Düsseldorf Wer zum Mond guckt, sieht die Welt

Düsseldorf · Marion Poschmann bekam jetzt den zum 17. Mal vergebenen und mit 20.000 Euro dotierten Literaturpreis der Stadtsparkasse. Ihr Laudator Hubert Winkels lobte sie für ihren literarischen Blick auf entlegene Landschaften.

 Marion Poschmann zwischen Karin-Brigitte Göbel und Michael Meyer von der Düsseldorfer Stadtsparkasse.

Marion Poschmann zwischen Karin-Brigitte Göbel und Michael Meyer von der Düsseldorfer Stadtsparkasse.

Foto: Andreas Endermann

Gerade erst wurde die Lyrikerin Marion Poschmann in Berlin geehrt, da konnte sie in Düsseldorf einen weiteren Literaturpreis entgegennehmen. Vor einem Monat bekam die 47-Jährige den Deutschen Preis für "Nature Writing". Die Auszeichnung wurde zum ersten Mal vergeben, und zusammen mit dem Preisgeld gibt es ein Aufenthaltsstipendium für die Insel Vilm bei Rügen. In Düsseldorf erhielt sie jetzt den zum 17. Mal vergebenen und mit 20 000 Euro dotierten Literaturpreis der Stadtsparkasse. Es ist ihre 30. literarische Ehrung.

"Nature Writing", das passt genau zu Marion Poschmann. Wie genau, zeigte sich bei einer Spotlight-Lesung, mit der die Autorin selbst die Preisverleihung eröffnete. "Ich bin an einem Fluss aufgewachsen", heißt es da, und nach einer Beschreibung der Ruhrauenlandschaft kommt das eigentliche Thema: das Indische Springkraut. Ein sich überall ausbreitender illegaler Immigrant, für die einen Nutz- und Zierpflanze, für die anderen ein Schädling. Die politischen Bezüge sind unverkennbar.

Im Laufe des Abends sprachen Poschmann und ihr Laudator Hubert Winkels noch über eine andere Spezies von Eindringlingen, die aktuell in dieser Stadt für Debatten sorgt. Winkels verwies auf einen Artikel der Rheinischen Post, in dem über Maßnahmen gegen die "Kö-Plage" der Halsbandsittiche berichtet wurde. Nach ihrer Beziehung zu Düsseldorf gefragt, erinnerte sich die in Essen Geborene ganz besonders an Schaufensterbummel mit ihrer Familie auf der nun vogelverdreckten Luxusmeile.

Orte und Landschaften bestimmen das Werk der Lyrikerin. Ihr kann ein Ort, an den es sie verschlägt, gar nicht abgelegen genug sein, hat sie einmal gesagt. Jurymitglied Hubert Winkels: "Und wüsste man das nicht, so könnte man es ihrer Literatur entnehmen, ihrer Aufmerksamkeit für die Details der Landschaft, ihrer Neugier auf das Fremde. Eine Fremde, die schon im nächst Kleinen liegt oder auf dem Mond."

Um unseren Trabanten geht es auch in ihrem aktuellen Essayband "Mondbetrachtung in mondloser Nacht", der zusammen mit der Gedichtsammlung "Geliehene Landschaften" ausschlaggebend für den Düsseldorfer Literaturpreis war. Die Essays sind "Texte, die im Wortsinn etwas bedenken, etwas erwägen", wie es in einer Besprechung heißt. Und weiter: "Jede einzelne dieser Betrachtungen ist eine Schule des Sehens, die uns das Unbekannte, das Geheimnis am vermeintlich Bekannten erschließt."

Warum aber "geliehene Landschaften"? Den Begriff hat Marion Poschmann von einer ihrer Reisen nach Japan mitgebracht. So heißt ein traditionelles Stilelement in der ostasiatischen Gartenkunst. Eine Szenerie außerhalb der Gartenanlage, oft ein Berg oder ein imposantes Gebäude, wird bewusst in die Gestaltung einbezogen. "Nicht anders verfahren Gedichte", sagt die Lyrikerin. Überhaupt sind Gärten, selbst ungepflegte Stadtparks, für sie paradiesische Gefilde. Im Lunapark auf Coney Island bei Manhattan findet sie ebenso viele Inspirationen wie in der finnischen Taiga. Favorit der Orte und Landschaften aber bleibt Japan für sie. Den Tag vor der Preisverleihung hat sie genutzt, um sich im japanischen Teil des Nordparks umzusehen: "Wirklich empfehlenswert."

Ihre eigene Lesung im Forum der Stadtsparkasse hatte ebenfalls Japan zum Thema. Gerade als Marion Poschmann mit einem androgynen Kabuki-Tänzer elegisch auf den Fujijama steigen wollte, klingelte ein Handy im Saal. Lange und sehr eindringlich. Niemand im Saal wollte abnehmen. Dabei war der Anrufer vielleicht Jurymitglied eines neuen Preises für die Autorin Marion Poschmann. Es wäre dann der einunddreißigste.

(RP)
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