Düsseldorf Morgens halb zehn bei Heinemann

Düsseldorf · Ein herzhaftes Frühstück ist für viele Frauen-Gruppen die traditionelle Grundlage, um beim Feiern bis zum Nachmittag durchzuhalten.

 Als Cruella de Vil aus dem Film 101 Dalmatiner haben sich Verena (32) und Jessica (35, v.l.) mit ihren Freundinnen Julia (34) und Katharina (35) verkleidet.

Als Cruella de Vil aus dem Film 101 Dalmatiner haben sich Verena (32) und Jessica (35, v.l.) mit ihren Freundinnen Julia (34) und Katharina (35) verkleidet.

Foto: Bretz Andreas

Noch bevor Iris und ihre sechs Freundinnen einen Blick in die Speisekarte geworfen haben, knallt schon der erste Sektkorken. Ein Tag ohne Kinder, ein Tag ohne Männer. Die sind auch unterwegs heute, "aber sehen wollen wir sie nicht", meint Birgit. "Sehen können wir die Männer ja das ganze Jahr", ergänzt Marion. Altweiber bleiben die Frauen unter sich. Das ist Tradition, wie das gemeinsame Frühstück - in diesem Jahr bei Heinemann am Martin-Luther-Platz - oder das Motto fürs Kostüm. "Diesmal sind wir Musketiere", sagt Marion, die eine lange Feder am Hut und viel Glitzer im Gesicht hat. Der Vorteil: Man findet sich in der Menge schneller wieder. Vor allem, wenn man wie Marion ohne Kontaktlinsen aus dem Haus gegangen ist.

Während sich der Tisch so langsam füllt mit Rühreiern und Brötchen, Käse, Schinken und Marmelade für eine gute Grundlage, kramt Marion in ihrer Tasche nach dem Handy. Sie will ihren Mädels ein Bild zeigen von ihrem Mann. Als Highway-Patrol ist er verkleidet, die Hose sei viel zu eng, findet sie. "Man sieht alles", gluckst sie vor Lachen. Und ein bisschen macht sich der Sekt bemerkbar. Inzwischen bekommt ihre Sitznachbarin Iris von einer aufmerksamen Kellnerin einen guten Ratschlag für den Tag: "Sie sollten wirklich auf Ihre Tasche aufpassen." Typisch Iris, rufen die Mädels. "Sie verliert ihre Tasche, ihren Mann und ihre Kinder", sagt Marion.

 Auf den Kopfschmuck haben Daniela (50 plus) und Margret (nach eigenen Angaben 29) besonders viel Wert gelegt: Lockenwickler und ein Windrad.

Auf den Kopfschmuck haben Daniela (50 plus) und Margret (nach eigenen Angaben 29) besonders viel Wert gelegt: Lockenwickler und ein Windrad.

Foto: Bretz Andreas

Am Tisch neben den Musketieren, die keinesfalls mit Piraten verwechselt werden wollen, sitzen Julia, Katharina, Verena und Jessica. "Wir warten noch auf eine Freundin", sagt Julia. "Aber sie ist wie immer zu spät." Die Frauen sind verkleidet als Dalmatinerbaby mordende Schurkinnen, auch bekannt als Cruella de Vil aus dem Film 101 Dalmatiner. "Aber nur heute", sagt Katharina. "Sonst mögen wir Hundebabys nur auf dem Arm halten." Ihre schwarz-weißen Frisuren sind wild, die Mäntel gefleckt, die Lippen blutrot. Passend dazu tragen sie rote Lederhandschuhe, damit es draußen nicht ganz so kalt wird. Julia und Katharina kennen sich aus der Grundschule, seitdem feiern die beiden zusammen Altweiber. Irgendwann während des Studiums kamen dann die anderen dazu. Unter dem Tisch haben die Freundinnen eine Tasche gebunkert, mit Proviant für den Tag. Keine belegten Brote, kein warmer Tee. "Killepitsch", sagt Verena. "Der muss einfach sein."

In der ersten Etage des Cafés ist es mittlerweile voll geworden. Und bunt. Und laut. Frösche mit Krönchen sind gekommen und Pinguine, die noch den Watschelgang üben, Clowns, Piratinnen und Hexen. Selten ist ein Mann dabei, und die normalen Gäste, die bloß einen Kaffee trinken wollten, gehen irgendwann unter in der Karnevalsmenge. Die Liste der Reservierungen ist lang an diesem Donnerstagmorgen, sagt eine Kellnerin. Zehn, 15, manchmal 20 Leute pro Tisch. Ab halb zehn hat das Personal keine Zeit mehr, Luft zu holen. "Wir kommen seit Jahren hierher", erzählt Margret mit dem Windrad auf dem Kopf. 29 ist sie - nach eigenen Angaben. Ihr Ausweis liegt gerade ganz zufällig ganz tief irgendwo vergraben in der Tasche. Neben Margret sitzt Tante Paula, ohne Nachnamen. Einfach Tante Paula. Daneben Daniela, 50 plus. Nach dem Frühstück ziehen die sechs Frauen los zum Carlsplatz, "da soll es eine gute Band geben", sagt Silke, 60 plus. Später wollen sie noch ins Schiffchen "und zur Schwulenparty, Männer gucken", sagt Renate, 70 minus. Die Freundinnen mit den kreativen Altersangaben haben sich im Frauenbörsenclub kennengelernt, "heute hat sich unser Interesse auf Kultur verlagert", sagt Tante Paula. Karten spielen sie zusammen und sie reisen. Sie spielen Golf - "schreiben Sie lieber Sport", sagt Margret -, sie gehen ins Museum. Und sie feiern Karneval zusammen. "Pink Ladies könnten wir uns nennen", sagt Renate, "mein Mann tanzt im Männerballett, das Pink Ladies heißt", ruft Silke dazwischen. "Olaf", singen die Freundinnen im Chor, "er ist Däne", ergänzt Silke. Immerhin haben die Gespräche einen roten Faden. Darauf noch ein Sektchen und für Tante Paula einen Eierlikör.

 Die sieben Musketiere, die sich alle freigenommen haben für Altweiber (v.l.): Ruth (42), Petra (47), Verena (38), Marion (47), Iris (46), Birgit (48) und Inka (49).

Die sieben Musketiere, die sich alle freigenommen haben für Altweiber (v.l.): Ruth (42), Petra (47), Verena (38), Marion (47), Iris (46), Birgit (48) und Inka (49).

Foto: Bretz Andreas

Wie beim Frauenbörsenclub passen auch bei den Meerbuscher Tennisdamen die Männer auf die Möbel auf. "Wir haben das Altweiber-Frühstück bei Heinemann eingeführt", erzählt Jutta mit dem lilafarbenen Pailletten-Hut. Die ersten seien sie gewesen, die verkleidet kamen, damals vor einem halben Jahrhundert. "Nur die Musik, die fehlt diesmal", sagt Karen.

Um kurz vor 11 Uhr wird es still im Café, ganz plötzlich, für einen Augenblick, als hätte jemand einen Stecker gezogen. Die Möhne sind weg, das Personal atmet durch.

(RP)
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