Düsseldorf Wer Kunst mag, muss heute nach Flingern

Düsseldorf · Galerien an neun Standorten feiern gemeinsam Eröffnung. Schönewald und Van Horn haben ihre Schau von prominenten Kuratoren einrichten lassen. Nach Flingern eröffnen Philara, "Die Große", Rundgang und Photo-Weekend.

 Der frühere Krefelder Museumschef als Kurator der Galerie: Martin Hentschel hat bei Paul Schönewald "The Human Condition" arrangiert

Der frühere Krefelder Museumschef als Kurator der Galerie: Martin Hentschel hat bei Paul Schönewald "The Human Condition" arrangiert

Foto: Manda Productions

Der Sturm von gestern bot Rückenwind für die allerletzten Vorbereitungen. In Flingern wird bis kurz vor sechs aufgebaut, denn heute Abend, das steht fest, werden die Freunde der zeitgenössischen Kunst die Galerien stürmen, die wie immer als erste im Kunstjahr neue Ausstellungen zeigen. Danach kommt es Schlag auf Schlag im Kalender der Kunst. Nächste Woche schon geht "Die Große" im Museum Kunstpalast mit Beiträgen der Künstlerschaft ins Rennen, am Monatsende zieht der Akademierundgang vermutlich wieder Zigtausende an den Eiskellerberg. Hans Strelow stellt ab nächste Woche in Oberkassel den Düsseldorfer Maler Ulrich Erben aus, Philara eröffnet Anfang Februar mit Barbara Kasten. Und Mitte Februar freut sich Düsseldorf auf das doppelte Foto-Festival - ein Fest der internationalen Fotoszene.

Wer will sich beklagen angesichts solcher Fülle und solcher Qualität? Immer mehr Mühe machen sich einige Galeristen damit, anspruchsvolle Ausstellungen anzubieten, damit sich die Anreise für auswärtige Kunstflaneure lohnt. Sie präsentieren nicht einfach nur Werke ihrer Künstler, sondern stellen Kontexte her und ergänzen damit das reiche Angebot von Museen und Kunsthäusern in der Landeshauptstadt.

Besonders interessant ist die Ausstellung "The Human Condition" bei Paul Schönewald. Der Kunsthändler, Sammler und Galerist hat seinen Nachbarn Martin Hentschel, bis 2016 Museumsdirektor in Krefeld, als Kurator beauftragt, Für Hentschel war das eine tolle Herausforderung, die Künstler seiner Zeit neu anzusehen und aus deren Intentionen heraus ein Konzept zu entwickeln, das trägt. Spaß gemacht hat es ihm auch. Eine beinahe museale Ausstellung mit 50 Werken von 22 Künstlern hat er schließlich aufgebaut - und er konnte dafür aus dem Vollen schöpfen.

Die Namen lesen sich wie ein Who is Who der angesagten Künstlerschaft, Thomas Ruff und Jörg Immendorff sind darunter, Günther Förg, Konrad Klapheck und Reinhard Mucha, Thomas Schütte und Katharina Fritsch - sogar Ewald Mataré taucht mit einer seltenen Druckgraphik auf. Schönewald stellte Hentschel seinen gesamten Bestand zur Verfügung, einige hundert Werke - das, was zu sehen und zu erwerben ist, bewegt sich im Wert zwischen 1400 und 250.000 Euro.

Hentschel, der an der Kunstakademie Meisterschüler war und später Museumsdirektor in Krefeld wurde, hat ein Panorama unserer Zeit eröffnet. Mit dem Titel der Ausstellung, "The Human Condition", bezieht er sich auf das gleichnamige Buch von Hannah Arendt, in dem die Theoretikerin die Grundbedingungen menschlichen Zusammenlebens in Form von Arbeiten, Herstellen und Handeln darlegt, und das in jüngster Zeit angesichts globaler Umwälzungen erneut an Aktualität gewonnen hat.

Wie die Ausstellung vielstimmig vor Augen führt, reagieren Künstler auf derartige Veränderungen mit einem ganz eigenen Sensorium. Hentschel verfügt ebenfalls über eine solche Innensicht. Doch er hat den Künstlerblick mit dem Kuratorenblick vermischt, stellt neue Beziehungen her, indem er Arbeiten verschiedener Künstler in Nähe oder Distanz platziert. "Ohne Zeigefinger", das war ihm wichtig.

Auch Daniela Steinfeld hat für die neue Ausstellung "Volume imaginaire" in ihrer Galerie Van Horn einen Kurator beauftragt. Zum dritten Mal ist es Wilhelm Schürmann, der Künstlerfotograf und Sammler ist. Werke von Lucia Bru, Marina Faust, Ulrike Schulze - zum Teil aus seiner Sammlung und eigene Arbeiten hat er mit ausgesuchten Positionen zusammengebracht. Von der Poststraße in die Ackerstraße gezogen ist Rupert Pfab, freilich ein alter Hase unter den Galeristen. Er hat schon das kommende Photo-Weekend im Sinn und den Fotografen Timm Rautert eingeladen. Bekannt ist er durch seine bildanalytische Fotographie, seine Künstler-Porträts und journalistische wie lehrende Tätigkeit. "Ist die Fotografie ..." heißt die Schau, die den Zyklus "Crazy House" vorstellt, der 1974 in dem gleichnamigen Pariser Club fotografiert wurde.

Von Köln zog es die Galeristin Linn Lünn nach Düsseldorf, damals wegen der lebendigen Kunstszene. Sie hält Man Ray und René Magritte zur Eröffnung vor. Eine Gruppenausstellung gibt es bei Konrad Fischer mit dem Debüt von Louisa Clement. Petra Rinck zeigt "Drop Shadow" des Künstlerduos Astali/Peirce, die Galerie Conrads stellt die Berliner Malerin Tanja Rochelmeyer vor. Bei Kadel Willborn sollen Skulpturen von Inge Mahn den Raum in Schwingung versetzen. "Polarloops" nennt Michael Cosar die Schau mit dem Fotografen Martin Klimas, die heute eröffnet wird.

An einem Abend ist das alles kaum zu schaffen. Trotz Rückenwinds. Über die nächsten Wochen sind weitere Rundgänge Galeriebesuche und Kunstkäufe möglich.

(RP)
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