Vor 60 Jahren tot aufgefunden Leben und Tod der Rosemarie Nitribitt

Düsseldorf · Bis heute gibt die Ermordung der in Düsseldorf geborenen Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt, die auf dem Nordfriedhof begraben ist, Rätsel auf. Vor 60 Jahren wurde sie tot aufgefunden.

Ihr Markenzeichen war ein schickes schwarzes Mercedes-Cabriolet mit roten Ledersitzen. Sie galt als die berühmteste Edelprostituierte der Nachkriegszeit, und ihre Ermordung in ihrer Frankfurter Citywohnung speiste die Schlagzeilen der Gazetten für Wochen und Monate.

Bis heute ist die gebürtige Düsseldorferin unvergessen: Die Edel-Hure Rosemarie Nitribitt verkörperte die sündigen Seiten des Wirtschaftswunders wie kaum eine andere Frau. Vor 60 Jahren - am 29. Oktober 1957 - wurde sie im Alter von 24 Jahren tot aufgefunden. Der Fall ist bis heute mysteriös und ungeklärt. Die "Nitribitt" wäre heute 84 Jahre alt.

In ärmlichen Verhältnissen in Ratingen und Düsseldorf aufgewachsen

Rosalie Marie Auguste Nitribitt hieß sie noch, als sie am 1. Februar 1933 in Düsseldorf zur Welt kam. Und ihr Start ins Leben war alles andere als ideal: Rosemarie, wie sie sich später nannte, kam als uneheliches Kind zur Welt. Ihr Vater soll ein Arbeiter aus Düsseldorf gewesen sein, der keinen Unterhalt zahlte. In ärmlichen Verhältnissen und mit zwei Halbschwestern wuchs sie in Ratingen und Düsseldorf auf. Ihre laut Behördenakten "schwachsinnige Mutter" war oft im Gefängnis, Rosemaries Kindheit und Jugend sind geprägt von einer Odyssee durch verschiedene Heime.

Wie unglücklich sie war, lässt sich sicher daran ablesen, dass sie als schwer erziehbar galt und mehrfach ausriss. Hinzu kommt, dass sie im Alter von elf Jahren, als sie bei Pflegeeltern lebte, von einem 18-jährigen Jungen vergewaltigt wurde. Über dieses Kapitel in ihrem Leben legten alle Beteiligten den Mantel des Schweigens.

Musicalstar Anna Montanaro spielte vor fast 15 Jahren die Edel-Hure im Musical "Das Mädchen Rosemarie". Seither besucht sie regelmäßig auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof das Grab der Prostituierten. Bei der Musical-Version über die Nitribitt war Montanaro gewissermaßen auch Geburtshelferin. Sie bat nämlich den Regisseur und Autor Dirk Witthuhn, Texte für sie zu schreiben.

 Das Grab von Nitribitt auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof.

Das Grab von Nitribitt auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof.

Foto: dpa

Der wiederum las gerade Erich Kubys Roman über Rosemarie Nitribitt und wusste: Das wäre eine Rolle für Anna. Und seit Montanaro damals heraus fand, dass Deutschlands berühmteste Edelprostituierte in der Pempelforter Annastraße aufwuchs, war sie überzeugt: "Das muss was werden." Und es wurde was. Das Stück war ein großer Erfolg - und katapultierte Nitribitts Geschichte nach der Jahrtausendwende noch einmal ins Bewusstsein der Deutschen.

Ihr Tod blieb ungesühnt

Schon als Heranwachsende verdiente Rosemarie Nitribitt ihr erstes Geld mit Prostitution. Später zog sie nach Koblenz, anschließend nach Frankfurt am Main, wo sie - immer noch minderjährig - als Kellnerin und Mannequin arbeitete, sich bald aber wieder für Geld verkaufte. Um jeden Preis wollte sie ihre einfache Herkunft verbergen. Sie lernte Englisch und Französisch, belegte sogar Benimm-Kurse.

Mit Anfang 20 erregte sie Aufsehen mit ihrem Opel Kapitän - ein damals ungewöhnlicher Besitz für so eine junge Frau. Sie machte mit Freiern Urlaub am Mittelmeer. Angeblich erwirtschaftete Rosemarie Nitribitt in ihrem letzten Lebensjahr 90.000 Mark und fuhr einen Mercedes 190 SL, dessen Spur sich nach einer Reihe von Besitzerwechseln in den USA verliert.

Anders die des Mädchens Rosemarie, die am 29. Oktober 1957 endet. An diesem Tag wurde sie mit einer Platzwunde am Kopf und Würgemalen am Hals in ihrer Wohnung gefunden. Ihr Tod, der im Nachkriegsdeutschland den ersten großen Gesellschaftsskandal auslöste, blieb ungesühnt. Zwar gab es einen Prozess gegen einen damals 36-jährigen Handelsvertreter, der neben Hochkarätern aus Politik und Wirtschaft zu ihren Freiern gezählt haben soll. Doch das Frankfurter Landgericht war nicht von der Schuld des Mannes zu überzeugen und sprach ihn 1960 frei.

Auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof beerdigt

Die Beamten ermittelten gegen zum Teil prominente Verdächtige. Darunter waren auch Angehörige der Familie Krupp wie Harald von Bohlen und Halbach, Goebbels-Stiefsohn Harald Quandt, Ernst Wilhelm Sachs und seiner jüngerer Bruder Gunter. Gerüchte, nach denen sie auch hochrangige Kunden aus dem Bonner Politikbetrieb hatte wie etwa den damaligen Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm oder den späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger konnten nicht bestätigt werden.

Auffällig waren die gravierenden Ermittlungspannen der Frankfurter Kripo, die den Verdacht einer planmäßigen Vertuschung nahe legten. Erst 2013 stieß die Frankfurter Polizei in ihren Archiven auf verschollene Dokumente, die viele der Verschwörungstheorien widerlegten.

Rosemarie Nitribitt wurde in ihrer Heimatstadt beerdigt. Die Ruhestätte im Gräberfeld 95 auf dem Nordfriedhof barg aber lange einen unvollständigen Leichnam: Der Kopf der Toten wurde von der Frankfurter Staatsanwaltschaft noch jahrelang als Beweismittel zurückbehalten. Eine Düsseldorfer Ärztin soll die Kosten dafür übernommen haben, dass auch der Kopf der Frau nach 50 Jahren endlich würdevoll bestattet werden konnte.

Die pflegebedürftige Schwester von Rosemarie Nitribitt, Irmgard K., hatte die Behörden inständig gebeten, den Schädel endlich bei ihren sterblichen Überresten beizusetzen. Für die Verlängerung der Grabmiete, die Überführung und die Bestattung des Kopfes hatte es ihr aber am Geld - rund 1800 Euro - gefehlt.

"Die Geschichte von Rosemarie Nitribitt ist weltberühmt"

Am 11. Februar 2008 wurde dann endlich der Schädel Rosemarie Nitribitts unter die Erde gebracht. Die Beisetzung wurde auf Wunsch der Angehörigen um einen Tag vorgezogen, um großen Rummel zu vermeiden. Strahlender Sonnenschein soll die Zeremonie begleitet haben, es war eine kleine Trauergesellschaft, die an das Grab gekommen war. Irmgard, die damals in einem Pflegeheim nahe Düsseldorf lebte, musste sich nach zwei Schlaganfällen in einem Rollstuhl schieben lassen.

Eine grüne Urne wurde durch ein kleines Loch auf den Sarg hinabgelassen, Pater Antonin von den Dominikanern aus der Andreaskirche in der Altstadt sprach. Ob Nitribitts Schwester Irmgard heute noch lebt, ist fraglich. Niemand weiß genau, in welchem Heim sie untergebracht war, das wollte sie wohl genau so.

"Die Geschichte von Rosemarie Nitribitt ist weltberühmt und trotzdem weiß man einfach so wenig über Ihre Person. Das macht für mich den besonderen Reiz aus", sagt Montanaro heute. Zu gerne hätte sie die Nitribitt persönlich kennengelernt, und auch ihre Neugierde in Bezug auf diese Frau reißt nicht ab: "Für mich wäre es sehr interessant, mehr von ihrer Geschichte zu erfahren: War sie glücklich mit dem Leben, dass Sie geführt hat? Oder hätte sie lieber ein anderes Leben gelebt? Und selbstverständlich würde ich auch gerne erfahren, von wem sie umgebracht wurde und ob sie die Person gekannte."

Heute erinnert die Inschrift Rosemarie Nitribitts Grab an eine ehemals heitere Düsseldorferin: "Darum merkte ich, dass nichts Besseres darin ist, denn fröhlich sein und gütlich tun im Leben."

(bpa)
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