Düsseldorf Leukämie durch Infektionen?

Düsseldorf · Blutkrebs ist die häufigste Tumorart bei Kindern. Eine Düsseldorfer Wissenschaftlerin vermutet, dass einer der Auslöser für die Erkrankung die häufigen Infekte im Kindergartenalter sind.

 Julia Hauer forscht zu den Ursachen von Leukämie im Kindesalter. Langfristig will sie nicht nur Kinder vor der Krankheit bewahren, sondern allen Betroffenen dieser Krankheit helfen.

Julia Hauer forscht zu den Ursachen von Leukämie im Kindesalter. Langfristig will sie nicht nur Kinder vor der Krankheit bewahren, sondern allen Betroffenen dieser Krankheit helfen.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Die elektrische Eisenbahn im Eingang der Uni-Kinderklinik ist ein Magnet, kaum ein Moment vergeht, da nicht ein Junge oder Mädchen fasziniert vor den Gleisen steht. Viele dieser Kinder haben kein Haar auf dem Kopf, Folgen der Chemotherapie, denn diese kleinen Patienten sind an akuter Leukämie erkrankt. Blutkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung im Kindesalter. Über die Gründe wurde lange Zeit spekuliert. Nun ist Julia Hauer, Oberärztin und Professorin für Experimentelle Pädiatrische Hämatologie und Onkologie (Bluterkrankungen bei Kindern), diesem Rätsel auf der Spur. Außerdem entwickelt sie mit ihrer Arbeitsgruppe neue Ansätze in der Therapie - eine Forschung, die bundesweit Interesse auslöst.

Im Uniklinikum werden jedes Jahr etwa 100 Kinder mit neudiagnostizierten Krebserkrankungen behandelt, jedes dritte hat akute Leukämie. "Über die Gründe ist nicht allzu viel bekannt", erläutert Julia Hauer. Bisher ging man immer davon aus, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren wie Schadstoffe in der Luft die Krankheit auslösen. "Wir sind davon überzeugt, dass noch etwas Entscheidendes eine Rolle spielt: Infektionen in den ersten Lebensjahren des Kindes." Das könnte die Erklärung dafür sein, dass die meisten Erkrankten zwischen zwei und sechs Jahre alt sind - also im Kindergartenalter, in dem sie ständig eine Erkältung und Husten haben. Im Experiment mit Mäusen hat die Wissenschaftlerin mit ihrem Team herausgefunden, dass die Nager tatsächlich eine Leukämie nur in Verbindung mit einer Infektion entwickeln. Die zentrale Frage, auf die Julia Hauer nun eine Antwort finden will, lautet deshalb: Ist der Auslöser ein bestimmtes Bakterium oder Virus? Oder sind eher die ständigen Infektions-Attacken, die das Immunsystem dauernd schwächen, die Ursache?

Ihre Folgerung: "Wenn man die Erreger kennt, könnte man einen speziellen Impfstoff entwickeln, um häufigen Infektionen vorzubeugen."

Darüber hinaus arbeitet das Forscher-Team an einem zweiten Thema. Grundsätzlich lässt sich Leukämie im Kindesalter gut behandeln, rund 90 Prozent der kleinen Patienten überleben ihre Erkrankung. "Aber bei fünf bis zehn Prozent der Kinder wirken unsere Therapie-Ansätze nicht", so Julia Hauer. Manche von ihnen sterben auch deshalb, weil sie durch die aggressive Chemo-Therapie geschwächt und deshalb anfällig für schwere Infektionen sind. Für diese Kinder will das Team individuelle Medikamente entwickeln, die gezielt nur die Krebszellen, nicht aber gesunde Körperzellen vernichten. Dazu sind aufwendige Tests im Labor notwendig, auch um herauszufinden, welches der heute gängigen 200 bis 300 Tumor-Medikamente für einen bestimmten Patienten das wirkungsvollste ist. Stichwort: personalisierte Medizin.

Um diese Tests zu beschleunigen, unterstützt die Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post die Arbeit der Wissenschaftlerin mit 20 000 Euro. "Davon konnten wir Geräte anschaffen, mit denen wir Wirkstoffe direkt an Krebszellen testen können. Das passiert halbautomatisch und in deutlich kürzerer Zeit." Ihr Ziel ist es, dass von dieser neuartigen Behandlung künftig nicht nur Kinder, sondern alle Leukämie-Patienten profitieren können. "Das ist in Deutschland bisher nicht möglich."

(RP)
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