Prozess in Düsseldorf Lau soll IS-Aussteiger mit 16-Jähriger verheiratet haben

Düsseldorf · Anil O. packt als Kronzeuge gegen die wichtigsten deutschen Islamisten aus. Auch im Prozess gegen Sven Lau soll er Beweise für dessen Verstrickung in den IS-Terror liefern. Außerdem soll Lau ihm eine 16-Jährige als Zweitfrau vermittelt haben. Doch insgesamt belasten seine Aussagen den Salafistenprediger weniger als gedacht.

 Sven Lau im Oberlandesgericht beim letzten Prozesstag am 25. April (Archivbild).

Sven Lau im Oberlandesgericht beim letzten Prozesstag am 25. April (Archivbild).

Foto: dpa, fg pil

Der Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ist noch nicht sicher genug für diesen Zeugen: Anil O. erscheint vor den Richtern wie ein Ebenbild von Schlagersänger Micki Krause — Vokuhila-Perücke, schwarze Brille, angeklebter Schnauzer und getöntes Make-up, im Schlepptau gleich mehrere Personenschützer. Die Plexiglas-Scheibe zwischen Sitzungssaal und Zuschauerraum ist für O. nicht ausreichend. Und singen kann O. auch. Zwar keine Schlager aber dafür islamistische "Naschids", Lieder, die den Dschihad verherrlichen.

Zum Abschuss freigegeben

Der 23-Jährige geständige IS-Kämpfer ist derzeit selbst in einem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf angeklagt. Allerdings tritt er am Dienstag im Lau-Prozess als Zeuge auf. Hier soll O. seinen Teil der Abmachung mit der Justiz erfüllen und umfassend gegen die Spitzen der salafistischen Szene in Deutschland aussagen. O. soll gleich in mehreren Prozessen als Kronzeuge auftreten. Als Aussteiger muss er damit rechnen, auch nach seinem Prozess noch jahrelang im Zeugenschutzprogramm zu leben. Im Gerichtssaal berichtet O. davon, dass er vor seinem Auftritt am Dienstag im Lau-Prozess im Netz zum Abschuss freigegeben wurde. Er gilt als Verräter.

Mutlu Günal, der Anwalt von Sven Lau, will zunächst, dass der Zeuge seine Verkleidung ablegt. Er sei für die Verteidigung nicht als der zu identifizieren, der er vorgibt zu sein. Der Vorsitzende Richter Frank Schreiber weist den Antrag ab. Er führt auch das Verfahren gegen O., in dem vergangene Woche die Anklage verlesen wurde. Das juristische Scharmützel endet in Wutgeschrei zwischen Anwalt und Richter.

Doch O. ist wohl keine so große Belastung für den Salafistenprediger aus Mönchengladbach wie er das künftig für andere deutsche Islamisten sein wird. Denn vieles, was O. vor Gericht erzählt, hat er nur aus zweiter Hand. Die direkten Kontakte zwischen O. und Lau beschränken sich auf eine arrangierte Ehe mit einer Minderjährigen und ein paar Moscheebesuche.

Ehe mit 16-Jähriger aus Österreich

Lau habe ihm die 16-jährige Salafistin aus einem österreichischen Kinderheim als Zweitfrau vermittelt und auch die Ehe besiegelt, sagte der geständige IS-Terrorist vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Als die Ehe nach wenigen Wochen scheiterte und das Mädchen damit drohte, zur Polizei zu gehen, sei dies Lau unangenehm gewesen. "Er hatte Angst, dass es publik wird, dass er Minderjährige verheiratet", sagte der 23-Jährige. Deswegen habe Lau darauf gedrungen, die Ehe rasch und geräuschlos aufzulösen.

Er habe Lau als Dschihad-Befürworter kennengelernt, der sich bemüht habe, zu den IS- und Al-Kaida-Sympathisanten der Szene Kontakt zu halten, sagt O. am Dienstag vor Gericht. Kennengelernt habe er Lau bei der inzwischen verbotenen Koran-Verteilaktion "Lies!".

Man sei darauf hingewiesen worden, bestimmte Themen mit Lau nicht am Telefon zu besprechen. Wenn zu Spendenaktionen für Syrien aufgerufen worden sei, sei allen in der Szene klar gewesen, dass es um Hilfe für kämpfende Islamisten ging. Mit "Brüdern vor Ort" seien Kämpfer gemeint gewesen. Wenn gesagt wurde, dass Spenden das Mindeste sei, was man tun könne, habe dies auch bedeutet, noch besser sei es, selbst nach Syrien zu gehen. Dies habe "Urlaub machen" geheißen.

Abitur mit 1,0

O. war 2015 selbst nach Syrien gegangen und hatte sich dem IS angeschlossen. Dort war der Gelsenkirchener in Ungnade gefallen: "Der IS hat mich und meine Frau gefangen genommen und gefoltert." Erst nach einem Jahr gelang ihm die Flucht in die Türkei. Im September 2016 war am Flughafen Düsseldorf festgenommen worden.

Der 23-Jährige ist nicht auf den Kopf gefallen. Er drückt sich gewählt aus vor Gericht. O. hat Abitur mit einer Durchschnittsnote von 1,0. In Aachen schrieb er sich als Medizinstudent ein, bevor er den Weg nach Syrien antrat.

Lau beschreibt er vor Gericht als sein ehemaliges "Vorbild". Lau gelte in der Szene als "lebendiger Märtyrer", weil er selbst nach Syrien ins Kampfgebiet gereist sei und bereits einmal in Deutschland im Gefängnis gesessen habe. "Viele Personen in der Szene setzen sich immer noch für ihn ein."

(heif)
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