Düsseldorf Tragikomödie über zwei Betrogene

Düsseldorf · Bei der Premiere von "Lotti und Lilya" in der Komödie bot der Schlagabtausch der Schauspielerinnen viele Momente zum Lachen.

Kuhglocken-Gebimmel, herzige Jodler und Entengeschnatter rollen für "Lotti und Lilya" in der "Komödie" einen heiteren Klangteppich aus. Doch der Schein trügt. In einem sonnigen Café mit Panoramablick auf den Wolfgangsee treffen zwei Frauen aufeinander, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten -die sarkastische Lilya (Marianne Rogée) und die verhuschte Lotti (Christiane Hecker).

Das zunächst etwas zähe Gespräch kreist um ihre verstorbenen Männer, und auch dabei treten die Kontraste deutlich hervor. Lilya weint dem Mistkerl, der sie über Jahrzehnte betrogen hat, keine Träne nach. Was ihm gehörte, hat sie weggeworfen.

Lotti dagegen bewahrt alle Andenken an den geliebten Mann auf und ist in ihrer Trauer gefangen. Bei der Rückkehr an den See überwältigen sie die Erinnerungen an viele schöne gemeinsame Urlaube. Mit der gottgläubigen "meschuggenen Strickliesl" geht die kapriziöse Jüdin Lilya nicht gerade zimperlich um. Erst recht nicht, als sie von deren Vergangenheit als BDM-Gruppenführerin erfährt. Aber noch ahnen sie beide nicht, wie verstörend die Zufallsbekanntschaft sich entwickeln würde.

Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, als sich die beiden Frauen erneut begegnen - diesmal am Grab von Benno auf dem jüdischen Friedhof. Dort legt die erzkatholische Lotti ein Kreuz auf Tannenzweigen nieder und umschlingt den Stein mit einem selbst gestrickten Schal. Im gleichen Moment erscheint die Witwe. Sie erfasst sogleich die Zusammenhänge und blickt zum ersten Mal der verhassten Rivalin von einst in die Augen. "Verlogenes Miststück" zischt sie ihr entgegen. Doch schon bald flammt eine Erkenntnis in ihr auf, die sie milder stimmt: "Sie sind eine Frau, die um ihr Leben betrogen wurde. Genau wie ich."

Nach der Uraufführung in Wien (2012) wird "Lotti und Lilya" erstmals auf einer deutschen Boulevardbühne gespielt. Autorin Katrin Ammon geht ihre Tragikomödie bedächtig an. Anfangs plätschern die Dialoge und Monologe allzu harmlos vor sich hin, viele Formulierungen wiederholen sich.

In dieser Phase muss sich das Stück ganz und gar auf die Schauspielerinnen stützen. Und auf die ist auch Verlass. Marianne Rogée, elegant im Leoparden-Look wie im Kostüm, vermag mit einem Blick oder einer Geste ihr Publikum zu betören. Man nimmt ihr ab, dass sie, die "unpraktische, eigensinnige Frau", neben ihrem Hallodri seelisch verkümmern musste. Man teilt ihre unerfüllten Träume und Sehnsüchte und versteht sogar ihre Boshaftigkeit.

Christiane Hecker gibt der braven Lotti die Konturen einer Frau, die sich ohne Widerspruch bis zur Selbstaufgabe zurücknahm, um dem vergötterten Mann zu gefallen.

Nach der Pause gewinnt die Inszenierung von Michael Greiling deutlich an Fahrt. Die Dialoge werden geschliffener, die Pointen bissiger. Ehefrau und Geliebte spüren ihrer schicksalhaften Verbindung nach. Alte Wunden brechen auf, insbesondere bei der gebeutelten Lotti, die sich in einem furiosen Finale ihres verlogenen Lebens bewusst wird. Christiane Hecker spielt ihre Wut lustvoll aus und befreit sich von dem drückenden seelischen Ballast.

Doch bei aller Tragik gibt es auch viel zu lachen. Bis hin zum beschwingten Ende, bei dem sich zwei ebenbürtige Frauen in die Arme fallen. Den fabelhaften Schauspielerinnen bei ihrem Schlagabtausch zuzuschauen, ist ein reines Vergnügen.

Bei der Premiere wurden Marianne Rogée und Christiane Hecker unter großem Jubel gefeiert.

(RP)
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