Düsseldorf Lauschangriffe in Tarifzone A

Düsseldorf · Erkan Dörtoluk veröffentlicht die besten Kurznachrichten in einem Buch.

 Erkan Dörtoluk erzählte von seinen Belauschungen.

Erkan Dörtoluk erzählte von seinen Belauschungen.

Foto: C. Trinks

In ein graues Jäckchen mit aufgedrucktem Twitter-Symbol gekleidet, betritt Erkan Dörtoluk die Bühne der Stadtbücherei am Bertha-von-Suttner-Platz. "Liebe Twitterer", eröffnet er seinen Vortrag. "Ich fühle mich geehrt, meine erste Lesung mit festem Boden unter den Füßen zu halten." Bisher ist er nämlich nur in U- und Straßenbahnen aufgetreten. Sonderlich Notiz nehmen davon jedoch nur die wenigsten - der Großteil tippt lieber kleine Kommentare ins Smartphone, die sie dann unter dem Hashtag #bibintim im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichen. Die Sätze werden während der Veranstaltung auf eine Leinwand projiziert. Und das ist auch ganz im Sinne des Redners: Denn Dörtoluk ist der Mann hinter dem Twitter-Account rheinbahn_intim. Mit dem Titel "Du hast mir das Kind gemacht, nicht ich" veröffentlicht er jetzt seine Favoritenliste aus über 2000 Kurznachrichten (Tweets). Er fährt täglich mit dem Düsseldorfer Nahverkehr und hört bei den Gesprächen der Fahrgäste genauer hin. Das ist aber leichter gesagt als getan. "Du musst schon eine richtige Fährte finden", sagte der Autor. Dann veröffentlicht er die besten Zitate. Die Personalien ändert er natürlich: "Schließlich ist es unerheblich, und ich möchte niemanden bloßstellen."

Die Hauptstoßzeiten zwischen 14 und 17 Uhr seien für ihn dabei am erfolgreichsten. Auch variiert das Niveau des Gesprächsstoffes, je nachdem, in welchem Stadtteil er unterwegs ist. "Manchmal verbiegt sich regelrecht mein Gehirn, wenn ich Rechtschreib- und Grammatikfehler übernehmen muss", sagt Dörtoluk. Sein wichtigstes Arbeitsutensil bleibt seine Sonnenbrille: "Für die Leute bist du bemerkenswert unsichtbar, wenn sie deine Augen nicht sehen." In Themengebiete wie Liebe, Gesundheit und Leben fasst er die "Weisheiten des ÖPNV" mit viel Sarkasmus in seinem Buch zusammen, mit denen er seit fünf Jahren seine Anhänger auf Twitter belustigt. Ein schlechtes Gewissen wegen des Belauschens hat er übrigens nicht: Er findet, dass die Leute in der Bahn zu viel von sich öffentlich preisgeben.

(ctri)
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