Düsseldorfer Polizist Dirk Sauerborn Der Maghreb-Versteher

Düsseldorf · Dirk Sauerborn ist bei der Düsseldorfer Polizei für den Kontakt zu den muslimischen Gemeinden in der Stadt zuständig. Wer mit ihm durch das inzwischen deutschlandweit bekannte Maghreb-Viertel geht, erhält interessante Einblicke.

Dirk Sauerborn im sogenannten Maghreb-Viertel im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk. Oft ist er hier in Zivil unterwegs, aber wenn er etwa eine Moschee besucht, trägt der Polizist die Uniform - "das ist eine Frage des Respekts".

Dirk Sauerborn im sogenannten Maghreb-Viertel im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk. Oft ist er hier in Zivil unterwegs, aber wenn er etwa eine Moschee besucht, trägt der Polizist die Uniform - "das ist eine Frage des Respekts".

Foto: Anne Orthen

Seit 2012 hat Sauerborn eine andere Aufgabe: Er ist Kontaktbeamter und Ansprechpartner für Interkulturelle Angelegenheiten im Polizeipräsidium Düsseldorf. Der 56-Jährige mag seinen Job. Und nimmt ihn sehr ernst.

Ein Abend nahe der Düsseldorfer Stadtmitte. Rund 25 Interessierte haben sich vor der Sparkasse am Oberbilker Markt versammelt. Sie möchten sich von Sauerborn jenes Viertel des Stadtteils zeigen lassen, in dem seine Kollegen in einem Analyseprojekt mehr als 2240 Straftäter registriert haben und das seit einer Großrazzia vor einem Jahr als "Maghreb-Viertel" in den Medien präsent ist. Den Stadtteil hinter dem Bahnhof kennt der Kontaktbeamte wie die viel zitierte eigene Westentasche. "Herzlicher, rau, mit Ecken und Kanten", findet Sauerborn. Er betont Oberbilk französisch: auf der zweiten Silbe.

Natürlich weiß der Gesetzeshüter auch, dass auf dem Moskauer Platz, wo ein ehemaliger Oberbürgermeister gerne ein russisches Handelszentrum hätte erblühen sehen, eine Puschkin-Büste steht. Und so startet der interkulturelle Rundgang durch Oberbilk damit, dass Polizeihauptkommissar Sauerborn ein Liebesgedicht des russischen Nationaldichters rezitiert. An eine unerwiderte Liebe. "Das sind ja die schönsten", sagt er.

Ein paar Tage später. Wieder in Oberbilk. Das Restaurant Marchica hat erst kürzlich geöffnet. Sauerborn kennt den Bruder des Gastronomen vom Eislaufen an der Brehmstraße. Er kennt sie alle im Viertel. Den Mann von der Patisserie Tanger an der Ellerstraße. Die Betreiber des muslimischen Beerdigungsinstituts. Die Imame der Moscheen.

Der Polizist ist mit dem Fahrrad da. Sauerborn ist passionierter Radfahrer. Vorigen Sommer ist er quer durch die Republik geradelt. Vom Ellenbogen auf Sylt bis hinter Oberstorf. 1600 Kilometer in 14 Tagen. Dieses Jahr will er das Land von West nach Ost durchqueren, von Selfkant-Tüddern bis nach Neißeaue im Landkreis Görlitz.

Das Erste, was an ihm auffällt, ist seine offene Art, der weite Horizont. Sauerborn hat zu vielen Themen was zu sagen und macht das auch. Literatur. Reisen. Theater. Stadtplanung. Im Gespräch mit ihm kommt man "von Hölzchen auf Stöckchen", wie man im Rheinland sagt. Aber er ist kein reiner Sender, kann auch gut zuhören, ist neugierig auf alles und jeden. Eine gute Grundvoraussetzung für seine Aufgabe.

"Eigentlich wollte ich Lehrer werden", sagt Sauerborn. Weil er aber bei einer alleinerziehenden Mutter aufwuchs, entschied er sich, die Schule früher zu verlassen, um Geld zu verdienen. Sauerborn machte die Mittlere Reife und absolvierte eine Ausbildung bei der Polizei. Die hatte er bereits mit 19 abgeschlossen. Später holte er die Fachhochschulreife nach und studierte an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in Wuppertal, Fachbereich Polizei.

Zum ersten Mal in Kontakt mit Muslimen kam er noch im Elternhaus. Das war Anfang der 70er Jahre. Sauerborns Mutter hatte damals mehrere Zimmer an Studenten aus Marokko untervermietet. "Die haben dann für uns marokkanisch gekocht", erinnert er sich. "Tajine, Couscous und Hackfleischbällchen." Sein Interesse für die fremde Kultur war geweckt.

Mit 18 reiste er erstmals nach Marokko. Mit der Fähre, von Spanien aus. Nicht unbedingt eine gute Erfahrung, zumal er am Fähranleger von einem Einheimischen abgepasst und direkt in den Souk, den Basar, gebracht wurde. Eine Situation, aus der man sich nur schwer befreien kann. Ohne Gesichtsverlust. Und ohne Dinge zu erwerben, die man eigentlich nicht haben will. Sauerborn kaufte einen Dolch, eine Djellabah (Gewand) und einen Teppich. Und nahm die nächste Fähre zurück nach Spanien.

Ein anderer hätte daraufhin beschlossen, das Land nicht mehr zu bereisen. Nicht so Sauerborn. Er glaubt an die zweite Chance. Immer wieder zog es ihn in den folgenden Jahren nach Nordafrika, nach Marokko und Tunesien. Er las den Koran. Er lernte viel über die Kultur der Menschen. Ihre Religion.

Trotzdem tritt auch er manchmal noch in Fettnäpfchen. Oft geht es dabei um das Thema Ehre. Die entsprechende Anekdote möchte er, da bittet er um Verständnis, aber nicht aufgeschrieben wissen. An der Stelle, an der er arbeitet, ist es wichtig, Geheimnisse zu bewahren.

"Im Moment bin ich viel in Oberbilk", sagt der Polizist. Sauerborn hat an der Theaterproduktion "Dahin wo Milch und Honig fließen" mitgewirkt. Er war beim Flashmob in der Unterführung am Mintropplatz zugegen und bei den Aufmärschen der islamfeindlichen "Dügida"-Gruppe in der Nähe der marokkanischen Moschee.

Als das Land Anfang 2014 in Bonn, Bochum und Düsseldorf ein Pilotprogramm zur Bekämpfung des gewaltbereiten Salafismus initiierte, gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Vereins "Wegweiser", der an an Schulen und in Jugendfreizeitstätten über das Thema informiert, aber auch sehr konkret Eltern, Freunde oder Lehrer junger Menschen berät, die sich um gefährdete Jugendliche sorgen. "Der Bedarf ist groß", sagt Sauerborn, vor allem bei den Lehrern, aber auch in den muslimischen Gemeinden.

Er sitzt am Runden Tisch mit muslimischen Vereinen und Geschäftsleuten, den die Polizei einst angeregt hatte und der sich vor zehn Jahren mit der "Düsseldorfer Erklärung für Dialog, Frieden und Integration" von religiösem Extremismus distanzierte.

Die Muslime vertrauen ihm, schätzen seinen Rat. Und Sauerborn weiß, wie er sie nehmen muss. "Wenn ich beispielsweise in die Moschee gehe, trage ich Uniform", sagt er. Das sei eine Frage des Respekts, man erwarte es dort.

Sauerborn hat schon zahlreiche Freitagsgebete erlebt. "Ich setze mich still an den Rand, auf den Teppich, hinter die Betenden", sagt er. Der Polizist ist beeindruckt vom Schulterschluss, der Art und Weise, wie die Muslime in der Moschee als Gruppe zusammenstehen. "Gesellschaftlicher Zusammenhalt stellt in den Herkunftsländern dieser Menschen einen großen Wert dar", sagt er. "Ganz anders als bei uns."

Gibt es denn nun seiner Meinung nach ein Miteinander zwischen der nordafrikanischen Community und den Deutschen im Stadtteil Oberbilk? Sauerborn überlegt kurz. Und gibt dann eine überraschende Antwort. Das Miteinander, findet er, dürfe gar nicht das Ideal sein. "Ich glaube, mit einem friedlichen Nebeneinander ist schon sehr viel erreicht."

(RP)
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