Düsseldorf Wie die Abstraktion an die Akademie kam

Düsseldorf · In der Kunstakademie Düsseldorf beginnt heute das Semester. Zum Auftakt läuft eine Ausstellung mit Beiträgen aus der Sammlung an.

 Junge Position: abstrakte Malerei von Silke Albrecht.

Junge Position: abstrakte Malerei von Silke Albrecht.

Foto: Vanessa Sondermann

Eine Ausstellung vor 30 Jahren hieß "Das kann mein Kind auch". Weil Banausen gerne Sprüche wie diesen klopfen, nachdem sie auf Kunst geschaut haben, die sie nicht auf den ersten Blick verstehen können, aber abwerten wollen. Für und wider die abstrakte Kunst wurde mit all den beliebten Argumenten bis hinunter auf Stammtischniveau debattiert. Das Unverständnis hat sich bis heute nicht vollständig verflüchtig. Abstrakte Kunst erscheint vielen Menschen zu kompliziert, zu verschlüsselt, zu rätselhaft. Sie braucht immer einen Beipackzettel, in dem erklärt ist, was der Künstler will - wenn er es denn preisgibt.

 Aus den 1960er Jahren: "Ober- und Unterstadt" von Chris Reinecke.

Aus den 1960er Jahren: "Ober- und Unterstadt" von Chris Reinecke.

Foto: Kunstakademie/Sondermann

Dabei hat die Kunst ihr tiefes Geheimnis im Bild, in der Form, in der Figur, im Ton. Der Betrachter muss Muße mitbringen und seine Sinne auf Empfang stellen. Dann funktioniert das auch mit der Abstraktion. Wie die abstrakte Kunst Einzug in Deutschland hielt, wie sie bis heute maßgebliches Formkriterium der jungen Künstlergeneration geblieben ist, davon berichtet eine aktuelle Ausstellung in der Galerie der Kunstakademie.

Seit 2005 gibt es diese Sammlung, die aus Stiftungen der Professoren und besonders bekannten Absolventen gespeist ist. Ein Hauptwerk erbittet man von jedem namhaften Künstler, in der Regel gibt dieser noch Zeichnungen dazu. Siegfried Gohr hat die Sammlung jahrelang verdienstvoll betreut und die erste Ausstellung in der am Rhein gelegenen Galerie mit Werken von Ewald Mataré veranstaltet. Der Bildhauer aus Aachen, dessen künstlerisches Oeuvre im Rheinland und am Niederrhein präsent ist, steht mit seinem bewegten Beschäftigungsverhältnis für die für Künstler dramatische politische Zeit. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Mataré bereits zum Professor berufen worden, 1933 wurde er gemeinsam mit Paul Klee von den Nationalsozialisten aufgefordert, seine Lehrtätigkeit niederzulegen. Nach dem Krieg kam er erneut an die Akademie und war ein Jahr lang deren kommissarischer Direktor.

Nun, mit dieser ersten Ausstellung kamen noch nicht gerade viele Besucher, denn der neue Ausstellungsort musste erst bekanntwerden. Nach der Pensionierung von Siegfried Gohr hat Robert Fleck die Regie übernommen, der neue Akzente setzt. Vanessa Sondermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kunstakademie, meint, es habe eine Zäsur stattgefunden. "Der Gohrsche Stil ist passée", sagt die Kunsthistorikerin. Während Gohr stets auf chronologische Hängung Wert gelegt hätte, setze Fleck auf Assoziationskraft, paare auch Künstler in einem Raum, die Jahrzehnte trennen können. "Das schärft den Blick", sagt Sondermann.

"Die Erfindung der Abstraktion" hat Fleck die Gruppenausstellung zum Semesterstart provozierend genannt, so als könnte man Abstraktion mal eben erfinden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war der Weg in die neue freie Form längst geebnet. In Düsseldorf hat der Maler Paul Klee die Abstraktion an die Akademie gebracht, der 1931 an den Eiskellerberg gekommen war. Von Klee aus spannt der Kurator den Bogen bis zur Jetztzeit, hat zwei junge Künstler gebeten, sich einzumischen in die Dramaturgie des Abstrakten. Und Fleck hat Leihgaben aus der Kunstsammlung NRW sowie von Galerien hinzugenommen, um das Panorama zu erweitern.

Jeder Raum hat seine eigene Stimmung und Spannung, zu Beginn stehen drei wegweisende Positionen. Es sind zwei Kälbchen von Mataré, fein geformt, wunderbar geglättet in der Kontur, eines aus Marmor, eines aus Stein. In der Blickachse dazu hängt Paul Klees Meisterwerk "Blick in die Ebene". Sehr krass hebt sich davon das magere abstrakte plastische Werk von Norbert Kricke ab. Und diese frühen Arbeiten von Manfred Kuttner, Mitbegründer des "Kapitalistischen Realismus", weisen weit hinaus in die Zukunft.

Mit Staubbildern bricht der historische Bogen, der noch junge Künstler Paul Czerlitzki, Absolvent von Katharina Grosse, hat vier rätselhafte Lochbilder aufgestellt. Ein paar Meter weiter ist es Silke Albrecht, die Neuzeit versprüht. Die Gursky-Elevin arbeitet euphorisch bunt und abstrakt; dass sie Flüssigkeiten zum freien Motiv zusammengießt, macht ihre Malerei wirklich geheimnisvoll.

Den großen Meistern aus Düsseldorf ist Raum gegeben, Gotthard Graubners Kissenbild wurde so niedrig gehängt, wie der Künstler es einst vorgeschrieben hatte. Bei Imi Knoebel gerät man ins Grübeln, ist sein Hartfaserbild überhaupt bemalt oder nur ein Statement? In das Tableau von Blinky-Palermo-Bildern hat sich ein kleines Werk von Helmut Federle geschmuggelt - fällt kaum auf. Raimund Girke, K.O. Götz, Gerhard Hoehme, Albert Oehlen und die furiose Chris Reinecke vervollständigen dieses Düsseldorfer Panorama der Abstraktion. Es ist eine sehenswerte Ausstellung, lehrreich und sinnenfroh zugleich.

(RP)
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