Düsseldorf Tierisches Karnevalskonzert mit Bully Herbig

Düsseldorf · In der Tonhalle traten ein schizophrener Löwe, eine avantgardistische Nacktschnecke und eine übellaunige Presse-Laus auf.

Warum eigentlich sind Tierkostüme so beliebt im Karneval? An der Steigerung der Attraktivität kann es kaum liegen. Auch das karnevalistische Vortäuschen feudaler Karrieren oder amtlicher Würden - Prinzessin, Polizist, Chirurg - fällt für Tierkostüme aus. Sind vielleicht die Klischees tierischen Verhaltens so attraktiv für die Jecken? Das wäre doch mal eine schöne Frage für ein philosophisches Symposium unter dem Vorsitz von Peter Sloterdijk (als Seelöwe) mit Michel Houllebecq (als Fledermaus) und Slavoj iek (als slowenischer Braunbär)?

In der Tonhalle konnte man nun beim Karnevalskonzert sein zoologisches Grundwissen um einige Arten erweitern. Schon der Komponist Camille Saint-Saëns hat in seinem "Karneval der Tiere" neben Elefanten, Kängurus und Schildkröten auch die Pianisten in seine musikalische Menagerie eingereiht, die vor Humor und Klang-Fantasie nur so sprüht. In der Tonhalle spendierte Saint-Saëns' "Karneval" nun noch ein launiges Vorspiel: Die erste Hälfte des Abends, der auf der Bühne von einer Schar riesiger Steiff-Stofftiere eskortiert wurde, widmete sich Tieren, die von Saint-Saëns vergessen wurden. Tonhallen-Dramaturg Uwe Sommer-Sorgente (als Ratte) stellte sich vor als Vereinsvorsitzender "der von Camille Saint-Saëns nicht vertonten Tiere" und präsentierte mit Orchesterdirektorin Babara Fasching (als Papagei) eine alternative Menagerie: Die Düsseldorfer Symphoniker in Kammermusikbesetzung begleiteten, ergänzt vom Klavierduo Sarah Koch & Karla Haltenwanger, die Tenöre Cornel Frey und Florian Simson bei Rossinis näselndem "Katzenduett" und Kreislers bösem "Tauben vergiften im Park". Mitten hinein in die Anmoderation des Lieds von der Reblaus platzte dann hoher Besuch ins Auditorium: Prinz Hanno I. und Venetia Sara stürmten mit Hofstaat die Bühne, der Prinz erzählte von eigenen musikalischen Versuchen und verlieh dem mit Strizzi-Bart und fetten Arm-Tattoos kostümierten Intendanten Michael Becker einen Karnevalsorden.

Nach der Pause enterte dann der lang erwartete Star die Bühne: Michael "Bully" Herbig brauchte nur Sekundenbruchteile, um den Saal in der Hand zu haben. Herbig tänzelt traumwandlerisch sicher auf dem schmalen Grat zwischen plakativem Effekt und feinsinnigem Schmunzeln, sein Humor ist delikat, aber nicht kabarettistisch verschraubt. Um Saint-Saëns' Orchestersätze hat der Komiker witzige und ganz heutige Texte geschrieben, die er nun vielstimmig und mit brillantem Timing zum Besten gab. Herbig ist versierter Synchronsprecher - geübt im virtuosen Umschalten zwischen Stimmlagen und Dialekten - und umreißt mit wenigen Sätzen kleine Szenen. Wie etwa die mit der "nicht mehr ganz tau-frischen" Gans, die seine Hoheit den Löwen erkennt und anspricht, woraufhin der Pinguin einschreitet und den König abschirmt, wobei dieser - offenbar schizophren - sich wundert: "Ja gut. Moment amol, i bin der Kaiser" - natürlich im Beckenbauer-Tonfall.

Bei Herbig kostümieren sich auch manche Tiere: Das Wildschwein als Sparschwein und ein Beuteltier als Dalai Lama. Darüber hinaus gibt es eine für Avantgarde-Performance begeisterte Nacktschnecke, eine übellaunige Presse-Laus und was sich sonst noch wortwitzig anbietet. Großer Jubel, etliche Zugaben.

(RP)
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