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Düsseldorf Zuckerwatte sticht Schweinelunge

Düsseldorf · Der Rundgang an der Akademie zeigt: Die junge Kunst wird extremer und zukunftsgewandt. Neue Professoren sorgen für neue Vitalität.

 Klasse Gregor Schneider: Andrea Marcellier in "Requiem for a while".

Klasse Gregor Schneider: Andrea Marcellier in "Requiem for a while".

Foto: Endermann Andreas

Wie wichtig es ist für die Qualität der Kunstakademie, dass sie stets neue wegweisende Künstler als Professoren beruft, erkennt man beim diesjährigen Rundgang. Das Niveau der Präsentationen ist gestiegen, die Klassen sind vorbildlich organisiert, die jungen Künstler geben Auskunft über ihr Werk. Das Chaos manch vergangener Jahre ist in einer energetischen Kreativität und Bündelung der Kräfte aufgegangen. Vieles entsteht im Miteinander. So gut stand die Akademie schon lange nicht mehr da mit ihrer Nabelschau, an der sich stets mehrere hundert Studierende präsentieren - zum Teil mit ihren Abschlussarbeiten.

 Klasse Marcel Odenbach: Emile von Schlesser in seiner Abschlussperformance "Soap Opera" - ein Raum mit Millionen animierter Seifenblasen.

Klasse Marcel Odenbach: Emile von Schlesser in seiner Abschlussperformance "Soap Opera" - ein Raum mit Millionen animierter Seifenblasen.

Foto: Endermann Andreas

Fernsehteams sind angerückt, man wittert Skandal. Die Journalisten verfolgen den bibbernden Künstler Marco Biermann, der vor dem Eingang ein Aquarium als vorübergehenden Lebensraum aufgebaut hat. Tisch und Stühle sind hinter milchigem Glas auszumachen sowie allerlei Krempel. Gegen 14 Uhr taucht er erstmals unter, ein in Folie verschweißtes Foto von Frau und Kind darf dabei nicht fehlen. Mehr als ein Spektakel soll dies eine existenzielle Erfahrung sein.

 Klasse Hörnschemeyer: Daniel Nehring (l.), Aljoscha Lahner, Swinda Oelke

Klasse Hörnschemeyer: Daniel Nehring (l.), Aljoscha Lahner, Swinda Oelke

Foto: Endermann Andreas

Das Leben, die Existenz, Zukunft und Vergangenheit spielen in vielen Beiträgen eine Rolle. Das kann sehr leise sein, wie gleich zu Beginn des Rundgangs festzustellen ist in der Klasse von Rita Mc Bride. Konstantinos Angelos Gavrias hat schwarz-weiß gearbeitet, sein eigenes Porträt versteckt, lässt es im Weiß durchschimmern, Seite an Seite mit dem Bildnis auf der schwarzen Hälfte der Arbeit. Gavrias steht kurz vor dem Examen, arbeitet meist fotografisch, reizt das Trägermaterial, hier Bütten, aus und manipuliert den Druck. Sehr überzeugend.

 Klasse Dominique Gonzalez-Foerster: Mira Mann (li.) und Anna Roywinder (Klasse Schneider) verteilen Zuckerwatte an Stäbchen. Am Ende hält der Besucher ein Zettelchen in der Hand, auf dem steht: "Ist die Geschichte noch zeitgemäß?"

Klasse Dominique Gonzalez-Foerster: Mira Mann (li.) und Anna Roywinder (Klasse Schneider) verteilen Zuckerwatte an Stäbchen. Am Ende hält der Besucher ein Zettelchen in der Hand, auf dem steht: "Ist die Geschichte noch zeitgemäß?"

Foto: Andreas Endermann

Ähnlich zurückgenommen arbeiten Stefan Bauer und Kai Werner Schmidt (Klasse: Stefan Kürten). In Bauers hybrider Fotografie, die in der virtuellen Dunkelkammer entsteht, spiegelt sich die Abwendung vom Realen zu Motiven des Internets. Das ist an sich nichts Neues, jedoch in einen Fotokasten mit einem Werkzeug als Objekt versperrt. Schmidt, mit dem Bauer derzeit in der Ausstellung "Die Große" eine imposante Doppelwand mit Scannern ausgestattet hat, verlor die Lust an der Farbe, hat in Schwarz-Weiß ein undefinierbares Objekt aufgenommen, das mehr ein schwebender Schatten ist.

Gregor Schneider ist einer der jüngst berufenen Professoren, bei dem man gspannt ist, was der renommierte Künstler als Lehrer weitergibt. Die Ausbeute ist groß: Tatsächlich haben drei Künstlerinnen einen Raum mit Ausgang gebaut, wer hochklettert, landet, das Fenster überwindend, auf einem fünf Meter hohen Ausstieg. Eine Höhle sehen die Künstlerinnen in ihrer Arbeit oder einen sakralen Raum mit Ikonenmalerei. "Requiem for a While" nennen das Yael Kempf, Natalia Drabik und Andrea Marcellier. Die Bodenplatten wurden einzeln per Hand geformt.

Videoarbeiten sind dominant, doch dies ist kein Video. Im zweiten Schneider-Raum bläht eine Lunge ihre Flügel auf, echt ist die, vom Schwein, in einem Kasten animiert, zur Schau gestellt. Eklig oder schön? Unentschieden für Kilian Heindl. Beim Weitergehen glaubt man noch Meter weit, den Geruch in der Nase zu haben. Was eine Einbildung ist.

Das krasse Gegenteil, das Klinisch-Schöne, Artige, Dienende, Zukünftige verbaut die junge Künstlerin Mira Mann interaktiv in ihrer Verkaufsloge für Zuckerwatte. Visionen haben Mann zu ihrer Performance inspiriert, die vier Stunden täglich läuft. Sie studiert bei Dominique Gonzalez-Foerster im dritten Semester. Fast die ganze Klasse, 15 Studierende, haben den Raum im Obergeschoss gemeinsam mit Zukunftsbildern bestückt, Videos, Sounds, Arme, die aus der Wand ragen, und eine Bodenarbeit mit überdimensioniertem Besteck und Bauhausleuchte. In seiner Eigenart fängt dieser ausgefallene Raum jeden ein, und, ohne ein Abklatsch zu sein, erinnert an die faszinierenden farbigen Installationen, die Gonzalez-Foerster vor nicht allzu langer Zeit in der Kunstsammlung NRW präsentierte.

Ganz anders, nicht minder beeindruckend, haben Studierende der Klasse Franka Hörnschemeyer einen Raum mit Kraft, Licht und Farbe aufgeladen. "Erinnert an die Zero-Gruppe", murmeln fachkundige Besucher, die bei den über die Wand tanzenden Lichtern an Otto Pienes Ballette denken mögen. In Wahrheit hat es mit Zero nicht viel zu tun: Der große zerschrundene Kopf aus Aluminium bezog seine Anregung aus der Anatomie, Daniel Nehring hält sich dort gerne auf, ist fasziniert von Präparaten; tatsächlich ist es ein Hohlkopf, der neben der Lichter spendenden spiegelnden Treppe von Swinda Oelke wacht. Wie ein Legespiel formt sich der Boden virtuos aus roten gesägten Einzelteilen - manche stellen sich widerspenstig zum rechten Winkel, Aljoscha Lahner hat ihn gebaut. Professorin Hörnschemeyer gefällt der Raum, der Ergebnis eines Dialogs verschiedener künstlerischer Positionen ist.

Auch Katharina Grosse ist zufrieden. Gerade ist eine Jury Gast in ihrem Malersaal im Obergeschoss. Wie jedes Jahr spürt man stark Grosses Einfluss des ausschweifenden kraftvollen Pinselschwungs auf ihre Studierenden. Auf vier vom Boden bis zur Decke ragende voluminöse Stoffsäulen hat einer fantastische Bilder gemalt, an der hohen Decke kleben kleine Leinwände.

Beim berühmten Kölner Professor für Videokunst, Marcel Odenbach, habe er viel gelernt, sagt Emile von Schlesser, dessen "Soap Opera" im hinterletzten Winkel des dritten Stockes zu finden ist. Man sollte sich diesen Raum, der Schlessers Abschlussarbeit ist, nicht entgehen lassen. Der Künstler als Seifenblasenproduzent ist Veranstalter eines circensischen Spektakels. Im Dunkeln springen die Seifenblasen rund und oval oder breitgedrückt aus dem Boden und verquirlen sich im Sturm der Ventilatoren. Vom Licht beschienen, wird es ein Tanz der Vanitas. Nichts zerspringt so schnell wie Seifenblasen, sagt Schlesser.

Der Rundgang ist so anregend wie lange nicht, ein ganzer Flur mit Abschlussarbeiten aus der Malerei ist seltsam perfekt, doch so soll es sein. Im Flur läuft ein hinreißendes Einpersonenvideo, die Ecke daneben schmückt eine krasse Bodenarbeit.

Auf dem Boden hockt Yiy Zhang. Sie zieht Klebestreifen von einem Ornament. Wie Sisyphos. Nach Studien im Ausland sei sie in Düsseldorf angekommen, ein inspirierender Ort für sie. Ihre Bitte an alle Besucher: Sie sollen schauen, wo die Linie den Boden schmückt, wie sie verläuft. Es ist ihre Lebenslinie. Und wie alles hier: Kunst.

(RP)
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