Filmarbeiten in Düsseldorf Michel Houellebecq ist müde

Düsseldorf · Der Meister der literarischen Zügellosigkeit wirkt wie ein von Weltschmerz gebeugter Mann, der sich einen freien Tag genommen hat, um die Sau rauszulassen. Leider hält die Freiheit nicht, was sie versprach, statt Sex und Spaß und ewiger Jugend sind da bloß Einsamkeit und Ekel, und nun steht Michel Houellebecq im Haus der Filmstiftung NRW verloren rum, grauer Parka, braune Cordhosen, ungesunder Teint, die feinen Finger ganz eigenartig vor dem Bauch verkrampft, als seien beide Handgelenke gebrochen.

 Houellebecqs Roman "Karte und Gebiet" wurde jetzt in Düsseldorf inszeniert.

Houellebecqs Roman "Karte und Gebiet" wurde jetzt in Düsseldorf inszeniert.

Foto: RP, Göttert

Skandalösester Autor Europas

Das ist er also, der skandalöseste Autor Europas, stets im Clinch mit Arabern, Frauen, der ganzen Welt, der Provokateur, der Pornograph, der Zyniker, der Wort-Gewalttäter und begnadete Autor der "Elementarteilchen", der Autor von Geschichten, die allesamt von uns handeln, von auf widersprüchliche Weise glücklichen Menschen, der romantische Radikalinski, der die Hoffnung auf die Erfüllung der Liebe nicht aufgeben mag. Houellebecq, eben 50 geworden, verfilmt gerade seinen eigenen Roman, "Die Möglichkeit einer Insel", die Geschichte eines Klons, der aus der Zukunft auf den Menschen der Vergangenheit blickt, auf unsere Gegenwart, auf die am moralischen Schmerz des Alterns Leidenden.

Nun ist der Franzose für ein paar Tage nach Düsseldorf gekommen, wo die Spezialeffekte für diese zu großen Teilen auf Lanzarote und in Alicante verwirklichte Produktion entstehen, weil in NRW Spezialisten von internationalem Rang arbeiten. Ein Science Fiction soll es werden, "ein radikales, von der Vorlage komplett abgelöstes Kunstwerk", wie Houellebecq mitteilt. Wobei er eigentlich gar nichts mitteilen will.

Er sagt ein bisschen was auf Englisch, bemerkt dann, dass er kein Englisch spricht, zieht mit dem Zeigefinger den Kragen seines Unterhemds herunter, zwirbelt das einzige Brusthaar auf weißem Feld, schmunzelt und murmelt, schaut zu Boden. Wie vielen Frauen mag er auf diese Weise ein "Je t'aime" zugehaucht haben, und sie konnten ihn nicht verstehen und es auch nicht erahnen, und er musste wieder allein nach Hause? Und wie vielen Frauen brauchte er gar kein "Je t'aime" zuzuflüstern, weil sie auch so hin und weg waren wegen dieser Inszenierung eines poète maudit, eines Randständigen, der nicht mehr fragt, "Was ist der Mensch?", sondern nur noch: "Was war der Mensch?". Es fällt einem das Wort "Schützling" ein, man will ihn waschen und mit Hühnerbrühe versorgen, und just in diesem Moment hört man Michael Schmidt-Ospach, den Chef der Filmstiftung, sagen: "Bringt ihn nicht durcheinander, er ist doch müde."

Mädchen in Bikinihöschen

Mit 200.000 Euro fördert das Land den Film, der im Mai auf dem Festival in Cannes Premiere feiern soll. Die Hauptrolle spielt Benoît Magimel; er war bereits in der Jelinek-Verfilmung "Die Klavierspielerin" zu sehen und wird in Frankreich verehrt wie die Kreuzung aus George Clooney, Brad Pitt und Clark Gable.

Mädchen in Bikinihöschen sollen in dem Film vorkommen, heißt es, aber ein Porno werde es nicht, im Gegenteil. Die Liebesgeschichte des Romans stehe im Vordergrund und die Insel, auf der eine neue Lebensform erprobt wird, auf der Liebe und Fürsorge gelebt werden. Aber am Ende, das ahnt man, wird auch im Film Resignation herrschen - oder nicht, Monsieur Houellebecq? Der Autor schaut bloß und spricht nicht, und weit hinter seinen Augen krümmt sich ein Schalk vor Lachen.

(RP)
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