Düsseldorfer erfolgreich auf Youtube Männer, die auf Bagger starren

Düsseldorf · Christian Velde dreht Videos von Baustellen; seine Youtube-Clips sind schon 3,2 Millionen Mal angeklickt worden. Die Geschichte eines ehemaligen Bankers, der manchmal selbst nicht genau weiß, was seine Zuschauer so fasziniert.

 Christian Velde filmt die Arbeiter oft stundenlang auf einer Baustelle.

Christian Velde filmt die Arbeiter oft stundenlang auf einer Baustelle.

Foto: Andreas Bretz

Man kann Christian Velde nicht vorwerfen, er habe nichts Anständiges gelernt. Der 54-Jährige ist studierter Geograf, seine Diplomarbeit schrieb er am Max-Planck-Institut. Bei Siemens wurde er zum Organisationsprogrammierer, später arbeitete er bei der WestLB. Heute lebt Velde in einer kleinen Wohnung in Düsseldorf, steht fast täglich auf Baustellen, filmt Bagger, Kräne, Tieflader und sagt: "Ich bin ein glücklicher Mensch. Jeden Morgen stehe ich auf und freue mich darüber, dass ich das machen darf."

Als sein ehemaliger Arbeitgeber, die WestLB, aufgespalten wird, ist Velde 50 Jahre alt. "Ich hatte eigentlich gedacht, dort in Rente gehen zu können", sagt er. Stattdessen gibt es eine Abfindung, Velde kauft sich ein Motorrad, reist ein Jahr lang durch Brasilien und dreht Videos. "Erst habe ich alles gefilmt und hochgeladen. Familienfeste, Entenküken, was man eben so aufnimmt", sagt er.

Seit 2012 auf Youtube

Und Baumaschinen. Im Januar 2012 gründet Velde seinen ersten Youtube-Kanal: "Fuximux". "Der Name ist reine Erfindung. Ich wollte einfach etwas haben, dass noch nirgendwo anders auftaucht", sagt er. Mittlerweile hat sich der 54-Jährige den Namen schützen lassen. Denn, bei aller Bescheidenheit: Der Kanal ist jetzt schon größer, als ihm das irgendjemand zugetraut hätte.

Seit 2013 veröffentlicht Velde dort ausschließlich Videos von Baufahrzeugen. Sie tragen Titel wie "Großbohrgerät im Zeitraffer auf Großbaustelle" oder "Bagger beladen Lkw 130 in 15 Minuten". Und zeigen genau das: Vier Minuten lang bohrt eine Baumaschine im Zeitraffer auf einer Großbaustelle, eine Viertelstunde lang wird ein Lkw von einem Bagger beladen. Keine dramatischen Schnitte, keine Drohnenflüge.

Was seine Zuschauer sehen wollen? "Je größer die Maschinen, desto besser", sagt er. "Am besten läuft alles, was man normalerweise nicht in der Stadt sieht. Es ist die Faszination an der Technik, die Kraft, die in den Dingern steckt." Und: Einfach nur draufzuhalten, funktioniert nicht. "Am besten erzählt man eine Geschichte. Wie eine Maschine ankommt, seine Arbeit verrichtet und wieder fährt." 2500 Abonnenten zählt der Kanal mittlerweile, 10.000 Klicks erreicht er am Tag, 3,2 Millionen insgesamt. Zusammengerechnet wurden die Videos 15 Jahre und 168 Tage lang abgespielt.

"Ab einem gewissen Punkt hilft einem Youtube, mehr Menschen zu erreichen", sagt er. Wie viel er mit seinen Filmchen verdient, darf er nicht sagen — das regelt mittlerweile ein Vertrag mit der Plattform. "Es reicht aber nur zu einem Taschengeld für meine drei Kinder", sagt er.

Man könnte nun dem Klischee erliegen, dass vor allem ältere Menschen zu den Fuximux-Zuschauern gehören. Wer seine Follower sind, weiß Christian Velde dank Youtube aber genau. "82 Prozent sind männlich, die meisten zwischen 25 und 34 Jahre alt und aus Deutschland", sagt er. Kurz darauf folgen Länder aus Asien. Deutsche Baumaschinen sind in Fernost anscheinend stark im Kommen. Ganz anders sieht es auf seinem Schifffahrtskanal aus, für den er vorbeifahrende Schiffe filmt. Dort gucken vor allem ältere Männer aus den Niederlanden zu. Insgesamt zehn Kanäle bestückt Velde mittlerweile mit Videos. In Zukunft möchte er noch mehr vor der Kamera machen, in Kontakt zu den Zuschauern treten.

"Ich filme die Arbeiter stundenlang auf der Baustelle"

Die Aufnahmen entstehen fast alle in Düsseldorf. "Hier herrscht so ein Bau-Boom, dass man nirgendwo anders hin muss. Man bekommt hier alles", sagt er. Mit drei kleinen Kameras und Stativen ausgerüstet marschiert er auf die Baustellen. "Momentan setze ich auf eine Mischung aus Zeitraffer- und Detailaufnahmen." Wie aber erfährt er von den besten Drehorten? "Am Anfang hat mich keiner gekannt. Da habe ich mir alles aus dem Internet oder der Zeitung zusammengesucht", sagt er. Mittlerweile hat er sich in Teilen der Branche einen Namen gemacht.

"Ich filme die Arbeiter stundenlang auf der Baustelle, bei jedem Handgriff. Da ist Vertrauen alles", sagt er. Nur einmal ist er davon abgewichen: Eigentlich hatte Velde einer Baufirma versprochen, falls etwas schiefgehen sollte, nicht zu filmen. Natürlich kippte dann ein Bagger spektakulär um — und der Videomacher veröffentlichte das Material. "Ich habe gedacht, dass ich mich dort nie wieder blicken lassen könnte. Aber als ich nach drei Tagen wieder hingegangen bin, war alles in Ordnung. Zum Glück."

Trotz seiner jahrelangen Erfahrung ist Christian Velde manchmal ratlos, was Zuschauer an einigen seiner Filme so fasziniert. "Bei Zeitraffer-Videos sieht man ja noch richtig viel. Aber ich habe mal 25 Minuten lang gefilmt, wie ein Arbeiter seinen Betonmischer sauber macht. Ein paar klicken da sofort weg. Aber manche haben sich das bis zur letzten Minute angeschaut."

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(lukra)
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