Düsseldorf Wie wir wohnen

Düsseldorf · Das Theaterstück "Quartiere" offenbart dem Zuschauer bedrückende Wohnwelten jenseits des Düsseldorfer "Flairs".

 Die Jugendlichen tragen die Aussagen von Mietern und anderen Bewohnern vor. Manchmal begleitet von Keyboards, manchmal gerappt.

Die Jugendlichen tragen die Aussagen von Mietern und anderen Bewohnern vor. Manchmal begleitet von Keyboards, manchmal gerappt.

Foto: Iskender Koekce

Raus aus dem Theater und rein in die Stadt. So könnte das Motto von Regisseur Ingo Toben und seinem Team lauten. Denn obwohl das FFT sein Stück "Quartiere" co-produziert, betreten die Besucher nicht den Theatersaal. Aber es geht nicht in eines der schicken neuen Wohngebiete, hier gibt es kein "Quartier central" und auch kein "Flair". Es geht zu einem Gebäudekomplex ohne Namen. Für die "new urban stories" geht es dorthin, wo der Traum von schönem Wohnen auf eine harsche Wirklichkeit trifft. Nämlich auf das Gelände auf der Dorotheenstraße in Flingern, wo es Wohnanlagen für die gibt, die auf dem freien Wohnungsmarkt schlechte Karten haben. Dort, in einer über 200 Quadratmeter großen, leerstehenden Wohnung, sind Ingo Toben und sein Team eingezogen und präsentieren eine Collage aus gesprochenen Texten und Musik.

Bedruckte Stoffbahnen teilen den Raum in verschiedene Nischen, wo die Jugendlichen zwischen dreizehn und achtzehn die Aussagen von Mietern und anderen Bewohnern des Geländes per Mikro vortragen, manchmal auf Keyboards begleiten oder rappen. Schon bald merken die Besucher, die sich durch die Wohnung bewegen wie potenzielle Mieter, dass mit jeder neuen sozialen Fall-Geschichte das Unbehagen wächst. Denn sie sind beklemmend, die Schicksale, am liebsten möchte man sie verdrängen.

Toben und sein Team gehen dahin, wo es weh tut, könnte man meinen. Ob nun alle Aussagen objektiv richtig sind oder subjektiv gefärbt, spielt keine Rolle mehr. Ob es nun Verluste, des Partners, des Jobs oder der Gesundheit sind, irgendwann gab es einen Bruch. Wie es den Börsianer in die Obdachlosenunterkunft verschlagen hat, wir wissen es nicht. Ob die Geschichten von Diebstählen und aus dem Fenster geworfenen Fernsehgeräten wahr sind, lässt sich nicht überprüfen. Jedenfalls findet einer: "Hier müssten mal die ("Tatort"-Kommissare) Ballauf und Schenk her." Wir ahnen: weit von der Wirklichkeit entfernt sind sie nicht. Ein Blick aus dem Fenster zeigt auch gegenüber eine Tristesse, die anders wirkt als die Entwürfe zum urbanen Lifestyle in der City. In der Raum- und Klanginstallation auf der Dorotheenstraße berichten die Jugendlichen auch von ihren eigenen Wohnsituationen, von denen schon viele durch Unordnung und frühes Leid charakterisiert sind.

So wandern die Geister früherer Bewohner durch den Raum, ein paar Reststücke deuten noch auf ein früheres Leben hin, Plattenspieler, LP-Hüllen, die Deckenbalken, die jemand schwarz angemalt hat, an der Haustür hängt noch das Namensschild des letzten Mieters. All das vermischt sich zu einem Konglomerat gescheiterter Träume und Lebensentwürfe. Ein paar Fetzen Madonna oder Michael Jackson klingen nach leichteren Zeiten. Oft aber sind es düstere Electro-Sounds, die düstere Storys begleiten. Eine Alternative gibt es im Stockwerk darunter. Hier wird gemeinsam gekocht und gegessen, begegnen sich die Theaterleute, die Jugendlichen und die Besucher, hier werden Freundschaften gepflegt. Aber die Realität hallt nach. Sie würde gerne im Wald leben, erzählt ein Mädchen im Stück. "Mit ganz vielen Tieren. Aber ohne Menschen."

Ingo Toben "Quartiere, new urban stories", Spielstätte Dorotheenstraße 85, weitere Termine: 21. Oktober 2015, 09.30 Uhr, 11 Uhr, 22. Oktober 2015, 18 Uhr, 19.30 Uhr , 25. Oktober 2015, 18 Uhr ,mit Voranmeldung: Tel 87678718. Die Teilnahme ist kostenlos. Nur über eine Treppe zu erreichen.

(RP)
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