Andreas Ehlert und Dirk Jansen im Interview Luftreinheit - ein Ziel, zwei Welten
Düsseldorf · Der Präsident der Handwerkskammer will ein Dieselverbot verhindern. Der Vertreter des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland sagt, es sei nicht die Frage, ob es kommt, sondern nur wie.
Herr Jansen, wie sind Sie zu diesem Gespräch angereist?
Dirk Jansen Mit der S-Bahn und meinem Faltrad. Ich habe kein Auto. Wobei ich das Rad am Empfang abgeben musste, weil es vor der Handwerkskammer keinen Fahrradparkplatz gibt. Das wäre vielleicht ein Verbesserungsvorschlag.
Andreas Ehlert Das stimmt. Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass wir gerade einen Fahrradparkplatz einrichten..
Herr Ehlert, wie sind Sie gekommen?
Ehlert Ich bin mit einem Diesel-Fahrzeug mit der modernsten Abgasnorm Euro 6 angereist und hoffe, das auch bald noch tun zu können.
Jansen Ich glaube, diese Hoffnung muss ich Ihnen nehmen.
In der Tat scheint gerade nichts mehr sicher. Wegen einer erfolgreichen Klage der Umwelthilfe steht derzeit ein Fahrverbot für Diesel auf besonders belasteten Straßen wie der Corneliusstraße im Raum. Herr Jansen, Sie würden das befürworten.
Jansen Ja. Ich sehe keine Alternativen. Und wenn der Euro-6-Wagen von Herrn Ehlert die Grenzwerte im Realbetrieb nicht einhält, sieht es für ihn vermutlich auch düster aus. Die Vorgabe der EU-Kommission und der Gerichte ist, dass wir schnell die Grenzwerte für Stickoxide einhalten müssen. Ich weiß nicht, wie das anders gehen soll.
Herr Ehlert, die Handwerkskammer protestiert gegen Fahrverbote. Was befürchten Sie?
Ehlert Wir müssen die Stadt auch in Zukunft mit Waren und Dienstleistungen beliefern. Man schneidet Lebensadern ab, wenn man Hauptstraßen in einer einzelnen Stadt sperrt. Wir sollten nicht so kurzfristig denken, sondern uns lieber verständigen, wie wir einen vernünftigen Prozess hinbekommen. Ich halte die Diskussion für weit überzogen, wenn die Bundesregierung jetzt sogar davor warnt, dass nur die nächste Abgasnorm Euro 6 D sicher vor Fahrverboten sei. Man muss aufpassen, was man da anrichtet.
Düsseldorf muss nach Ansicht der Richter einen schnellen Weg finden, die Grenzwerte einzuhalten, notfalls in einem kommunalen Alleingang. Was wäre denn ihr Vorschlag?
Ehlert Zunächst einmal: Ich möchte nicht, dass Menschen krank werden, weil sie Diesel-Abgase einatmen. Aber was ich nicht teile, ist, dass der Autoverkehr alleinig verantwortlich gemacht wird. Wir wissen aus dem großen Gutachten des Umweltamts, dass sich die Belastung auf der Corneliusstraße allein schon um 19 Prozent reduzieren ließe, wenn wir den Verkehr intelligent verflüssigen. Und 14 Prozent weniger Stickoxide wären dadurch möglich, wenn die Rheinbahn auf Elektrobusse umstellt. Auf die Handwerkerfahrzeuge gehen nur neun Prozent der Belastung zurück.
Jansen Ich muss da widersprechen. Dass die Grenzwerte ständig überschritten werden, ist vor allem ein Problem des Kfz-Verkehrs. Den müssen wir massiv reduzieren. Und das ist keine Überraschung: Schon 1996 trat die Rahmenrichtlinie für die Luftreinhaltung in Kraft. Man darf nicht vergessen, wie gefährlich die Gase sind. Eine Untersuchung des Umweltministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass Stickoxide allein für 123 Todesfälle bei Frauen pro Jahr in Düsseldorf verantwortlich sind. Der Schutz der Menschen muss endlich Vorrang vor den Interessen der Wirtschaft bekommen.
Herr Ehlert, stellen Sie die Interessen der Wirtschaft über die Gesundheit?
Ehlert Nein. Gesundheit ist das kostbarste Gut. Aber man darf doch nicht so überziehen: Der Ausstoß an Stickoxiden ist seit 1990 insgesamt um 70 Prozent gesunken. Wir haben in der Tat immer noch Probleme an eng begrenzten Stellen wie der Corneliusstraße. Wir sollten aber auf der anderen Seite auch nicht die Situation der Verbraucher und der Handwerksbetriebe übersehen.
Was meinen Sie?
Ehlert Erst 2013 ist die strengere Umweltzone in Kraft getreten. Das hat dazu geführt, dass die Bürger und vor allem auch die Betriebe massiv investiert haben. Aber noch bis September 2015 gab es im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge mit noch so viel Geld und gutem Willen nichts anderes als Diesel der Abgasnorm 5. Die Betriebe müssen sich deswegen auch nicht sagen lassen, sie hätten nichts für den Umweltschutz getan. Es kann nicht sein, dass bald für moderne Fuhrparks über Nacht ein Verbot gilt.
Düsseldorf muss die Belastung durch Stickoxide aber senken.
Ehlert Ja. Und im Handwerk gibt es großes Interesse zum Beispiel an E-Fahrzeugen. Wir hatten dazu kürzlich eine Riesenveranstaltung mit 300 Unternehmern. Sie zeigte: Der Markt ist noch nicht so weit. Heute finden sie im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge fast kein Angebot. Was soll man da raten? Und die schweren Baufahrzeuge gibt es nur als Diesel. Wie soll noch gebaut und beliefert werden, wenn morgen nicht mehr gefahren werden darf? Ein Heizkessel lässt sich nicht mit dem E-Bike transportieren! Man hätte längst über Szenarien reden sollen. Die Politik ist gefordert.
Jansen Da bin ich absolut bei Ihnen. Was wir hier erleben, sind die Folgen eines eklatanten Staatsversagens. Die Handwerksbetriebe vor Ort sind für mich aber auch nicht das Problem. Wir müssen an die Pendler-Ströme heran. Mehr als 250.000 Menschen kommen an jedem Werktag zur Arbeit nach Düsseldorf. Und die meisten nehmen das Auto. Das kann so nicht bleiben.
Herr Ehlert, kann das Handwerk bei den Pendler-Strömen etwas tun?
Ehlert Ja. Natürlich wünschen wir uns, dass unsere Mitarbeiter die Chance haben, mit der Bahn zu kommen. Aber weil es in den Städten teuer ist, müssen viele nach Düsseldorf einpendeln. Und da können wir nicht den zweiten Schritt zuerst tun. Das ÖPNV-Netz muss ausgebaut werden, damit mehr Menschen die Chance haben, vernünftig aus Wuppertal oder vom Niederrhein anzureisen. Das ist dringend erforderlich.
Jansen Da sind wir uns einig. Aber das dauert viel zu lange. Wir Umweltverbände fordern schon lange höhere Investitionen in den Nahverkehr, aber es scheitert immer wieder am Willen und den Finanzen. Wir können nicht weitere 20 Jahre warten. Und fairerweise muss man auch sagen: Es scheitert an Menschen, die immer noch dem Auto-Kult huldigen. Wir müssen uns vom Leitbild der autogerechten Stadt verabschieden, wenn wir die Grenzwerte einhalten wollen. Ich sehe dazu kurzfristig keinen anderen Weg als Fahrverbote mindestens bis Euro 5. Das sogenannte Lohmeyer-Gutachten hat den Weg gewiesen: Wir müssen den Kfz-Verkehr um mindestens 60 Prozent reduzieren.
Ehlert Sie wissen schon, dass damit auch Neuwagen aus dem Jahr 2015 nicht mehr fahren dürften?
Jansen Ja, aber sie überschreiten die Grenzwerte für Stickoxide im Realbetrieb um das Fünffache.
Ehlert Das ist wohl auch von der Politik so mit gewollt worden. Fest steht: Die Luft ist so sauber wie nie. Sie malen ein Szenario an die Wand, als sei es schlimm wie nie zuvor.
Jansen Diese Debatte führt uns nicht weiter: Die EU-Staaten haben sich auf Grenzwerte verständigt. Davon müssen wir ausgehen. Es geht nach meiner Auffassung nur noch um die Frage, wie wir ein Verbot ausgestalten. Man kann Dieselautos komplett oder temporär aussperren oder abwechselnd einen Tag für Fahrzeuge mit gerader oder ungerader letzter Ziffer des Nummernschilds einzuführen. Dazu helfen Konzepte wie eine City-Maut oder Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts. Das wäre eine Nothilfe bis zu der Zeit, bis die Fahrzeugflotte sauberer ist.
Herr Ehlert, wie sehen Sie das. Wäre das ein Kompromiss?
Ehlert Ich bin überzeugt, dass es viele andere Möglichkeiten gibt. Wir müssen uns etwa den Lieferverkehr anschauen. Wir bestellen im Internet mit einem Klick und die Ware wird dann von einem Diesel-Transporter vor die Haustür geliefert. E-Fahrzeuge, die das letzte Stück durch die Stadt fahren, könnten zu einer Lösung beitragen. Auch intelligente Parksysteme vermeiden Verkehr. Es gibt viele Ansätze.
Sie gehören beide zu der Projektgruppe bei der Bezirksregierung, die am neuen Luftreinhalteplan arbeitet. Ihre Prognose: Dürfen in zwei bis drei Jahren noch Diesel wie heute durch die Stadt fahren?
Ehlert Ich kann das nicht sagen. Erstmal müssen wir wohl die Bundestagswahl abwarten. Für ein kommunales Fahrverbot fehlt aus meiner Sicht die Rechtsgrundlage. Aber das werden wir wissen, wenn das Bundesverwaltungsgericht urteilt.
Jansen Es wird einschneidende Lösungen geben. So wie die Gerichte bislang geurteilt haben, halte ich aber ein kommunales Fahrverbot für realistisch. Man sollte den Leuten nicht vorgaukeln, dass wir da herumkommen. Eigentlich wäre die Bundesregierung gefordert, eine blaue Plakette einzuführen. Damit wären saubere Diesel davon nicht betroffen.