Frank-Ulrich Wessel (SPD) / Stephan Soll(Grüne) Lieber Sachzwänge als gar keine Macht

Düsseldorf · Die Fraktionsgeschäftsführer haben im nun beginnenden Sitzungsjahr des Stadtrates vor allem ein Thema: den Haushalt.

 Frank-Ulrich Wessel (links) und Stephan Soll: "Es geht nicht um das Verteilen von Milliarden, sondern um das Finden von Millionen."

Frank-Ulrich Wessel (links) und Stephan Soll: "Es geht nicht um das Verteilen von Milliarden, sondern um das Finden von Millionen."

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Wenn das Rathaus ein Schiff wäre, wo wären Sie dann: beim Käpt'n auf der Brücke oder bei den Animateuren am Pool?

Stephan Soll Eher im Maschinenraum. Frank-Ulrich Wessel Ja, das ist ein gutes Bild: im Maschinenraum.

Warum passt dieses Bild am besten?

Soll Im Grunde haben wir die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Betrieb ohne Knarzen und Quietschen funktioniert. Auf der Brücke und am Pool sind unsere Fraktionsmitglieder... Wessel...und für die haben wir eine unterstützende und beratende Funktion.

Wenn der Käpt'n "Volle Kraft voraus" anordnet und damit direkt auf einen Eisberg zusteuert, können Sie ihn vom Kurs abbringen?

Soll Ich würde gerne sagen: Ja. Wessel Ja. Soll Bei den Menschen, die am Ruder sind, gab es bisher keine Situation, in der wir wider besseren Wissens auf einen Eisberg zugefahren sind. Wir haben vielleicht mal ein paar kleinere Eisschollen gestreift. Wessel Wir haben die Eisberge gut umschifft, auch wenn manchmal welche an Stellen auftauchen, an denen man sie nicht vermutet. Aber das ist eben das Wesen der Eisberge.

In dieser Woche beginnt nun das neue Sitzungsjahr. Was liegt auf Ihren Schreibtischen ganz oben?

Soll Der noch nicht vorliegende Haushalt. Wessel Wir müssen uns jetzt angucken, wie wir die Vorhaben aus der Ampel-Vereinbarung angesichts der Haushaltslage umsetzen werden. Diese Schwerpunkte müssen wir jetzt in und zwischen den Fraktionen besprechen, so dass wir die Stadt weiter voranbringen, ohne ihre finanzielle Solidität zu gefährden. Soll Es geht nicht um das Verteilen von Milliarden, sondern um das Finden von Millionen.

Welches Projekt möchten Sie Ende 2015 unter allen Umständen umgesetzt haben.

Wessel Den Haushalt. Wir haben ein strukturelles Ausgaben-Problem, das müssen wir strukturell lösen. Wenn uns das gelingt, haben wir ein riesiges Projekt umgesetzt.

Als Sie beide Ihren Job im Maschinenraum begonnen haben, standen Ihre Fraktionen vor großen Neuerungen, denn sie bildeten mit der FDP erstmals seit 15 Jahren die Mehrheit im Stadtrat. Hätten Sie lieber erstmal in der Opposition angefangen?

Wessel Ich habe direkt mit den Ampelverhandlungen begonnen, und das war spannend und hat auch Spaß gemacht. Mit der Mehrheit gestalten ist wesentlich schöner, als überwiegend "für die Tonne" arbeiten zu müssen. Da kam dann auch keinerlei Sehnsucht nach anderen Zeiten auf. Soll Selbst wenn man jetzt einige Sachzwänge merkt, ist es viel besser, das mitzugestalten, als den anderen bei den Entscheidungen zuzugucken. Es ist ein gutes Gefühl, durch die eigene Stadt zu gehen, und zu sehen, welche Probleme man erkannt und welche Lösungen man auf den Weg gebracht hat.

Der dritte Geschäftsführer der Ampel-Kooperation, Manfred Neuenhaus von der FDP, kennt das Geschäft im Düsseldorfer Rathaus schon seit vielen Jahren. An welchen Stellen nutzt er das aus?

Soll Er hat uns 15 Jahre in der Mehrheit voraus, aber 15 Jahre mit der CDU. Wessel Eine Ampel hat noch niemand von uns gestaltet, da mussten sich alle neu darauf einstellen. Wir haben daraus eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Wir wissen, wie weit der andere in Verhandlungen gehen kann, und respektieren diese Grenzen. Das gibt es kein Gepoker und keine Spielchen. Soll Bisher hat keiner das Bedürfnis gezeigt, zu triumphieren oder den anderen vorzuführen.

Wie sieht Ihre Aufgabe in der Praxis aus?

Wessel Wir arbeiten in unseren Geschäftsstellen in Teams, in enger Zusammenarbeit mit den Fraktionssprechern und den Arbeitskreisen. So werden für die Fachausschüsse die Sachfragen geklärt. So klären wir die Sachfragen und bereiten die Entscheidungen vor. Soll Für den Stadtrat und auch in den Ausschüssen scannen wir frühzeitig, was die kritischen Punkte werden könnten, und versuchen dazu Einigungen in unseren Fraktionen und in der Ampel herbeizuführen. Wessel Und manchmal tauchen dann doch die unerwarteten Eisberge auf, da kann man noch so gut vorbereitet sein.

Welche Möglichkeiten und Grenzen von Macht haben Sie in Ihrem ersten Jahr kennengelernt?

Wessel Wir haben nach 15 Jahren wieder die Möglichkeit, im Düsseldorfer Rathaus Dinge anzustoßen, die vor zwei Jahren noch undenkbar schienen. Das bringt aber auch eine gewisse Ungeduld mit sich, weil viele Mitglieder und Wähler sich wünschen, dass das alles schneller geht und wir noch mehr anpacken. Soll Wir haben die Erfahrung gemacht, dass selbst die kleinste Änderung, die Verlängerung des ÖPNV um ein paar 100 Meter zur Uni-Mensa, viel Zeit braucht. Planung, Ausschreibung, Umsetzung dauern leider so lange, dass wir das gerade noch in dieser Ratsperiode schaffen werden.

Entwickeln Sie daraus mehr Verständnis für die CDU und die Prozesse in den Jahren vor dem Machtwechsel? Würden Sie manche Forderung heute anders stellen?

Soll Verständnis für die Geschwindigkeit schon, für die Debatten und Inhalte nicht. Da sehen wir uns heute in unseren damaligen Forderungen bestätigt. Wessel Das ist müßig. Wir hätten andere Entscheidungen getroffen, aber sie können den Kö-Bogen nicht wieder abreißen und auch die Tunnel nicht wieder zuschütten.

Herr Soll, beneiden Sie Herrn Wessel, dass er mit einem SPD-Oberbürgermeister noch eine Gestaltungsmöglichkeit mehr hat.

Soll Ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir mit Miriam Koch diese Gestaltungsmöglichkeit erhalten hätten, deshalb ist sie ja als OB-Kandidatin angetreten. Aber ich arbeite auch gerne mit einem SPD-Oberbürgermeister.

Herr Wessel, dann müssen Sie die Frage beantworten: Sind Sie zu beneiden?

Wessel Ich finde schon, dass ich zu beneiden bin. Wir sind endlich wieder in der Position, mit Partnern und einem SPD-Oberbürgermeister Dinge in dieser Stadt zu gestalten.

Wenn Sie Ihren Kollegen von der CDU, Christian Zaum, treffen, geben Sie ihm manchmal Tipps, wie man Opposition macht?

Soll Das Verhältnis unter allen Fraktionsgeschäftsführern ist sehr kollegial. Deswegen kann ich mit Sicherheit sagen: Die Geschäftsstelle der CDU braucht keine Ratschläge, da wird sehr professionell gearbeitet. Wessel Die Umgewöhnung in der Fraktion selbst scheint sich aber schwieriger zu gestalten.

Ihre Vorgänger, Jochen Wirtz und Miriam Koch, sind inzwischen als OB-Büroleiter beziehungsweise Flüchtlingsbeauftragte, also beim Käpt'n auf der Brücke. Wo sind Sie 2020?

Wessel Ich habe mein Leben und meine Karriere nie geplant - und bin damit sehr gut gefahren. Soll Es kommt ja doch immer anders, als man denkt.

CHRISTIAN HERRENDORF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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