Tanja Schleiff und Thiemo Schwarz als Conférencier.

Es folgten große Bühnenstoffe wie Kafkas "Die Verwandlung" mit Daniel Fries als Gregor Samsa, Bettina Kerl und Jonas Gruber. Danach kam "Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm" von Franziska Walser zur Aufführung mit Jonas Gruber, Heisam Abbas und Andreas Helgi Schmid. In Brechts "Flüchtlingsgesprächen" von 1941 sind Jürgen Mikol und Andreas Weissert die Protagonisten. In Peter Turrinis Psychodrama "Maria und Josef" berühren Manuela Alphons und Winfried Küppers als einsame Menschen am Weihnachtsabend. Bei Brechts spöttischer Satire "Die Kleinbürgerhochzeit" besticht das Ensemble in großer Besetzung - mit Moritz von Treuenfels als Bräutigam und Viola Pobitschka als Braut.

Die zweite Uraufführung der Saison bescherte der Monolog "Klaus Barbie - Begegnung mit dem Bösen". Andreas Grothgar gibt darin den NS-Verbrecher in einem 80-Minuten-Monolog ohne Reue.

Noch zu erwarten ist die Premiere von "Wir sind keine Barbaren" (19. März). Das Weltbild zweier benachbarter Paare gerät ins Wanken, als eine der Frauen einen Flüchtling aufnimmt. Mit Stefanie Rösner, Jonas Gruber, Bettina Kerl und Dirk Ossig.

Drei Soloabende mit großartigen Leistungen stehen neben "Barbie" auf dem Spielplan: Louisa Stroux in "Am Boden", Moritz Führmann als "Felix Krull" und Wolfgang Reinbacher mit seinen Balladen "Ewig jung ist nur die Phantasie".

Junges Schauspielhaus

In der "Gustaf"-Extrasparte wird das Junge Ensemble bewertet, der Beste oder die Beste in allen bisherigen Produktionen wird gesucht. Am Samstag steht noch die Premiere von "Der Junge mit dem Koffer" an. Zum Ensemble gehören Lisa Balzer, Julia Dillmann, Maelle Giovanetti, Julia Goldberg, Jasmina Music, Nora Pfahl, Jonathan Schimmer, Philip Schlomm, Bernhard Schmidt-Hackenberg, Besnik Selimaj, Alexander Steindorf, Dominik Paul Weber und Teresa Zschernig.

Schwer zu sagen, wer den "Gustaf" gewinnen wird angesichts der schauspielerischen Leistungen, die in Günter Beelitz' letzter Spielzeit zu erleben sind. Das Publikum entscheidet, am 11. Juni wird gefeiert.

(RP)
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