Düsseldorf Mehr Schulen sollen barrierefrei werden

Düsseldorf · Menschen mit Handicap wünschen sich mehr Schulen mit Aufzügen. Die Stadt setzt das bei Neubauten um, eine Nachrüstung sämtlicher Altbauten lehnt sie aber ab. Die Kosten seien zu hoch, der Kreis der Betroffenen zu klein.

 Renato Saracin (14) besucht die Dieter-Forte-Gesamtschule und hat für den Aufzug einen Schlüssel.

Renato Saracin (14) besucht die Dieter-Forte-Gesamtschule und hat für den Aufzug einen Schlüssel.

Foto: A. Orthen

An der katholischen Carl-Sonnenschein-Schule in Düsseltal gibt es nach den Sommerferien eine Premiere. "Zum ersten Mal werden wir ein i-Dötzchen haben, das auf den Rollstuhl angewiesen ist. Wir freuen uns auf diese neue Erfahrung", sagt Birgit Nösser. Bis dahin hat die Schulleiterin allerdings noch jede Menge zu tun. "Gerade habe ich eine Rampe bestellt, damit das Kind auch in die Turnhalle kommt", sagt sie. Denken müssen sie und ihr Team auch an besondere, tiefer hängende Garderobenhaken oder ein Konzept für den Sportunterricht. Schon einmal hatten sich Eltern eines rollstuhlfahrenden Kindes für die Schule an der Graf-Recke-Straße interessiert. "Sie haben bei uns hospitiert, sich dann aber schließlich doch für die Förderschule entschieden, weil sie das dortige Angebot für passgenauer hielten", erinnert sich Nösser.

Mit der kleinen, im August anstehende Premiere liegt die Carl-Sonnenschein-Schule im Trend. Denn die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Handicap ("Inklusion") in Regelschulen ist politisch gewollt und wird vom Land personell und finanziell unterstützt. Doch häufig hapert es selbst an der Grundausstattung. "Wir haben einen Aufzug, weil wir 2008 in einen Neubau gezogen sind und gelten deshalb als barrierefrei", meint die Pädagogin. Selbstverständlich ist das in Düsseldorf nicht. "In allen Stadtbezirken - außer im Stadtbezirk 10 - gibt es mindestens eine Grundschule, die über einen Aufzug verfügt oder einen solchen geplant hat", sagte Florian Dirszus, Leiter der Projektgruppe Schulbau, vor wenigen Tagen im Behinderten-Beirat. "Nicht einmal eine pro Bezirk", raunten prompt einige Mitglieder der Interessenvertretung.

Insgesamt kommt man auf zehn Grundschulen (in den Stadtbezirken 2 und 5 gibt es jeweils zwei, der Stadtbezirk 8 muss noch ein wenig warten und der Stadtbezirk 10 wird auch künftig leer ausgehen). Allerdings gibt es 86 städtische Grundschulen. "Barrierefreiheit ist ein langfristiges Projekt, bei diesem Thema wurden in der Vergangenheit viele Fehler gemacht", sagt Christa Rigter vom Runden Tisch Bauen des Behinderten-Beirates. Dass man mit Blick auf knapper werdende Finanzen an der weiteren Umsetzung der Barrierefreiheit sparen könnte, bereitet ihr Sorgen. "Das darf nicht passieren, schließlich baut man Schulen für 50 Jahre."

Die Sorgen der Behindertenvertreter kann Dirszus verstehen. Für begründet hält er sie nicht. "Eine oder sogar zwei Grundschulen pro Bezirk bedeuten immer noch eine wohnortnahe Versorgung. Insgesamt sprechen wir von etwas mehr als 50 Kindern, die zwingend auf einen Aufzug angewiesen sind", sagt er. Die Stadt müsse eben auch die Verhältnismäßigkeit im Blick behalten. Ein nachträglich eingebauter Aufzug koste rasch bis zu 300.000 Euro oder mehr. So habe man bei der Kronprinzenschule in Unterbilk Abstand von einem solchen Projekt genommen. "Das Gebäude ist denkmalgeschützt, wir hätten seitlich einen hohen Glasturm mit Verbindungsstegen in den Altbau errichten müssen und wären bei Kosten von mindestens einer halben Millionen Euro gelandet", sagt Dirszus.

Wie wichtig Barrierefreiheit ist, weiß auch Jürgen Weitz, Leiter der Dieter-Forte-Gesamtschule in Eller. "Immer wieder haben wir Schüler, die für einige Wochen oder Monate verletzungsbedingt keine Treppen steigen können. Erst der Aufzug ermöglicht ihnen die weitere Teilnahme am normalen Schulleben." Um genau das zu ermöglichen, wird die Hulda-Pankok-Gesamtschule in Kürze zwei Treppenlifte anschaffen. "Unser Kunstbereich im Altbau und der neue Oberstufen-Raum im Keller wären sonst für Rollstuhlfahrer und schwer Gehbehinderte nicht erreichbar", sagt der stellvertretende Schulleiter Volker Vieten. Auch er betont, dass eine gelungene Integration Flexibilität voraussetzt. "Wir haben aus Klassenräumen schon sämtliche Schränke entfernen müssen, weil die Räume plötzlich zu klein waren. Das liegt nicht nur an Rollstühlen oder anderen Hilfsmitteln, sondern auch daran, dass neben dem Fachlehrer häufig noch ein Sonderpädagoge und ein Integrationshelfer am Unterricht teilnehmen."

In einem sind sich Vieten und seine Kollegen einig: "Wer will, dass Inklusion der Normalfall ist und gelingt, darf nicht an baulichen und personellen Ressourcen sparen."

(jj)
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