Düsseldorf Was bleibt von Joseph Beuys?

Düsseldorf · Vor 30 Jahren, am 23. Januar 1986, starb der Künstler, auf den sich viele berufen. Um sein Werk ist es still geworden. Das hat Gründe.

Joseph Beuys.

Joseph Beuys.

Foto: Evers

Ob sich Beuys' Werke in Museen wohlfühlen? Zur Kunst des vor 30 Jahren gestorbenen Joseph Beuys gehörte immer auch er selbst. Wer ihn beobachtete, wie er auf der "documenta 6" im Jahr 1977 fürsorglich seine Honigpumpe schmierte und fünf Jahre später bei der Vorbereitung der Berliner Ausstellung "Zeitgeist" an seine aus einem Lehmhügel, aus Werkbänken und Elektromotoren bestehenden "Hirschdenkmäler" letzte Hand anlegte, dem war klar: Da war es jemandem ernst mit seiner Sache. Und es war Beuys wichtig, dass jeder sie verstand.

Nicht nur für seine Studenten an der Düsseldorfer Akademie, auch für die Besucher seiner Ausstellungen nahm er sich Zeit. Er strebte stets danach, möglichst viele Menschen mitzunehmen in die Welten, die er mit kargen Materialien entwarf. Schultafeln, Batterien, Schlitten und Reagenzgläser, ja sogar alte Schokolade und abgeschnittene Zehennägel verwandelten sich unter seiner Hand zu Kunst. Filz und Fett wurden zu bevorzugten Werkstoffen: in Kruzifixen aus Filz, an fettbestrichenen Stühlen.

Vieles davon lässt sich heute in Museen bestaunen, in Düsseldorf vor allem in der zurzeit geschlossenen Schausammlung der Kunstsammlung NRW mit ihren Werken aus der Sammlung Ulbricht und im Museum Kunstpalast. Wer dort Beuys' Kunst begegnet, dem wird stets einer fehlen: der Künstler selbst, der die Werke erst beleben würde. Denn diese Kunst entstand zu einem beträchtlichen Teil aus Aktionen und Happenings. "Fluxus" hieß damals das Zauberwort. Heute vermitteln nur noch Filme und im glücklichsten Fall persönliche Erinnerungen diese bewegten Zusammenhänge.

Sie sind auch die Antwort auf die Frage, die sich 30 Jahre nach dem Tod des Künstlers stellt: Was bleibt von Beuys? Vor allem bleibt jener Film von 1965, in dem Beuys mit Blattgold-Gesicht einem toten Hasen Bilder erklärte: der Schamane in Bestform.

Was bleibt, dazu zählen selbstverständlich auch die zahlreichen Zeichnungen und Objekte, die in Museen an Joseph Beuys erinnern, darunter die letzte von ihm selbst eingerichtete, kurz vor seinem Tod entstandene Installation "Palazzo Regale", ursprünglich für das Museo di Capodimonte in Neapel geschaffen, heute in der Kunstsammlung NRW.

Was das alles bedeuten soll, darüber ist viel gerätselt worden. Immer wieder hat man nach Symbolen gesucht. Der Hase als uralte Fruchtbarkeitsmetapher schien rasch gedeutet. Vieles weist darauf hin, dass Beuys Materie und Geist miteinander versöhnen wollte. Er setzte die Naturmaterialien, die er benutzte, in Beziehung zur Sinneserfahrung, stellte mit Hilfe aneinandergereihter Basaltblöcke Strömung dar, mit Filz Wärme. Dabei neigte er zuweilen zur Mystifizierung.

Wenn Beuys behauptete, jeder Mensch sei ein Künstler, meinte er damit, dass in jedem Kreativität angelegt sei, ob er nun Künstler oder Bäcker ist. Und dass es im Leben darum geht, das aus sich herauszuholen, was in einem steckt. Beuys war Romantiker und wie die Romantiker ein Metaphysiker, dazu ein Verfechter der Freiheit. Schöpferkraft, wie er sie verstand, kann sich nur in einer freien Gesellschaft ausbilden. Ideologien lehnte er ab.

Wenn Beuys seinen Weg ging, stieß er vielfach auf Widerstand. Ein zugeknöpftes Publikum pflegte ihn schon deshalb für verrückt zu erklären, weil er ständig Filzhut und Anglerweste trug und aus Abfällen Kunst machte. In der Düsseldorfer Akademie, in der er als Professor lehrte, geriet er in Konflikt mit seinem Arbeitgeber, dem Land Nordrhein-Westfalen. Als er die Hochschule Anfang der 70er Jahre sämtlichen Bewerbern öffnen wollte und zur Durchsetzung dieses Entschlusses mit abgewiesenen Studienbewerbern das Sekretariat besetzte, entließ ihn der damalige nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Johannes Rau fristlos.

Das hat man Rau später oft zum Vorwurf gemacht, obwohl unbestritten ist, dass er aufgrund der Gesetzeslage nicht anders handeln konnte. Gesellschaftsveränderung und Beamtenstatus vertragen sich nun einmal nicht.

Vor 30 Jahren wurde Beuys' Asche der Nordsee übergeben. Als die Kunstsammlung NRW vor sechs Jahren mit ihrer Ausstellung "Joseph Beuys. Parallelprozesse" an ihn erinnerte, schien Beuys dem Bewusstsein der meisten Zeitgenossen schon weit entrückt zu sein. Dabei brauchen wir seine Visionen von einer menschenfreundlichen, gerechten, schöpferischen Welt heute mehr denn je.

(B.M.)
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